Das Richtige tun

Standpunkt

Manchmal fragt man sich, wer schuld ist. Wer Verantwortung trägt für das Durcheinander im Leben. In der Welt. Im Alltag. Auch im ganz Kleinen und Persönlichen. Und damit fragt man auch, wessen Pflicht es wäre, etwas zu ändern. Angelika Bier und Christina Dietrich haben sich der Frage genähert, wer dafür verantwortlich ist, Frieden zu schaffen.

Vor wenigen Wochen wurde der diesjährige Friedensnobelpreisträger bekannt gegeben. Dieses Mal ging der angesehene und hoch dotierte Preis an die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung „ICAN“. Außer „ICAN“ standen noch weitere 317 Anwärter auf der Liste, darunter Angela Merkel und Donald Trump. Was die Anwärter wie auch die bisherigen Friedensnobelpreisträger eint, ist, dass sich unter ihnen oftmals große Organisationen und einflussreiche Politiker finden lassen. Man könnte also mit gutem Grund meinen: Wenn denn jemand für den Frieden verantwortlich sei, dann all jene, die über Macht und Einfluss verfügten. In der Tat tragen solche Persönlichkeiten bzw. Organisationen eine besondere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Ihre Entscheidungen beeinflussen das Leben vieler Menschen.
 
Aber die Gesellschaft definiert sich nicht allein dadurch, dass sie in der Form eines großen Bündnisses, eines Landes oder einer Stadt existiert, deren Zukunft durch einzelne Vertreter entscheidend bestimmt wird. Viel eher ist sie die Menge aller kleinen und großen Beziehungen, die wir Menschen als Teil der Gesellschaft haben. So haben wir gegenüber Familie, Freunden, Arbeitskollegen und anderen Mitmenschen eine ganz eigene Verantwortung. Innerhalb dieser kleinen „Bündnisse“, die jeder Mensch hat, sind wir verpflichtet, zum friedlichen Miteinander beizutragen. Wie der Philosoph Karl Jaspers so schön schreibt: „Der Friede beginnt im eigenen Haus.“ Dies bedeutet, dass sich niemand dieser Aufgabe entziehen kann. „Krieg und Frieden“ kennt eben viele Schlachtfelder: Auf dem Schulhof, im Büro, in der Küche oder auch in „Jonas Haus“.
„Jo, Alles klar Mann. Lass chillen!“
„Jonas Haus“ ist eine gemeinnützige Einrichtung in Berlin-Spandau. Direkt an einem sozialen Brennpunkt gelegen, finden hier an 365 Tagen im Jahr die Kinder und Jugendlichen aus der Umgebung Hilfe, Unterstützung und ein breites Angebot an Bildungs- und Freizeitangeboten.

„Wir haben die Zuversicht, dass unsere Versuche doch nicht ins Leere laufen.“

Dabei ist eines unserer wesentlichen Anliegen, den Kids und Teens christliche Werte wie auch Näch-stenliebe zu vermitteln. Nicht immer gelingt das. Dann erleben wir, wie unsere Jugendlichen einander die Smartphones demolieren, den einen gegen den anderen aufhetzen und ihrer Wut in verletzenden Worten Ausdruck verleihen. Eine solche Fehde kann sich durchaus lange hinziehen. Obwohl wir dann in Einzel- und Gruppengesprächen versuchen, das Problem zu klären und die Jugendlichen miteinander zu versöhnen, hängt am Ende alles von einer entscheidenden Sache ab: Gelingt es einem Einzelnen, über den eigenen Schatten zu springen und dem Anderen zu vergeben, löst sich der Knoten und es tritt Frieden ein. 

Jüngst ist einer unserer Teens in einer solchen Situation regelrecht über sich hinausgewachsen. In einem zerrütteten Zuhause groß geworden, ist er Stammgast im „Jona“. Weil er daheim niemanden hat, der seine Gefühle und Bedürfnisse ernst nimmt, sucht er bei uns insbesondere die Aufmerksamkeit der Gleichaltrigen – mit zum Teil sehr fragwürdigen Methoden. Normalerweise der Unruhestifter, war Danny* in der betreffenden Situation diesmal der Geschädigte der Gruppe. Jemand hatte ihm seine Sportschuhe zum Scherz versteckt, woraufhin Danny kurzerhand den Fahrradsattel des anderen abmontierte und im Gebüsch verschwinden ließ. Auge um Auge, Zahn um Zahn. 

Und obwohl der Schuldige keinerlei Anstalten machte, sich zu entschuldigen, ging Danny am nächsten Tag auf den Betreffenden zu, drückte ihm den Sattel in die Hand und sagte: „Jo, alles klar, Mann! Lass chillen!“ Übersetzt heißt das nichts anderes als: Ich habe dir vergeben, lass uns wieder Freunde sein.

Frieden ist kein statischer Zustand

Für uns in Jonas Haus sind das immer wieder besondere Momente. Gleichzeitig zeigt es uns, was es bedeutet, Frieden zu schaffen. Denn offensichtlich besteht Frieden eben nicht darin, die eigenen Rechte einzufordern. Auch lässt sich Frieden nicht darauf reduzieren, dass man das moralisch Richtige tut und eigene Bedürfnisse zugunsten des Wohlergehens anderer zurücksteckt. Nein, Frieden geht einen Schritt weiter – erst recht in einem christlichen Menschen- und Weltbild. Denn nicht selten beginnt Frieden damit, als erster auf den anderen zuzugehen und ihm zu vergeben – was uns Menschen oft schwer fällt. Vergebung und Rücksichtnahme  –  dies sind die zwei wesentlichen Bestandteile, die dazu beitragen, dass Frieden zwischen Menschen entstehen und bestehen kann. Jeder kann lernen, Rücksicht zu nehmen und zu vergeben und dies in seinem unmittelbaren Umfeld praktizieren.

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Man muss also nicht im Bundestag oder gar in der Versammlung der Vereinten Nationen sitzen, um dafür verantwortlich zu sein, Frieden zu schaffen. Jeder einzelne von uns trägt eine persönliche Verantwortung, die gleich viel wiegt und wert ist wie die von Staatsoberhäuptern. Vielmehr ist die gesellschaftliche Verantwortung von großen Entscheidungsträgern überhaupt erst auf die persönliche Verantwortung zurückzuführen, die jedes Individuum hat. Doch sind Vergebung und Rücksichtnahme einfach umzusetzen? Ganz und gar nicht. Manchmal fällt es einem sehr schwer. Vor allem ist ein einmal eingetretener Frieden kein statischer Zustand. In einer Welt, in der wir Menschen ständig miteinander interagieren, ist er eine tagtägliche Herausforderung. Dieser Herausforderung ohne Jesus zu begegnen, ist so furchtbar schwer, wenn nicht gar unmöglich.

Erst in dem Wissen, dass ich total unzulänglich bin und mir so, wie ich bin, alles vergeben ist - ja, dass ich vielmehr unendlich geliebt, angenommen und gewollt bin, kann ich diese Herausforderung meistern. Nicht umsonst ist „Versönung“ ein anderes Wort für „Frieden“. Der alltägliche Frieden zwischen uns Menschen wird also erst möglich durch den ewigen und unveränderlichen Frieden, den Gott uns durch Jesus schenkt. Wir dürfen diesen Frieden annehmen und weitergeben. Und auch wenn es nicht immer gelingen mag, haben wir die Zuversicht, dass unsere Versuche doch nicht ins Leere laufen. So können wir immer wieder zuversichtlich und neu in jeden Tag starten - ausgerüstet mit Liebe, Nachsicht und Geduld anderen und uns selbst gegenüber. Schließlich wartet am Ende für jeden von uns ein ganz eigener Friedenspreis - einer, der weder im Regal einstauben noch dessen Wert mit irgendeiner Währung gemessen werden kann.