Wenn du das machst …!
Bibel erklärt
Wer die Bibel als sein Lieblingsbuch nennt und rege darin unterwegs ist, der stolpert hier und da über Aussagen, die nicht nur durch Mark und Bein gehen, sondern auch gleichzeitig eine unbedingte Positionierung einfordern. Beim Thema Nachfolge ist das scheinbar unvermeidlich. Denn gerade hier steht auf dem Prüfstand, wer das Sagen hat. Von Ulrich Müller.
Das ist wirklich starker Tobak: Jesus sagt, nur wer seine engsten Bezugspersonen hasst, kann sein Jünger sein. Das klingt hart! Was soll das heißen? Völliger Kontaktabbruch, auch wenn ich eigentlich ganz gut klarkomme mit meiner Verwandtschaft? Wie soll ich meiner Frau und meinen Kindern erklären, dass ich sie ab sofort nur noch lieblos behandele? Dieses Jesus-Wort scheint im Widerspruch zu stehen zum Gebot, die Eltern zu ehren (2. Mose 20, 12) und zur Anweisung, den Nächsten zu lieben wie mich selbst (Matthäus 22, 39f). Was ist los mit Gott?
Wenn der Druck von außen kommt
Es lohnt sich, genauer hinzuschauen, bevor man die Bibelstelle zum Anlass nimmt, der Schwiegermutter zu sagen, dass man sie ohnehin noch nie so richtig leiden konnte. Ein erster Aha-Effekt ergibt sich, wenn man sich die Parallelüberlieferung in Matthäus 10, 37 anschaut. Dort spricht Jesus abgeschwächt nur davon, dass wir Vater, Mutter, Sohn oder Tochter nicht „mehr lieben“ sollen als ihn. Wichtig ist hier der Kontext, Jesus sagt in den Sätzen zuvor nämlich: Wenn jemand den Glauben an ihn ernst nimmt, kann es deswegen zum Streit kommen mit Verwandten und Partnern. Nicht, dass Christen diesen Konflikt suchen – er geht aber möglicherweise von Familienangehörigen aus, die mit Jesus nicht so viel anfangen können. Unter Umständen üben Bezugspersonen Druck aus. Zwei Beispiele: Daniel möchte Theologie studieren und Jugendpastor werden. Er ist überzeugt davon, dass Gott ihn an dieser Stelle einsetzen möchte. Seine Mutter hat ihn aber fest als Nachfolger im Familienbetrieb eingeplant. „Wenn du das machst, enterbe ich dich!“ sagt sie.
„Notfalls müssen Christen sich, wenn es nicht anders geht, innerlich abnabeln von Menschen, die ihnen eigentlich sehr nahestehen, um ihren Glauben leben zu können.“
Und Ayşe hat über eine Freundin eine lebendige Gemeinde kennengelernt und will sich nach einem Glaubensgrundkurs taufen lassen. Als ihr muslimischer Vater davon erfährt, droht er: „Das hat Konsequenzen! Wag es bloß nicht, dich von unserem Glauben loszusagen!“
Wenn es hart auf hart kommt
Wenn solche familiären Konflikte Christen zu einer Entscheidung zwingen, beansprucht Gott oberste Priorität. Die Gottesbeziehung ist wichtiger als der Zusammenhalt innerhalb der Familie! Das meint Jesus in Lukas 14, 26: Notfalls müssen Christen sich, wenn es nicht anders geht, innerlich abnabeln von Menschen, die ihnen eigentlich sehr nahestehen, um ihren Glauben leben zu können. Gott wird das honorieren und nicht unbeantwortet lassen (Lukas 18, 29f). Wenn es hart auf hart kommt, ist es wichtiger, dass wir nach Gottes Vorstellungen leben als dass wir den Erwartungen der Eltern oder der Familie entsprechen. Jesus kannte solche Probleme mit der Familie übrigens aus eigener Erfahrung (siehe Markus 3, 21. 31 – 35).
Wenn es aus dem Herzen kommt
Hassen sollen wir sie übrigens trotzdem nicht. Wer bei diesem Jesus-Wort nur am Buchstaben klebt, versteht den Sinn falsch. Auch an anderen Stellen (5. Mose 21, 15; Matthäus 6, 24) steht das Wort „hassen“ nämlich stark zugespitzt für den Gedanken, dass bei Konkurrenzsituationen die eine Partei vorgezogen und die andere zurückgesetzt wird. Im Konfliktfall sollen wir enge Bezugspersonen, auch wenn wir sie bewusst der Beziehung zu Christus unterordnen, respektvoll behandeln und dann erst recht lieben (Matthäus 5, 43ff) – in der Liebe, die sich aus der Christusbeziehung speist. Im Römerbrief heißt es: „Soweit es an euch liegt, lebt mit allen Menschen im Frieden“ (Römer 12, 18).
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