Manipuliert und machtlos
Gesellschaft
Missverständnisse im Miteinander sind so alt wie das Miteinander selbst. Dabei würden sie sich durchaus vermeiden lassen. Aber was ist mit den kleinen und großen Manipulationen? Mit den Momenten, in denen mit festem Vorsatz das Denken und Handeln anderer gesteuert werden soll, oft zum eigenen Vorteil? Angelika Marsch spricht darüber, wie sie das erlebt, und meint: so muss das nicht sein.
Ich sehe sie noch genau vor mir, die Szene mit meiner Mutter, als sie versuchte, mich in ihrem Sinne zu verplanen. Ohne mein Wissen hatte sie zwei Termine in einer Gemeinde zugesagt, einmal für eine Predigt, ein anderes Mal für die musikalische Gestaltung an Weihnachten. Zugegeben, damals war ich telefonisch nicht so gut zu erreichen und so hatte meine Mutter schon einmal „vorgearbeitet“. Als sie mir die Termine mitteilte, wurde ich echt wütend. Ich machte ihr unmissverständlich klar, dass sie die Zusagen wieder rückgängig machen müsse. Daraufhin setzte sie mich unter Druck mit dem Argument, das könne ich den Leuten doch nicht antun. Um es kurz zu machen: Ich habe die Termine selbst abgesagt und klargestellt, dass meine Mutter sie ohne Rücksprache mit mir festgemacht hatte.
Natürlich war die Luft etwas dicker für eine Weile … Und doch: danach hat meine Mutter auf Anfragen immer gesagt, man solle Termine bitte mit mir direkt ausmachen. Geht doch! Ich habe – wie viele von uns – eine ganz feine Antenne dafür, wenn ich manipuliert werden soll. Meist spreche ich solche Versuche direkt – und wenn es geht, mit Humor – an.
Mal ganz direkt gefragt
Ob ich selbst andere manipuliere? Also, ganz bewusst und gezielt selbst etwas und dessen Wirkung in die Hand nehme? Denn das ist ja die ursprüngliche Bedeutung des Wortes. Nein, natürlich nicht. Also, nur ganz selten. Und wenn, dann doch recht subtil. Meist beschreibe ich meinem Gegenüber eine Situation so, dass sie oder er intuitiv „aufspringen“ und mir zu Hilfe eilen. Ein Beispiel: „Ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht! Wie soll ich bloß all die Vorbereitungen schaffen … den Raum dekorieren, die Häppchen vorbereiten, dann noch Getränke besorgen …“ Kaum habe ich ausgeredet, meint mein Gegenüber: „Du, die Häppchen kann ich doch machen.“ „Nein, das wollte ich damit doch nicht sagen!“ – (Ach ja, wirklich nicht?) „Doch, die kann ich gerne machen!“ „Na gut, wenn du unbedingt willst!“ So oder so ähnlich können sich auch bei mir Gespräche abspielen.
„Ich habe erkannt, dass bei Manipulation die persönlichen Grenzen nicht respektiert werden – damit ist Manipulation eine Art Missbrauch! Man benutzt andere für die eigenen Zwecke.“
Warum frage ich nicht direkt, ob mir jemand helfen kann? Nun ja, ich möchte es offenbar dem anderen überlassen, ob er oder sie reagiert oder nicht. (Ach ja? Das könnte doch auch geschehen, wenn du direkt fragst!). Ertappt!
Die Verlockung ist groß
Es ist ja so: Jede Beziehung zwischen uns Menschen ist von Absichten geprägt, die mehr oder weniger bewusst sind. Ich kann so handeln, dass meine Absicht klar erkennbar wird. Wird sie das, hat mein Gegenüber die Möglichkeit zu entscheiden, ob es der Absicht folgen will oder nicht. Wenn ich manipuliere, „verstecke“ ich meine Absicht und versuche, mit meinem Reden oder Handeln andere dazu zu bringen, etwas zu tun, was sie freiwillig nicht tun würden. Das Schlimme daran ist: Ich „locke“ die Entscheidung des anderen hervor, ohne ihm oder ihr den Raum zu geben zu einer eigenen, freiwilligen Entscheidung. Ich habe erkannt, dass bei Manipulation die persönlichen Grenzen nicht respektiert werden – damit ist Manipulation eine Art Missbrauch! Man benutzt andere für die eigenen Zwecke.
Mit einem Augenzwinkern
Ich habe mir vorgenommen, direkt zu kommunizieren und meine Absichten deutlich zu machen. Ich möchte keine „Stories“ erzählen, auf die dann jemand emotional aufspringt und so von mir indirekt zu einer Reaktion gedrängt wird. Wenn ich mich selbst wieder einmal in einer manipulativen Situation befinde, hilft es, mit einem Augenzwinkern zu fragen: „Verstehe ich dich richtig, du möchtest … von mir? Dann sag es doch direkt!“ Natürlich ist mir klar, dass es in anderen Kulturen gar nicht geht, direkt zu sein. Dort muss man „durch die Blume“ sprechen, aber das ist in einem ganz anderen Zusammenhang eine ganz andere Geschichte. Und garantiert keine Manipulation.
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