Der Typ ist wirklich anstrengend
Alltagstauglich
Es hilft ja nichts. Wir leben heute und müssen uns auch heute mit den Fragen des Lebens beschäftigen. Alles andere wäre Realitätsflucht. Und die steht uns nicht so gut. Fragen wir uns also: Was macht man eigentlich mit Menschen, die einem ziemlich auf die Nerven gehen? Ignorieren? Meiden? Verstoßen? Wilfried Schulte kommt zu einem überraschend anderen Ergebnis.
Vor etlichen Jahren, zu der Zeit, als wir noch in Kanada lebten, hatten wir im Team einen Mitarbeiter, den ich am besten mit dem Begriff „unregelmäßig“ beschreiben kann. Sein Verhalten war einfach etwas anders als die Norm, nach der wir zu arbeiten gewohnt waren. Er war ein lieber Mensch, der das Herz am richtigen Fleck hatte, aber auch anstrengend. Ich glaube, wir alle kennen solche „unregelmäßigen“ Menschen, die einen mehr fordern als einem lieb ist. Sieht man ihre Telefonnummer im Display, dann atmet man erst mal tief durch. Soll man das Gespräch annehmen? Hat man dafür jetzt Zeit? Und wenn ja, will man sie dafür einsetzen? Vernunft, ein schlechtes Gewissen, Unmut, Verständnis und Unentschlossenheit vereinen sich zu einem Gefühl der Ratlosigkeit. Wie soll ich mit dieser Person umgehen? Was heißt es hier und jetzt für mich, den Nächsten zu lieben?
„Jesus wurde einmal mit eben dieser Frage konfrontiert und fasste seine Antwort in sehr einfachen Worten zusammen und brachte es auf den Punkt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt und deinen Nächsten wie dich selbst“.“
Das Leben ist nicht fair
Gott lieben – ja. Aber meinen Nächsten? Welchen Nächsten? Kann man sich aussuchen, wer das ist? Und gehören auch die „unregelmäßigen“ Menschen dazu? Jesus beantwortet diese Frage mit einem Gleichnis. Allerdings dreht diese Beispielgeschichte, die Jesus da erzählt, die Frage um, statt sie zu beantworten, und zeigt damit, worauf es wirklich ankommt. Denn die entscheidende Frage ist nicht, wer ist mir der Nächste, sondern nämlich die: Wem bin ich ein Nächster? Habe ich so viel Liebe im Herzen, dass ich auch die Menschen liebe, die nicht in die üblichen Raster passen? Die zu den Verlierern in unserer Gesellschaft gehören? Habe ich genug Liebe für die Siegertypen unter uns, denen alles zufällt und die einen schnell denken lassen: Das Leben ist nicht fair? Und dann haben wir von den Feinden ja noch gar nicht gesprochen. Menschen, denen man aus dem Weg geht, denen man nichts gönnt und von denen man auch nichts erwartet, weil sie ja auf einer „schwarzen Liste“ unseres Herzens stehen. Reicht die Liebe auch für die?
Das Leben ruft nach Liebe!
Das „Hohe Lied der Liebe“ gibt uns eine gute Vorlage, dies in einem Praxisverfahren umzusetzen. In 1. Korinther 13 beschreibt der Apostel Paulus die Liebe Gottes, die Agape, und nennt dabei 15 anziehende Eigenschaften, die uns allen gut gefallen, wenn sie uns entgegengebracht werden. Wir sollten aber nicht vergessen, davon zu lernen und auch den Menschen um uns herum in dieser Liebe zu begegnen. Aus den Eigenschaften, die Paulus aufführt, lassen sich sehr gut fünf nachvollziehbare und schlichte Verhaltensrichtlinien ableiten:
- Ich nehme dich an, wie du bist.
- Ich glaube, dass du wertvoll bist.
- Wenn du leidest, leide ich mit.
- Ich will nur, was für dich am besten ist.
- Ich trage dir Beleidigungen und Kränkungen nicht nach.
„Nichtliebenswürdige Dinge müssen tief und innig geliebt werden, bevor sie liebenswürdig werden.“
Schaffe ich es, so zu lieben? Nein, nicht aus mir heraus. Aber Gott lässt diese Liebe durch seinen Geist in meinem Herzen und den Herzen der Menschen wachsen, die ihn lieben und ihm vertrauen. Gottes Liebe ist lebendig, sie entfaltet sich und befähigt zur Nächstenliebe. G. H. Chesterton, Autor der Vater-Brown-Geschichten, hat einmal gesagt: „Nichtliebenswürdige Dinge müssen tief und innig geliebt werden, bevor sie liebenswürdig werden.“ Liebe verändert mich, sie verändert auch den, den ich liebe, Liebe verändert diese Welt.
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