Geist und Wahrheit
Anbetung
Er macht das schon eine Weile. Und er hat einen sehr dezidierten Blick auf das Thema. Wann und wie gelingt Anbetung, was ist nötig, dass sie in Geist und Wahrheit geschieht? Lothar Kosse schreibt über schlichte Grundsätze, begeisternde Momente und die Herausforderung, beides in Einklang zu halten.
Johannes 4,23: „Aber es kommt die Stunde und ist schon jetzt, dass die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben.“
Die Zeit wird kommen
Am Anfang des Johannesevangeliums finden wir eine der seltenen Aussagen von Jesus über Anbetung. Diese Aussagen sind sehr kostbar und allein dieser eine Satz lässt uns sehr viel von Gottes Absichten zu diesem Thema erkennen. Schon die Tatsache, dass Jesus mit einer ungläubigen Samariterin über Anbetung spricht, ist hochinteressant. Jesus zieht den Vorhang ganz weit auf und stellt die althergebrachten Vorstellungen über die Art und Weise der richtigen Gottesverehrung komplett in Frage. „Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet.“ (Johannes 4,21)Jesus lässt keinen Zweifel daran, dass es ihm bei der Anbetung nicht um einreligiöses Ritual geht, das man an bestimmten Orten möglichst „richtig“ ausführt. Und sein Ruf zur Anbetung gilt nicht nur den religiös Gebildeten, sondern allen Menschen.
Im Kölner Dom liegen seit hunderten von Jahren die Gebeine der heiligen drei Könige, wie man gemeinhin annimmt. Diese Weisen aus dem Morgenland waren Astrologen. Sterndeuter, Magier, Zauberer. Sie übten eine Profession aus, die uns in christlichen Kreisen eher suspekt vorkommt. Und doch gehörten sie zu den Ersten, die auf wundersame Weise den Weg zum neugeborenen Jesus fanden und ihn anbeten durften. Warum wurde diesen gottesfernen Menschen, von denen wir bis heute lesen, diese besondere Ehre zuteil? Warum nicht den gläubigen Insidern des Volkes Israel?
Ich lebe in Köln und gehe gerne in den Kölner Dom. Und oft frage ich mich beim Anblick des goldenen Dreikönigsschreins, wie Gottes Vorstellung von wahrer Anbetung wohl aussehen mag. Eins ist sicher: Sie übersteigt in jeder Hinsicht meine Vorstellungen um ein Vielfaches.
„Jesus lässt keinen Zweifel daran, dass es ihm bei der Anbetung nicht um ein religiöses Ritual geht, das man an bestimmten Orten möglichst ‚richtig‘ ausführt.“
Zum Leben erweckt
Jesus spricht in dem zu Beginn zitierten Vers von der Anbetung im Geist. Der Heilige Geist ist es, der uns befähigt, die Dinge der Welt um uns herum völlig neu wahrzunehmen und zu erleben. Die Musik, die Kunst, was auch immer unsere Art der Anbetung sein mag, wird erst durch ihn zum Leben erweckt. Ohne den Heiligen Geist gäbe es keine Kircheund ich wage zu behaupten, dass es auch sonst überhaupt nichts gäbe. Schon in Genesis lesen wir von dem Geist, der über den Wassern, dem Chaos schwebt, und er hat nicht aufgehört, das zu tun. Der Heilige Geist ist die eigentliche Kraft der Anbetung. Ohne den Geist bleibt alle noch so schöne Musik unvollkommen, sie bleibt im Diesseits verhaftet und kann nichts darüber hinaus bewirken. Durch den Geist bekommt sie eine Dimension des Himmels, eine neue Schönheit, und wir dürfen Inspiration, Heilung, Veränderung und Ewigkeit erleben.
Wir alle haben eine tiefe, in uns wohnende Sehnsucht danach, Gott zu begegnen, ob wir nun aus der Kirche kommen oder nicht. Ich habe schon oft sehen dürfen, dass gerade an Orten, an denen noch nie Anbetung stattgefunden hat, genau diese Dimension des Himmels für Menschen erlebbar wurde, die keine Ahnung von Gott hatten.
Jesus spricht aber auch von der Wahrheit. Und weil er selbst der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, wird er auch immer das Zentrum unserer Anbetung sein. Ehre, wem Ehre gebührt. Das klingt so schlicht und vielleicht ein wenig überfromm, aber aus meiner Erfahrung ist es extrem wohltuend, die Richtung der Anbetung von Anfang an ganz klar festzulegen. Im Alten Testament lesen wir davon, dass sich die Leviten an der Ostseite des Altars aufstellten, wenn sie Musik machten. Sie stellten sich nicht ins Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern blieben daneben stehen. Dieser Ort außerhalb des Zentrums der Aufmerksamkeit ist ein sehr guter Ort, um Musik zu machen. Dort kann man in aller Freiheit, ungeblendet vom Scheinwerferlicht, wunderbar kreativ sein. In unserer Welt der Unterhaltung jedoch suchen wir immer die Mitte der Bühne, den hellsten Spot. Und manchmal, wenn wir Gefahr laufen, Anbetung mit Unterhaltung zu verwechseln, ist es nicht mehr ganz klar, wem das Zentrum der Aufmerksamkeit eigentlich gehört. Aber es bleibt dabei: Es ist nicht klug, sich auf den Thron zu setzen, wenn man nicht der König ist.
„Es ist nicht klug, sich auf den Thron zu setzen, wenn man nicht der König ist.“
David war ein Meister
Wenn Jesus von Wahrheit in Bezug auf Anbetung spricht, meint er damit auch die Wahrhaftigkeit des Herzens. Gottes Welten sind real. Die übernatürliche Welt des Himmels und auch die natürliche Welt, die wir mit unseren Augen wahrnehmen können. Jesus kennt beide Welten und ist in beiden Welten zu Hause. Wir als Menschen leben zuallererst in der sichtbaren Welt, auch wenn unsere Herzen eine Ahnung von der Welt des Himmels haben und wir vielleicht sogar punktuell mit ihr in Berührung kommen mögen. Genauso sollte unsere Anbetung beide Weltenzum Inhalt haben. Was meine ich damit? Als Jesus den Menschen seiner Zeit das Reich Gottes erklären wollte, benutzte er Gleichnisse aus der realen Lebenswelt seiner Zuhörer. Er erzählte Geschichten über Landwirtschaft, über Viehzucht, über die Natur. Damit erklärte er die Welt Gottes. Warum tat er das? Weil er wollte, dass möglichst viele Menschen ihn verstehen.
Auch heute sehnen sich Menschen in ihrem Innersten nach Gott, doch oft wird ihnen der Weg durch religiöse Symbole verstellt. Das erleben wir in der traditionellen Kultur unserer Kirchen und manchmal auch in unserer Anbetungskultur, wenn sie sich so gestaltet, dass sie nur für Insider verständlich ist. Das heißt keinesfalls, dass wir etwas vom Heiligen und Unerklärlichen wegnehmen müssten, wir sind nur aufgefordert, die Dinge des Himmels so zu sagen, dass man sie auch verstehen kann. David war ein Meister darin. In seinen Psalmen finden wir den abgrundtiefen Blues der menschlichen Verzweiflung, das himmelhohe Jauchzen einer glücklichen Seele und immer eine hoffnungsvoll weite Sicht auf Gott, der die Menschen nie im Stich lässt. Diese Wahrhaftigkeit des Herzens macht Anbetung echt und glaubwürdig, weil darin deutlich wird, dass wir auch meinen, was wir singen.
„Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel und die Erde und alles, was darinnen ist, das ist des HERRN, deines Gottes.“ (5. Mose 10,14) Allein schon dieser eine Satz ist es wert, in tausenden von Lobliedern gesungen zu werden. So soll unsere Anbetung klingen: vielfältig, kreativ, schön, leidenschaftlich! Das ist der Sound Gottes, den wir in der Schöpfung wahrnehmen können! Wir wollen es ihm gleichtun, weil es auf dieser Welt nicht Schöneres gibt, als ihn anzubeten.
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