Ganz schön geistreich
Theologie
Etwas, das jemand besitzt, wird erst durch den Charakter des Besitzers schön und wertvoll, meint Dr. Horst Afflerbach und nimmt uns mit auf eine Arbeitsreise. Gaben, Geschenke, Früchte, Auswirkungen und Charakter – er schaut sich alles an und schließt eine Tür nach der anderen auf. Dabei schreibt er verständlich und nachvollziehbar über den Reichtum des Geistes Gottes und macht Lust zur persönlichen Positionierung.
Was bin ich reich beschenkt! Überwältigt von den ausgesucht schönen Geschenken am Ende eines Geburtstags, Jubiläums oder besonderen Ereignisses, kommt dieser Ausruf aus vollem Herzen. Was bin ich reich beschenkt! Das ist auch unsere tiefste Überzeugung, wenn wir an Gott denken, oder? Er ist der Geber aller guten Gaben: Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommen von oben herab, von dem Vater (Jakobus 1,17).
Es gehört zu den Merkwürdigkeiten im Christentum, dass man sich über die guten Gaben Gottes nicht nur nicht freuen, sondern sogar heftig streiten kann. Daher ist es gut, sich Gedanken darüber zu machen, warum Gott Gaben gibt, welche Gaben das sind und wie wir sie fruchtbringend gebrauchen können.
Berufen und beschenkt
Die Bibel bezeugt, dass Gott vielfältig gibt. Ohne jetzt auf die unzählbaren Gaben der Schöpfung und des Lebens einzugehen, will ich mich hier auf die Gnadengaben im Neuen Testament und ihren Gebrauch beschränken. Diese Gaben sind von Gott verliehene Fähigkeiten, die Christen im Dienst an Gemeinde und Welt zur Verherrlichung Jesu ausüben (1. Petrus 4,10). Sie bereichern und entwickeln das Leben einer Gemeinschaft.
Die Voraussetzung dafür ist, dass Jesus Christus Menschen in seine Nachfolge berufen und für den Dienst in Gemeinde und Welt begabt hat. So ist Jesus die wichtigste Gabe Gottes an die Welt: Gott sei Dank für seine unaussprechliche Gabe! (2. Korinther 9,15) Sein Geist ist ein Geschenk, das Menschen empfangen dürfen, wenn sie im Glauben zu Christus umkehren (Apostelgeschichte 2,38). Dieser Geist erneuert und befähigt zu einem Leben, das Gott ehrt, wenn man sich von ihm erfüllen lässt (Epheser 5,17). Dadurch wird jeder Christ, jede Christin mit seiner, mit ihrer Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit zu einer wunderbaren Gabe Gottes an die Menschen.
„Dieser Geist erneuert und befähigt zu einem Leben, das Gott ehrt, wenn man sich von ihm erfüllen lässt. Dadurch wird jeder Christ, jede Christin mit seiner, mit ihrer Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit zu einer wunderbaren Gabe Gottes an die Menschen.“
Noch lange nicht am Ende
Wenn man von Geistesgaben spricht, zucken die einen und haben innerlich schon ihr Urteil über die Charismatiker gefällt. Andere bekommen leuchtende Augen und sind begeistert. Es gibt die Meinung, dass Geistesgaben – besonders Sprachenrede, Prophetie und Wunderwirkungen – nach der Abfassung des Neuen Testaments aufgehört hätten. Cessationismus nennt man diese Haltung, die auf einem Missverständnis von 1. Korinther 13,8 beruht. Als das Vollkommene (Vers 10) wird dort fälschlich die Kanonisierung des Wortes Gottes bezeichnet. Paulus meint jedoch das Sehen von Angesicht zu Angesicht (Vers 12). Die Ablehnung mancher Gaben ist aber sicher auch hervorgerufen worden durch den Missbrauch gewisser Praktiken und vermeintlicher Gaben des Geistes. Und was ist der rechte Gebrauch? Welche Anforderungen werden an Gabenträger gestellt? Auch darauf geht das Neue Testament ein.
Die geistliche Unterscheidung verläuft hier nicht zwischen Charismatikern und Nicht-Charismatikern, sondern zwischen Geistlichen und Fleischlichen (1. Korinther 3,1), also zwischen Christen, die nach dem Geist Gottes, und solchen, die nach ihrem selbstsüchtigen Willen (nach dem Fleisch) leben. Während unser selbstsüchtiger Wille sich gegen Gott auflehnt (Römer 8,7), ist die Frucht des Heiligen Geistes (Galater 5,22) Ausdruck der Gegenwart Christi im Leben eines Menschen.
Hier wird schon erkennbar, dass man Geistesgaben (Charismen) nicht losgelöst vom Gabenträger (Pneumatiker – Geistliche) und der Gemeinde sehen kann. Die Charismen und die Art, wie sie von Menschen ausgeübt werden, bilden eine Einheit und dienen so dem Aufbau der Gemeinde. Frucht, Gaben und Person müssen eine Einheit bilden, um das ganze Potential des Heiligen Geistes zur Entfaltung kommen zu lassen.
Charisma und Charakter
Paulus freut sich in seinem Brief an die Korinther, dass ihnen die Gnade Gottes reich gegeben wurde, dass sie reich gemacht worden sind in Wort und Erkenntnis Christi und dass sie an keiner Gnadengabe (Charisma) Mangel haben (1. Korinther 1,4–7). Gleichzeitig hält er ihnen aber vor, dass sie sich noch wie unmündige Kinder benehmen (1. Korinther 3,1ff). Mit keiner anderen Gemeinde hatte der Apostel so viel Stress wie mit den Korinthern. Sie hielten sich für Geistliche (1. Korinther 14,37) und waren doch fleischlich. Der Gebrauch der Charismen geschah in einer Weise, die nicht von der Liebe (1. Korinther 13) geprägt, sondern selbstsüchtig und oft losgelöst von der konsequenten Nachfolge Jesu war. Die Korinther lebten in Sünde, während sie Charismen praktizierten. Das führte zu Unordnung im Gottesdienst und konterkarierte ihr christliches Zeugnis. Paulus warf ihnen vor: „Unkundige sagen, ihr spinnt …“ (frei nach 1. Korinther 14,23).
Hier wird deutlich, dass Charisma und Charakter, Gnadengaben und Frucht, Begabung und ein geheiligtes Leben zusammengehören. Sie sind Wirkungen des Heiligen Geistes, weshalb Paulus den Gebrauch der Charismen auch ganzheitlich begründet und integral versteht. Es gibt verschiedene Gaben, doch ein und derselbe Geist teilt sie zu. Es gibt verschiedene Dienste, doch ein und derselbe Herr macht dazu fähig. Es gibt verschiedene Wunderkräfte, doch ein und derselbe Gott schenkt sie – er, der alles in allen wirkt (1. Korinther 12,4–6).
Gott schafft Persönlichkeiten und will ihren Charakter prägen. Er nimmt sie in ihrer schöpfungsgemäßen Individualität und Originalität ernst und macht sie als einzigartige Menschen gleichzeitig gemeinschaftsfähig. Daher begabt und befähigt er sie, ihre Gaben (Charismen) zu seiner Ehre einzubringen. Er ermutigt Menschen, „einander zu dienen mit der Gnadengabe, die ein jeder empfangen hat“ (1. Petrus 4,11). Insofern sind alle Christen Charismatiker.
„Hier wird deutlich, dass Charisma und Charakter, Gnadengaben und Frucht, Begabung und ein geheiligtes Leben zusammengehören.“
Der Segen der Gaben
Die Geistesgaben dienen dem Aufbau der Gemeinde (1. Korinther 14,12) und sind zum Nutzen (1. Korinther 12,7) verliehen. Der Geist teilt jedem zu, wie er will (1. Korinther 12,11). Jede(r) hat Gaben empfangen, keine(r) hat alles. Erst viele Glieder zusammen bilden das Potential gemeindebildender Kraft, wenn sie ihre Funktion im Leib Christi angenommen haben (1. Korinther 12,18.27) und in Liebe ausüben (1. Korinther 13).
An fünf Stellen im Neuen Testament finden wir Zusammenfassungen einzelner Gnadengaben. Folgende werden genannt: Weisheit, Erkenntnis, Glaube (Vertrauen), Heilungen, Wundertaten, Prophetie, Unterscheidung der Geister, Sprachengebet, Auslegung des Sprachengebets (1. Korinther 12,7–11); Apostel, Lehrer, Hilfeleistungen (griech. antilempseis, ein Fachausdruck aus dem Bankgewerbe, er bezeichnet eigentlich den Kassenverwalter), Leitung (organisatorische, kybernetische Fähigkeiten) (1. Korinther 12,28); Ermutigung (Ermahnung, Seelsorge), Geben (Mitteilen von Zeit, Geld und Kraft), Leitung, Barmherzigkeit (Empathie) (Römer 12,4–8); Evangelisten, Hirten (Epheser 4,11–12); Gastfreundschaft (1. Petrus 4,9–10).
Keine der Aufzählungen ist vollständig. Paulus stellt Gaben und Ämter (Dienste) zwanglos nebeneinander und vermeidet damit ein formales Klassifizieren nach wichtigen und weniger wichtigen Diensten. Stufendenken und Rangordnungen sollen nicht entstehen, um die Gemeinde nicht zu spalten. Alle haben Gnadengaben empfangen. Es gibt Gaben, die in Ämter (oder Dienste) gefasst sind, wie Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten, Lehrer (Epheser 4,11), und solche, die keine amtliche Form haben. Es gibt solche, die hauptamtlich, und andere, die ehrenamtlich eingesetzt werden.
„Paulus stellt Gaben und Ämter zwanglos nebeneinander und vermeidet damit ein formales Klassifizieren nach wichtigen und weniger wichtigen Diensten.“
Es gibt noch mehr
Wenn man zu den genannten Charismen noch die mannigfachen natürlichen Begabungen hinzunimmt, wie zum Beispiel künstlerische Kreativität, Musik, Verwaltung und anderes, zeigt sich ein weites Gabenspektrum. Natürliche Gaben und Fähigkeiten können und sollen selbstverständlich zum Einsatz kommen, weil auch sie von Gott sind. Denn alles, was ihr sagt, und alles, was ihr tut, soll im Namen von Jesus, dem Herrn, geschehen, und dankt dabei Gott, dem Vater, durch ihn (Kolosser 3,17).
So kann man zum Beispiel die Gabe der Medizin durchaus im Sinne der Gabe der Heilungen (1. Korinther 12,9) verstehen und darf sie nicht als Alternativezu einer geistlichen Gabe abwerten. Wer nur übernatürliche Gaben erwartet, übersieht, dass der übernatürliche Gott sich im Natürlichen offenbart hat und wirkt. Dieser inkarnatorische Ansatz gilt auch für den Heiligen Geist. Er wirkt als Geist Gottes übernatürlich im Natürlichen und gebraucht und heiligt die natürlichen Gaben. Daher trägt es nicht zum Aufbau der Gemeinde bei, natürliche Gaben von geistlichen Gaben trennen zu wollen.
Eine für die Gemeinde segensreiche Auswirkung des neutestamentlichen Gebrauchs göttlicher Gaben ist die Anerkennung ihrer Einheit in versöhnter Vielfalt. Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Männer und Frauen sind gleicherweise eins in Christus (Galater 3,28) und gleicherweise vom Geist Gottes beschenkt. Schon Petrus sagte das zu Beginn der Kirche in seiner Pfingstpredigt: „Am Ende der Zeit, so sagt Gott, werde ich meinen Geist über alle Menschen ausgießen. Dann werden eure Söhne und eure Töchter prophetisch reden; die Jüngeren unter euch werden Visionen haben und die Älteren prophetische Träume“ (Apostelgeschichte 2,17f). Dieses große Potential zu wecken und freizusetzen, Gemeindeglieder zu motivieren, ihre Gaben nach dem Maß des Glaubens einzusetzen, ist eine der wichtigsten Aufgaben einer Gemeindeleitung. Das bedeutet in der Praxis auch fördernde Begleitung, ehrliches Mentoring und Raum zum Üben. Gaben müssen sich entwickeln dürfen! Wer einen zu hohen Anspruch hat oder meint, gleich beim ersten Mal perfekt zu sein, wird scheitern.
Frucht und Gaben
Welche Bedeutung haben neben den Gaben dann noch die Früchte (oder die Frucht) des Geistes? Sie sind das Kriterium für authentisches Christsein. Wenn Jesus sagt: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Matthäus 7,16), dann meint er genau das. Es gibt gute und schlechte Bäume und entsprechend gute Früchte und schlechte, die nicht brauchbar sind.
Die Frucht hingegen, die der Geist Gottes hervorbringt, besteht in Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Rücksichtnahme und Selbstbeherrschung (Galater 5,22f). Sie ist die konkrete Auswirkung des Heiligen Geistes im Leben und Verhalten der Christen. Dabei scheint die Frucht mehr die Gesinnung, den Charakter, die Haltung eines Menschen zu prägen,während die Gaben mehr auf das helfende und gemeindeaufbauende Tun gerichtet sind.
„Überall, wo im Neuen Testament vom Wirken des Geistes die Rede ist, haben die Gesinnung und das konkrete Tun Priorität vor der Begabung.“
Die Bestimmung
Geistesgaben verändern einen Menschen nicht nachhaltig. Man sollte Gaben nicht als Beweis für Geistesfülle (Epheser 5,18ff) betrachten. Überall, wo im Neuen Testament vom Wirken des Geistes die Rede ist, haben die Gesinnung und das konkrete Tun Priorität vor der Begabung. Jesus macht das krass deutlich, als er Gabenträger, die sich der Ausübung ihrer Gaben rühmen, am Ende abweist mit den Worten: „Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt und in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und in deinem Namen viele Wunderwerke getan? Und dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch niemals gekannt. Weicht von mir, ihr Übeltäter!“ (Matthäus 7,22–23) Das Kriterium für das Innewohnen des Geistes ist nicht die erkennbare Begabung, sondern die Frucht. Sie erwächst aus dem organischen Eins-Sein mit Jesus: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun … Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger“ (Johannes 15,5.8).
Wenn das Ziel des Heiligen Geistes ist, Christus groß zu machen – „er wird mich verherrlichen“ (Johannes 16,33) –, dann werden auch Frucht und Gaben in den Menschen, die Christus lieben, dazu beitragen. So kann Gemeinde gebaut und können Menschen gesegnet werden.
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