Auf Empfang
Kolumne
Wer eng durchgetaktet unterwegs ist, kann sich auf der einen Seite zwar sicher über eine gewisse Effektivität freuen. Auf der anderen muss er – oder sie – sich aber fragen, ob der sauber gemachte Plan sich nicht störend in den Weg stellt. Wenn es nämlich darum geht, das zu sehen und zu tun, was gerade wirklich dran ist. Evi Rodemann erzählt, wie der Geist Gottes sie unterbricht.
Ich saß im Flugzeug nach Kanada und freute mich auf die Konferenz mit jungen Leitenden, bei der ich sprechen sollte. Der Flug war lang und meine To-do-Liste auch. Wie fast immer, wenn ich nicht zu müde bin, betete ich morgens: „Gott, wem soll ich heute ein Segen sein? Zeig es mir!“ Dabei rechnete ich nicht damit, dass Gott mir einen Strich durch meine Pläne machen würde.
Kann ich helfen?
Ich saß auf meinem Gangplatz und bemerkte eine ältere Dame auf der anderen Seite des Ganges. Sie versuchte krampfhaft, all ihre Siebensachen im oberen Gepäckfach zu verstauen. Ich bot Hilfe an, aber sie verneinte. Mit einem Mal schreckte sie wieder auf und begann erneut, wie verrückt zu kramen. Ich fragte nochmal, ob ich helfen könne. Sie fand ihren Pass nicht mehr. Nun war ich an der Reihe, alles wieder aus dem oberen Gepäckfach herunterzuholen und besänftigend auf sie einzureden. „Wir finden den schon.“ Irgendwann war es dann auch so weit und sie beruhigte sich langsam. Als ich fragte, ob alles okay sei, brach sie in Tränen aus. Nun gut, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet.
„‚Okay‘, dachte ich, und: ‚Mist, Evi! Klapp den Computer zu und sei ganz bei ihr.‘“
Und dann weinte sie
Sie erzählte, dass ihr Sohn plötzlich verstorben sei und sie nun hier säße, um zur Familie zu fliegen und für die Schwiegertochter und Enkelkinder da zu sein. Ihr Mann war in eine Depression gefallen, deshalb musste sie jetzt allein fliegen. Nachdem wir etwas miteinander plauderten und ich versuchte, sie zu trösten, gewann sie wieder etwas Fassung. Irgendwann schaute sie einen Film, und ich konzentrierte mich auf meine E-Mails. Einige Zeit später schaute ich wieder nach ihr und sah, wie ihr Tränen die Wangen herunterflossen. „Okay“, dachte ich, und: „Mist, Evi! Klapp den Computer zu und sei ganz bei ihr.“ Für die nächsten vier Stunden redeten wir über ihre Familie, ihren Sohn, über das Leben, über die schönen und schweren Erlebnisse.
Erzähl ihr von mir
Mittendrin flüsterte mir der Heilige Geist zu: „Evi, erzähle ihr von mir. Sag ihr, dass ich sie trösten kann wie niemand sonst .“ Quer über den gesamten Gang des Flugzeugs erzählte ich ihr nun von Jesus, der genau dafür auf die Welt gekommen ist, um Menschen zu suchen, zu finden, zu trösten. Er erspart uns nicht alles Leid, aber ist mittendrin. Aufmerksam hörte sie zu, erzählte von ihrem fast nicht existenten Glauben an einen Gott, und inmitten des Flugzeuges und meiner E-Mails übernahm Gott die Situation und schenkte ihr Trost. Zum Abschluss drückte sie mich, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass sie all ihre Sachen auch wirklich aus dem Flugzeug mitgenommen hatte, und ich begleitete sie bis zum Wiedersehen mit ihrer Schwiegertochter.
Auf das Flüstern hören
Mehrfach habe ich in dieser Begegnung das Flüstern des Heiligen Geistes vernommen, der mich einlud, ihn bewusst an diesem Gespräch zu beteiligen und ihm die Kontrolle zu übergeben. In völlig alltäglichen Situationen ist er anwesend und wünscht sich, dass wir von ihm als Hilfe Gebrauch machen, ihn dazu einladen, zu wirken. Es kommt nicht auf unsere Eloquenz an, sondern auf unsere Verfügbarkeit, Gott den Menschen nahezubringen, so wie es die Jünger erlebt und geteilt haben.
Bestelle kostenfrei die Printausgabe!
Bestelle die aktuelle Ausgabe und erhalte 4x/Jahr das Magazin NEUES LEBEN. Randvoll mit gutem, christlichem Rat für den Alltag, verständlich und anwendbar.
Seite teilen: