Anna, Ich und ganz viel Sahne

Hommage

Wie wichtig sie sind, merkt man leider oft erst, wenn sie fehlen: Freunde! Echte, aufrichtige, lebenserprobte und nichtweglaufende. Krissy Grupe hat davon so einige, wie es scheint, und fühlt sich damit ausgesprochen gut. Aber sie weiß auch: Freundschaft ist keine Einbahnstraße, und auch verwandte Seelen brauchen Pflege.

Anna und ich sitzen in einem schicken Café in einer bayrischen Stadt an der Donau. Sie bestellt wie immer einen Latte Macchiato, ich einen schwarzen Kaffee. Kuchen? Da sind wir nicht wählerisch. Gerade ist Zwetschgensaison, also bringt uns die Bedienung zwei große Streuselkuchenstücke, vollgeladen mit unseren Lieblingsherbstfrüchten. Natürlich mit Schlagsahne. Viel davon. Wir grinsen uns an und genießen die Nachmittagsstimmung. „Seit wann sind wir eigentlich Freundinnen?“, frage ich sie. „Wann hat das angefangen? Wie alt waren wir?“ 

Das ist doch verrückt

„Du warst 17, ich 19, glaub ich“, sagt Anna. „Weißt du noch, wir haben uns fast täglich getroffen. Außer Schule hatten wir nichts zu tun. Unsere Liebe zu Kaffee hat uns irgendwie vereint und wir haben uns stundenlang, nächtelang unterhalten.“ Ich muss lachen. „Ja, das stimmt. Und wir haben uns sogar nach Mitternacht bei McDonalds noch Kaffee bestellt! Damals konnten wir trotzdem eine Stunde später einschlafen!“ Anna lacht ebenfalls: „Und jetzt schau uns an! 15 Jahre später und der letzte Kaffee muss definitiv früher getrunken werden!“ Ich glaube, wir haben beide ein ähnliches Bild im Kopf. Wie wir spazieren gehen, in der Stadt Klamotten anprobieren, über die Schule schimpfen, Fahrradfahren und einfach superviel Zeit miteinander verbringen. Damals fühlte sich das Leben leicht an.

Mittlerweile stehen wir beide einige Jahre im Berufsleben. Anna wohnt immer noch in der Stadt an der Donau, ich bin meilenweit weggezogen. Wenn auf der A3 keine Baustellen sind und man nicht im Stau steht, bin ich in 4,5 Stunden bei ihr. Für deutsche Verhältnisse eine lange Autofahrt. Die geografische Distanz nervt, auch wenn jede von uns gerne dort wohnt, wo sie wohnt. Aber wenn wir telefonieren oder uns – wie heute – endlich mal wieder persönlich sehen, ist alles wie früher, alles wie immer. Wie kommt das? Ich denke laut: „Ist doch verrückt. Auch, wenn wir uns wochenlang nicht gesehen haben, steht nichts zwischen uns. Wir sind uns vertraut, knüpfen einfach da an, wo wir aufgehört haben, und finden in all dem eine große Ruhe.“ 

Wir haben uns lieb 

Was für ein Geschenk. Das habe ich nicht mit jedem Menschen, der sich in meinem Leben aufhält. Aber ich bin gesegnet. Mit vielen Herzensmenschen wie Anna. Auch Maria, Gaby, Denise, Matthias, Lucy, Caro und Beccy fallen mir da ein. Neben meinem Mann kennen mich diese Menschen wirklich gut. Wir verbringen unterschiedlich viel Zeit zusammen, aber jedem von uns ist klar, dass wir eine gute, tiefe Freundschaft haben. So wie bei Anna und mir haben auch die Freundschaften mit Maria, Denise & Co. mal angefangen. Manche vor mehr als zehn Jahren, manche erst vor zwei. Während des Freundschaft-im-Aufbau-Prozesses habe ich eigentlich nicht darüber nachgedacht, was da gerade passiert, oder alles analysiert. Irgendwie waren wir dann Freunde. Was uns verbindet? Kann ich nicht mit einem Wort beschreiben. In jeder Freundschaft ist es etwas anderes. Aber was alle gemeinsam haben: die Absicht, den anderen lieb zu haben, ihn zu unterstützen, ihm auch und gerade in schwierigen Phasen zur Seite zu stehen.

„Auch, wenn wir uns wochenlang nicht gesehen haben, steht nichts zwischen uns. Wir sind uns vertraut, knüpfen einfach da an, wo wir aufgehört haben, und finden in all dem eine große Ruhe.“

Vor allem meine Freundschaften tragen mich durchs Leben. Das kann ich aus vollem Herzen sagen. Es geht mir gut, weil ich weiß, dass meine Freunde zu mir stehen. Ich fühle mich geliebt, weil sie mir das alle – jeder auf ganz unterschiedliche Weise – zeigen. Doch, wir streiten uns auch mal. Aber ich finde: Gerade für einen Streit braucht eine Freundschaft eine gewisse Tiefe. Je länger und besser Anna und ich uns kennen, desto tiefer ist unsere Freundschaft geworden. Manches, was ich mache, findet sie komisch, und auch ich hätte manche ihrer Entscheidungen anders getroffen. Aber das macht nichts. Wir haben uns trotzdem lieb und sind für die andere. Es ist eine Beziehung auf Augenhöhe, in aller Freiheit.

Das Leben leben 

Auf Augenhöhe heißt für mich: nicht einseitig. Keiner ist immer nur Gebender, der andere nicht immer nur Nehmender. Das würde nicht funktionieren und außerdem auch nicht Freundschaft heißen. Auf Augenhöhe heißt auch: Wir wissen, dass wir beste Freundinnen sind. Das haben wir so entschieden, und es ist eine einfache, klare Wahrheit, auf die wir uns verlassen können. Freiheit. Das heißt für uns: Jede darf sein, wie sie ist, und sich trotzdem angenommen wissen.

Freiheit heißt auch: Wir haben keine Angst vor Veränderungen in unserer Freundschaft. Das Leben passiert, jeder entwickelt sich in seiner Persönlichkeit und füllt damit seine Hälfte der Freundschaft aus. Unser Beruf, die Familie, Lebensumstände allgemein prägen uns und lassen uns wachsen. Unsere Freunde sind genau dort unsere engsten Begleiter. Ohne Annas offenes Ohr, ihr verständnisvolles Zuhören und ihr „So, genug gejammert. Ich mach uns jetzt was zu essen“ hätte ich manche Krise nicht so gut überstanden. Andersrum genauso. Auch sie hatte in den letzten Jahren taffe Zeiten. Situationen, die ihr viel abverlangt haben. So gut ich konnte, habe ich sie unterstützt, ermutigt, manchmal auch ermahnt und für ausreichend Koffein gesorgt. Leben geht nicht alleine. Jedenfalls nicht gut und emotional gesund. Caro, Matthias, Gaby und die anderen tragen ganz wesentlich dazu bei, dass der Alltag mehr Spaß macht, ich in meiner Persönlichkeit wachsen darf und das Privileg habe, auch in ihrem Leben eine große Rolle zu spielen. Was für ein Geschenk! 

„Ohne Annas offenes Ohr, ihr verständnisvolles Zuhören und ihr „So, genug gejammert. Ich mach uns jetzt was zu essen“ hätte ich manche Krise nicht so gut überstanden.“

Mittlerweile sitzen Anna und ich schon über eine Stunde in dem Café. Die letzten Herbstsonnenstrahlen leuchten zwischen den Altbauten hervor und werfen lange Schatten auf den Marktplatz. Es ist kühler geworden. „Ich lad dich ein“, sagt Anna und geht zur Theke, um Kaffee und Kuchen zu bezahlen. „Danke, du bist die Beste!“, sage ich. „Und überhaupt: Danke für deine Freundschaft. Das ist wirklich nicht selbstverständlich.“ Wer uns beobachtet, sieht auf jedem unserer Gesichter ein breites Grinsen, einen Blick, der mehr als tausend Worte sagt und die Verbundenheit ausdrückt, die unsere Herzen verbindet. Wir ziehen uns Strickjacken über und radeln über die Donaubrücke zurück zu Annas Wohnung. So spät ist es noch nicht. Ein weiterer Kaffee nach dem Abendessen ist auf jeden Fall noch drin.

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