Ich muss mich auf den Weg machen
Kolumne
Die Frage, wie wir Gott erleben, wie, wann und wo wir ihm begegnen, ist wohl die am häufigsten gestellte überhaupt. Auch Peter Tauber stellt sie sich von Zeit zu Zeit und überlegt, wo er Gott suchen soll und wann Gott ihm begegnet ist. Aber er gibt auch unumwunden zu: So richtig intensiv hat er diese Fragen bisher nicht reflektiert, und er meint: Wie ist das also mit meiner eigenen Suche nach Gott, und wie erlebe ich ihn wirklich?
Kennengelernt habe ich Gott vor allem beim Erzählen biblischer Geschichten und dem Abendgebet mit meiner Großmutter. Ich bin klein, mein Herz ist rein. Niemand soll drin wohnen als Jesus allein. Das war ein wahrhaft kindlicher Glaube. Und Jesus hat sicher nicht umsonst gesagt, wir sollen glauben wie die Kinder. Ich kann sagen, dass ich mich damals als kleiner Mensch wirklich von Gott behütet gefühlt habe – und sicherlich hat auch dazu beigetragen, dass ich von Eltern und Großeltern liebevoll umsorgt war. Da wurde ein Grundvertrauen gelegt – zwischen mir und Gott:
Die tröstliche Berührung
Die Konfirmation hat von mir erneut eine Auseinandersetzung mit Gott verlangt. Ich gebe es ehrlich zu: Ich hatte, Gott sei Dank, meinen Glauben auch zu dieser Zeit nicht verloren, aber dass ich ihn intensiv gelebt hätte, kann ich nicht wirklich behaupten. Zu viele andere Dinge beschäftigten mich da in meinem Leben. Aber mein Pfarrer zwang mich förmlich zu einer Auseinandersetzung mit den Psalmen und Bibelstellen, denn wir mussten viele davon auswendig lernen. Was heute oft verpönt ist, hat mir geholfen. Natürlich war ich genervt. Und ich war nicht immer gut vorbereitet, am Ende hatte ich mir auch nicht alle Haken auf der Liste der auswendig zu lernenden Texte redlich verdient. Aber ich habe ein Gefühl dafür bekommen, dass in den Texten der Bibel etwas steckt, was man beim oberflächlichen Lesen nicht entdeckt. Dafür muss man es verinnerlichen, wie beim Auswendiglernen eben.
Begegnet ist mir Gott dann bewusst beim Tod meiner erwähnten Großmutter. Ich hatte mich entschieden, meinen Vater zu begleiten, um am offenen Sarg Abschied zu nehmen. Ich weiß nicht mehr warum, aber ich wollte sie noch einmal berühren. Und die Berührung war tröstlich, denn ich spürte: Da liegt meine Großmutter, aber ihre Seele ist schon nicht mehr da. Da war der Heilige Geist für mich ganz nah.
„Ich wollte gerne leben und gesund werden. Einmal, da gab es jedoch diesen Moment, da fühlte ich mich so schwach, dass ich dachte, dass es nun vielleicht vorbei sein könnte.“
Ich wollte leben
Oft nutzen wir das Gebet, um uns Gott zu nähern, mit ihm in Verbindung zu treten. Ich habe in meinem Leben immer wieder gebetet. Manchmal sehr regelmäßig, dann sporadisch. Und immer wieder gab es Phasen, da kann ich gar nicht mehr sagen, warum ich auf einmal wieder intensiver betete, stärker nach Gott suchte. Ich gehöre zu den glücklichen Menschen, die immer be-hütet waren. In meinen Gebeten ging es nie um Wünsche, sondern immer nur um Dankbarkeit. Alles andere wäre auch vermessen gewesen. Das änderte sich, als ich 2018 nach einer Krankheit fast gestorben wäre. Als ich zwölf Tage auf der Intensivstation lag, da habe ich viele oft modern arrangierte alte Kirchen-lieder gehört. Auch weltliche Musik hat mir geholfen. Ein Lied hieß „Fight Song“, was auf Deutsch dann etwa „Kampflied“ hieße. Ich wollte gerne leben und gesund werden. Einmal, da gab es jedoch diesen Moment, da fühlte ich mich so schwach, dass ich dachte, dass es nun vielleicht vorbei sein könnte. Ich hielt Zwiesprache mit Jesus. Nicht ganz im Sinne von „Herr, dein Wille geschehe“ oder „In deine Hände befehle ich meinen Geist“. Mehr so: „Jesus, wenn es jetzt vorbei ist, dann bin ich nicht böse. Aber ich lebe gerne auch noch weiter.“ Und hier bin ich jetzt. Auch in dieser schlimmen Zeit war ich also nicht allein.
Ich hatte Glück. Zu keinem Zeitpunkt, auch nicht in dieser Krise, hat mich mein Glaube verlassen. Nach meiner Genesung habe ich anders über meinen Glauben nachgedacht und angefangen, stärker zu reflektieren, über mein Leben nachzudenken. Ich hatte dann auf einmal das Gefühl, zwar zu glauben, aber nicht genau zu wissen, was Gott nun von mir will, was das Leben noch von mir will. Ich begann auf einmal zu suchen. So als ob Gott mir sagen will: Ich habe dich doch nicht einfach so gerettet. Jetzt geht’s erst los. Mach dich auf den Weg. Jetzt im Sommer habe ich dann an Wanderexerzitien im Benediktinerkloster in Münsterschwarzach teilgenommen, nachdem ich in den Monaten vorher wieder wie getrieben war: Viel Arbeit, viele Veränderungen in meinem Leben, keine Antworten auf die Frage, was das Leben nun von mir will – oder ich vom Leben. Ich wollte innehalten, mich besinnen. Und da schien mir ein Kloster ein guter Ort.
Das ist nicht das Ende
Diese Wanderwoche zerstörte Gewissheiten und brachte neue Einsichten. Mir wurde klar, dass ich mir die Zeit nehmen darf für mich. Für mich selbst, nicht nur im Verhältnis zu anderen Menschen. Für meine Fragen an Gott. Dass ich diese Auseinandersetzung nicht wie eine To-Do-Liste abarbeiten und abhaken kann. Der evangelische Pfarrer, der uns auf den Wanderexerzitien begleitete und uns für jeden Tag eine irgendwie auf den Punkt genau passende Bibelstelle lieferte, meinte einmal sinngemäß: „Wir sind eine Gesellschaft, in der das lebenslange Lernen gefordert wird. Wie kommen wir als Christen eigentlich darauf, dass wir Spiritualität nicht auch immer wieder neu lernen und entdecken müssen?“ Das ist wahrhaftig wahr.
Und da ging es mir auf wie ein Licht. Erst jetzt habe ich gelernt: Ich muss mich auf den Weg machen, um Gott zu erleben. Es geht gar nicht darum, irgendwo anzukommen und dann eine vermeintliche Gewissheit zu haben. Die letzten einschneidenden Erfahrungen nach meiner Krankheit haben mich eine Weile getragen, aber jetzt geht es ja weiter. Es geht darum, Gott nachzugehen und ihm auf der Spur zu bleiben. Vielleicht kann ich nicht immer mit ihm Schritt halten. Das sind dann die Momente, wo ich anders suche, weniger intensiv, ich irgendwie abgelenkt bin oder ihn auch mal vergesse. Mich anderen Dingen des Lebens in einer Weise widme, die mir, ihm und unserer Beziehung nicht unbedingt guttut. Das ist zwar schlimm, aber nicht das Ende. Gott wartet nämlich an der nächsten Ecke auf mich, er verliert mich nicht aus den Augen und vergisst mich nicht. Wenn ich dann den Blick hebe und mich hilflos umschaue, dann werde ich ihn wiederfinden. Da bin ich mir ganz sicher.
Dr. Peter Tauber lebt aus Leidenschaft in Gelnhausen und ist ein echter Familienmensch. Er fährt gern tolle Autos, leidet an und mit Kickers Offenbach und meint als Historiker, Christ, Politiker und Mensch: „Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.“ petertauber.de
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