Aufgeblüht
Ratgeber
Über viele Jahre war die Frage nach der „stillen Zeit“ in Eva Dittmanns Leben präsent. Denn neben dem Gottesdienstbesuch war dieses morgendliche Bibellesen und Beten der Weg, um geistlich zu wachsen. Doch die einseitige Betonung dieser einen geistlichen Praxis hat ihr den Reichtum und die Tiefe ihrer Gottesbeziehung verwehrt. Heute macht sie es anders, und blüht dabei auf.
Gary Thomas stellt dazu in seinem Buch „Neun Wege, Gott zu lieben“ verschiedene Stile vor, das geistliche Leben im Rahmen der von Gott geschenkten Möglichkeiten zu gestalten und so aktiv dazu beizutragen Jesus immer ähnlicher zu werden. Er greift dabei auf Erkenntnisse der Bibel, der Kirchengeschichte und die verschiedenen Persönlichkeitstypen zurück, um die Vielfalt der ausgelebten Spiritualität herauszuarbeiten.
Der Natur-Typ erlebt Gott in besonderer Weise durch seine Schöpfung. Jeder Baum, jeder Bach und jeder Berg wird zu einem Ort der Begegnung mit dem lebendigen Gott, der hier in seiner Schönheit, Macht und Liebe erstrahlt.
Für den sinnlichen Typ sind die verschiedenen Sinneswahrnehmungen ein willkommener Schlüssel zur Anbetung. Ihr Herz schlägt höher, wenn sie mit ihrem ganzen Körper die Herrlichkeit und Schönheit Gottes erfahren können.
Der traditionalistische Typ hat meist ein diszipliniertes Glaubensleben, das durch Rituale und Strukturen geprägt ist. Liturgische Elemente, Symbolhandlungen und Disziplinen des Verzichts beleben und vertiefen die Gottesbeziehung.
Der asketische Typ liebt die Einsamkeit und Schlichtheit, schafft sich Zeiten der Stille und Orte der Einkehr und gestaltet seinen Alltag so minimalistisch wie möglich, um den Blick ungehindert nach innen richten zu können.
Für den aktivistischen Typ ist der Einsatz für soziale Gerechtigkeit und die Verbreitung des Evangeliums die höchste Form der Anbetung. Er scheut dabei keine Konflikte und lebt im vollen Bewusstsein seiner Abhängigkeit von Gott.
Der fürsorgliche Typ dient Gott, indem er anderen Menschen dient. Anbetung geschieht für ihn vor allen Dingen in der Zuwendung zu seinem Nächsten – sei es durch praktische, soziale oder seelsorgerliche Unterstützung.
Der enthusiastische Typ liebt das inspirierende Feiern, aufregende Anbetungszeiten und geheimnisvolle Gottesbegegnungen. Musik und andere Formen der Kreativität sind für ihn zentrale Ausdrucksformen seiner Freude.
Der kontemplative Typ sucht die Gegenwart und das Herz Gottes und verbringt daher so viel Zeit wie möglich in intimer Gemeinschaft mit ihm. Kontemplative und meditative Gebetsformen helfen ihm bei dieser Ausrichtung.
Für den intellektuellen Typ sind neue Erkenntnisse über Gott und sein Wort besondere Momente der Intimität. Solche Menschen lieben es zu forschen und blühen geistlich auf, wenn sie die Wahrheit mit ihrem Herzen verstehen und anwenden können.
In der Praxis sind die meisten Menschen Mischtypen. Für das eigene geistliche Leben ist es sicherlich hilfreich, die Hauptzugangswege zu bestimmen. So können wir unser Glaubensleben durch konkrete Gewohnheiten und geistliche Übungen viel zielgerichteter gestalten und unsere Gottesbeziehung vertiefen. Um in unserem Umgang mit diesen Zugangswegen Missverständnisse und Missbrauch (!) zu vermeiden, möchte ich einige wesentliche Rahmenbedingungen nennen:
Nicht ohne Gottes Wort
Geistliches Wachstum geschieht im Kontext der uns von Gott geschenkten Möglichkeiten. Die Vielfalt dieser Zugangswege darf uns also nicht dazu veranlassen, die eigene Spiritualität vollkommen zu individualisieren. Wer meint, die Einordnung als Natur-Typ bedeute, dass das Wort Gottes kein notwendiger Bestandteil des persönlichen geistlichen Lebens sein müsse, schränkt sich geistlich selbst ein und nimmt dem Heiligen Geist einen grundlegenden Baustein für geistliches Wachstum. Alle Typen sollten mit der Bibel interagieren, aber jeder Typ hat einen anderen Zugang dazu. So vertieft sich der Intellektuelle beim Bibellesen in Kommentare und Wortstudien. Der kontemplative Typ meditiert über einzelne Verse. Der traditionalistische Typ verwendet Tageszeitengebete. Und der enthusiastische Typ liest die Bibel am liebsten gemeinsam mit anderen.
„Die Vielfalt dieser Zugangswege darf uns also nicht dazu veranlassen, die eigene Spiritualität vollkommen zu individualisieren.“
Nicht zu viel Gefühl
Wir sollten bei der Bestimmung der Zugangswege und im Umgang mit ihnen unsere eigenen Gefühle nicht überbewerten. Sie sind nicht der Maßstab für geistliches Wachstum. In dieser Hinsicht finde ich auch die Frage „Wo fühle ich mich Gott am nächsten?“ irreführend. Hier möchte ich Gott vertrauen, dass er mir auch dort begegnet, wo meine eigenen, gefallenen Gefühle das nicht wahrnehmen.
Der Segen der Vielfalt
Genau wie bei der gesunden Ernährung bedarf auch das geistliche Leben einer Ausgewogenheit. Wer sich in der Gestaltung des geistlichen Lebens nur noch auf den Hauptzugangsweg konzentriert, reduziert sich selbst und läuft Gefahr, in Extreme zu rutschen, und so das eigene geistliche Wachstum eher aufzuhalten als es zu fördern. Hier ermutige ich, die Vielfalt zu erhalten und auch immer wieder neue geistliche Übungen auszuprobieren.
„Unterschiedliche Lebens-und Glaubensphasen erfordern unterschiedliche geistliche Übungen.“
Unterschiedliche Wachstumsphasen
Unterschiedliche Lebens- und Glaubensphasen erfordern unterschiedliche geistliche Übungen. Ich erlebe das selbst immer wieder. Mit manchen geistlichen Übungen, die mir in bestimmten Lebensphasen ein echter Segen geworden sind, kann ich heute gar nichts anfangen, während andere, die mir damals fremd waren, heute ein Nährboden für geistliches Wachstum sind. Genau wie eine Pflanze in den unterschiedlichen Wachstumsphasen unterschiedliche Pflege braucht, können auch wir damit rechnen, dass sich die Gestaltung unseres geistlichen Lebens, oder sogar unsere Zugangswege, zu Gott verändern. Hier dürfen wir geistlich sensibel und flexibel bleiben – auch im Umgang mit anderen – und mutig mit anderen Zugängen experimentieren.
Eva Dittmann, PhD (Wheaton College), ist Dozentin für Altes und Neues Testament am Theologischen Seminar Rheinland, liebt Herausforderungen und ist gerne mit ihrem Hund Pablo unterwegs.
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