Schöne Bescherung

Satire

Es kommt auf uns zu. Unaufhaltsam. Dem einen zur Freude, dem anderem zum Frust. Es weihnachtet – ob wir wollen, oder nicht. Dass es bei den Vorbereitungen den einen oder anderen Fallstrick gibt, beachten manche sorgfältig, während andere unachtsam auf die Nase fallen. Damit das nicht passiert, hat Andreas Malessa satirisch-guten Rat. Und wünscht allesamt schöne Bescherung.

„Schöne Bescherung!“ rief man doch immer ironisch aus, oder? Wenn die Kaffeemaschine und der Spülautomat kaputtgingen, als der Verwandtenbesuch vor der Tür stand! Der Adventskranz fing Feuer, als alle um ihn herum Platz genommen hatten. Statt sperrige Tannenzweige vom Weihnachtsbaum zu entfernen, hackte Opa mit der Axt in den Parkettboden. Das volle Weinglas kippte erst um, als die feine Tischdekoration drapiert und das Festessen serviert waren. Die Bescherung an Heiligabend – also das gegenseitige Überreichen von Geschenken – möge „schön“ werden, hoffen trotzdem alle. Und in den allermeisten Fällen wird es das ja auch. Ganz unsarkastisch, ganz ernstgemeint wünschen wir uns fröhliche, beglückende, romantische, berührende Momente. Im Nehmen und im Geben. Manchmal übernimmt man sich. Vorher. Und manchmal übergibt man sich. Hinterher.

Das Warten 

Die vier Wochen Wartezeit bis zur „echt schönen Bescherung“ macht Kinder himmelhoch-jauchzend, Frauen freudig erwartungsvoll und Männer zutiefst ratlos. Denn die großen philosophischen Fragen der Menschheit – was schenke ich wem? Wer schenkt mir was? Warum schenkt man mir das? Wem schenk´ ich nix? – müssen beantwortet werden! Und werden mit jeder Adventwoche dringlicher und lauter: „Hast du schon das Geschenk für …“ „Nee, noch nicht.“ Unser ganzes Leben findet ja in der Spannung statt zwischen dem „schon“ und dem “noch nicht“. Bei der Geburt sind wir schon da, aber noch nicht überlebensfähig. Als Teenager schon geschlechtsreif, aber noch nicht heiratswillig. Als Mittsechziger schon erwerbslos, aber noch nicht kostenneutral. Am Bahnsteig bin ich schon da, aber der Zug noch nicht. Was besser ist, als wenn es umgekehrt wäre. Sind die Geschenke schon jahrelang da, aber die Empfänger noch nicht benannt, nennt man es übrigens nicht „schöne Bescherung“, sondern „Schrottwichteln“.

Die Geschenke

Wahrhaft „schön“ wird eine Bescherung dadurch, dass die Geschenke mindestens vier Voraussetzungen erfüllen: Sie sollen „passend“ sein (also irgendwie nützlich) „überraschend“ (also unerwartet, nicht bestellt), „wertvoll“ (also teurer als alles bisher Geschenkte) und „wohlüberlegt“. 
Gemeint ist: Geschenke sollen etwas ausdrücken, Geschenke sollen dem Beschenkten „was sagen“.
Dass Waffeleisen, Armbanduhren, Bio-Kerzen oder Polyester-Pullover sprechen können, verstehen Männer nicht. Frauen verstehen das sehr wohl. Deshalb verhindern sie vorausschauend, dass die korpulente Patentante ein Diät-Kochbuch geschenkt kriegt, die Teenie-Tochter einen Gutschein vom Schönheitschirurgen und der Vegetarier ein Fleischmesser. Die pädagogische Rolle kluger Ehefrauen und Mütter im Advent ist eher die einer „Geschenke-Verhinderin“. Damit sie eben „schön“ wird, die Bescherung. Und nicht im Januar alles bei ebay auftaucht.

„Die großen philosophischen Fragen der Menschheit – was schenke ich wem? Wer schenkt mir was? Warum schenkt man mir das? Wem schenk´ ich nix? – müssen beantwortet werden!“

 

Die Verpackung

Viele Männer tun sich schwer, Geschenke auszusuchen. Noch schwerer aber, sie „schön“ zu verpacken. Gibt es irgendwo auf der Welt einen Mann, der edles Knisterpapier mit glitzernden Bändern, gefalteten Rosen, aufgeklebtem Sternenstaub und drangehängten Weihnachtsmännchen und -bäumchen, Namenskärtchen und Schleifchen stilvoll-liebevoll um sperrige Elektrogeräte wickeln kann? Ich kenne keinen. Schon völlig normalformatige Bücher oder DVDs sehen, wenn ich sie verpacke, hinterher so aus, als hätte ein Hund damit gespielt. Warum muss ein solider Gegenstand für den kurzen Transportweg vom Schlafzimmerversteck ins Wohnzimmer überhaupt „verpackt“ werden? Achtung: Sprechen Sie nie von „einwickeln“. Fische werden eingewickelt. In Zeitungspapier. Geschenke werden drapiert. In Papier, das manchmal teurer war als sie selbst. Aber mangelndes Dekorationsgeschick kann man ja ausgleichen durch „innere Werte“, durch die gleichsam „geistige“ Verpackung eines Geschenks: Die beigefügte Gruß-Karte!

Die Weihnachtskarten

Planen Sie pro Adventssamstag ein bis zwei Stunden ein, um die Drehständer Ihrer örtlichen Buchhandlung zu durchforsten. Von knallwitzig über sexistisch versaut bis hirntot blöde finden sich da sämtliche Sprüche, die je ein Mensch formuliert haben mag. Christliche Verlage fügen dem säkularen Sinnsprüchedurchfall noch Bibelverse hinzu, meist natürlich die bekanntesten aus der Weihnachtsgeschichte. Doch auch da ist das Design oft wichtiger als der Sinn: Es gibt sie in fast jeder Form und Größe, von edel silbern, raffiniert transparent und gewollt kitschig bis kindlich quietschebunt. Von Karten mit Halbrelief-Oberflächen, eingeklebten Strohsternen, beigelegten Gummibärchen, getrockneten Apfelringen und Zimtpulver-Tütchen bis zu mittelalterlichen Faksimiles und aufklappbaren Familienfotos. Manche ehren die Kartenflut als letzte Bastion gepflegt abendländischer Schreibkultur im Computerzeitalter und hängen jeden schriftlichen Gruß an einer Wäscheleine durchs Wohnzimmer. Andere achten darauf, welcher Absender einem was wünscht: Die Kfz-Versicherung wünscht allzeit gute Fahrt, also sich selbst keine Erstattungszahlungen. Die Stadtwerke bedanken sich für unsere Treue, warnen also vor einem Wechsel zum Billigstrom. Der Getränkemarkt wünscht fröhliche Festtage, am besten hochprozentige, der Heizöllieferant wünscht, dass wir‘s kuschelig haben, und das Reisebüro wünscht weiße Weihnacht, weil in den Ski-Resorts noch Plätze frei sind. Beim Lesen solcher Weihnachtsgrüße merken dann sogar Männer, dass
Geschenke eben nicht nur dem Beschenkten was sagen sollen, sondern über den Schenkenden bereits etwas gesagt haben.

Die Liebe

Und richtig „schön“, also ganz doll schön, wird eine Bescherung doch dann, wenn wir barmherzig zugestehen, dass Frauen sogar jenen das Richtige schenken, die sie nur flüchtig kennen, während Männer bisweilen auch jenen das Falsche schenken, die sie von Herzen lieben. Und noch schöner wird die Bescherung, wenn unsere Liebe zu all unseren Lieben nicht daran gemessen wird, ob wir ihnen das Richtige schenken konnten. In diesem Sinne: schöne Bescherung!

„Achtung: Sprechen Sie nie von „einwickeln“. Fische werden eingewickelt. In Zeitungspapier. Geschenke werden drapiert. In Papier, das manchmal teurer war als sie selbst.“

 

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