Zukunft. An der Hand Gottes!

Leitartikel

Alles hat irgendwie mit Perspektive zu tun, mit Persönlichkeit, mit Werten, Grundlagen und Überzeugungen. Das Leben ist viel mehr Haltung als Standpunkt, viel mehr Bewegung als Argument, viel mehr Dynamik als Erklärung. Sicher wird auch dadurch die Zukunft nicht rosarot. Soll sie aber auch gar nicht. Sie soll lieber in den Farben der hoffnungsvollen Realität erstrahlen, und die bekommt sie, wenn der die Hand anlegt, der das Universum nicht nur als Idee erfunden, sondern das Ganze auch noch handgemacht hat. Von Detlef Eigenbrodt.

Es ist jetzt etwa zwei Jahre her, dass ich mit meinem gerade 18 Jahre alt gewordenen Sohn zu „seiner“ Südafrikareise aufbrach. Alles lief super und wir hatten eine großartige Zeit. Bis wir an einem der Hotels ankamen, das ich vorab gebucht hatte. Ich kannte es als gemütliches Haus, dunkles Holz und warme Farben bestimmten die Einrichtung ebenso sehr wie das australische Ehepaar, denen es gehörte. Bei meinem ersten Aufenthalt dort lud Jack mich ein, frühmorgens mit ihm Angeln zu gehen, und Ann setzte sich zu mir an den Tisch und meinte: „Er ist noch nicht so weit, aber ich muss jetzt unbedingt was essen“ – und bestellte sich eine große Portion Rührei mit Speck und viel Kaffee. Ich fühlte mich vom ersten Augenblick an willkommen und wohl. Als ich aber jetzt mit meinem Sohn die Auffahrt hochkam, war ich mir plötzlich unsicher. Als wir geparkt hatten und zur Lobby gingen, war ich sogar regelrecht verwirrt. Zaghaft warf ich einen Blick ins Innere und stellte fest, dass wir wohl im falschen Haus sein mussten. Da, wo ich dunkles Holz in Erinnerung hatte, war plötzlich alles weiß gestrichen. Da, wo bisher gemütliche Polstermöbel gestanden hatten, waren plötzlich weiße Stühle zu sehen. Ich schaute auf den Namen neben der Tür, der nicht identisch war mit dem, den ich kannte. Mein 18jähriger lachte sich fast kaputt und fragte mich, ob ich irgendwie Orientierungsprobleme hätte. Ehrlich. Ich wollte umkehren, dachte, ich sei in einem sterilen Sanatorium gelandet - alles weiß und hier und da mal blauschimmernde LED-Leuchtbänder. Dann kam Carol. Sie kannte ich noch gut. Wir waren also doch im richtigen Hotel. Es hatte nur in der Zwischenzeit die Besitzer gewechselt und war nicht mehr das, was ich kannte und mochte. Dieser Eindruck bestätigte sich, als wir unser Zimmer betraten und als Erstes der monumentale Flachbildmonitor an der Wand zu leuchten begann und Alexa uns einen angenehmen Aufenthalt wünschte. Ich war einfach nur genervt, mein Sohn dagegen war einfach nur begeistert und gab Alexa einen Auftrag nach dem anderen: Alexa, spiel Pop. Alexa, mach das Licht an. Alexa, mach das Licht rot. Alexa, mach die Dusche an. Alexa hier und Alexa da. Ich fügte dem ein müdes „Alexa, please shut up“ hinzu, was diese in freundlicher Stimme mit einem „ich habe Sie leider nicht verstanden“ quittierte. Alexa, ich will hier raus…!

„Ehrlich. Das war meine erste echte Begegnung mit einer künstlichen Intelligenz. Ich fand sie zwar gar nicht so super intelligent, aber lassen wir das. Sie gehörte jetzt für einige Tage zu uns und drängte sich uns regelrecht auf. In diesem plötzlich sehr futuristischen Hotel gab es nämlich manches nicht mehr, was ich eigentlich gern mal benutzt hätte. Lichtschalter zum Beispiel. Wollte ich das Licht an- oder ausmachen, na, raten Sie mal…Alexa! Das war echt die einzige Chance. Schöne neue Welt. Schön?“

Nichts als Fiktion

Unwillkürlich musste ich an den letzten Roman von Dan Brown denken, den ich kurz vorher gelesen und der mir längst nicht so gut gefallen hatte, wie andere vor ihm. In Origin hatte Robert Langdon es, ähnlich verwirrt wie ich jetzt, mit einer künstlichen Intelligenz zu tun und bahnte sich mühsam seinen Weg durch dieses Erlebnis. Ich dachte auch an George Orwell, erinnern Sie sich? Den haben wir gefühlt vor hundert Jahren gelesen und meinten, sein Werk 1984 – big Brother is watching you – sei nichts als Fiktion. 1948 hatte er begonnen das Buch zu schreiben, das dann ein Jahr später in den Handel kam. Heute wissen wir natürlich, dass vieles aus seiner Zukunftsvision längst Realität geworden ist. Ob also Orwell und Brown im Buch oder Star Wars im Kino – die Frage nach der Zukunft war zu allen Zeiten eine immer spannende. Und eine, die polarisiert. Denn was die einen sich ersehnen, wünschen und großartig fortschrittlich finden, ist oft für die anderen beängstigend und verwerflich. So sind wir Menschen: entweder ist etwas Schwarz oder Weiß. Gut oder schlecht. Schattierungen zwischendrin lassen wir nicht zu, auch aus der Angst heraus, uns auf einem Weg zu verlieren, der sich von unseren „sicheren Polen“ entfernt. Und sei es nur gedanklich. Das ist aber Unsinn! Warum versuchen wir nicht mal, zuerst das Positive zu sehen? Warum fragen wir bei neuen Entwicklungen nicht zunächst, was sie der Menschheit Gutes bringen? Warum fragen wir nicht nach den Vorteilen und Erleichterungen, bevor wir dann natürlich auch mit einem kritischen Blick darauf schauen? Denn der gehört natürlich auch dazu. Unbedingt sogar. Aber doch nicht immer als Erstes, und nicht ängstlich, nicht auf alten Mustern und Standpunkten beharrend und ablehnend. Das ist so des-truktiv, dass es jedem, auch beim persönlichen Wachstum, im Wege steht! Wir können es drehen und wenden wie wir wollen: die Digitalisierung wird unseren Alltag weltweit zunehmend prägen und verändern. Wir werden das nicht verhindern, so wie wir damals den Einzug des Fernsehens in unsere Wohnzimmer nicht verhindert haben. Das sich in der uns bekannten Form übrigens langsam, aber sicher, selbst verabschiedet und durch neue Formate ersetzt wird. Die Welt bewegt sich, Gott sei Dank, und wir frönen nicht dem Stillstand! Also schauen wir doch etwas getroster in die Zukunft, mit etwas mehr Vertrauen und Zuversicht! Ich weiß ja, das ist wirklich leichter gesagt als getan. Gehört doch eine gehörige Portion Vertrauen dazu. Vertrauen in sich selbst, in die Menschen um einen herum und das System, in dem man lebt. Da liegt dann aber oft auch schon der Hund begraben, wie man so sagt.

Nicht jedermanns Sache

Selbstvertrauen ist nicht jedermanns Sache. Dafür muss man sich selbst nämlich sehr gut kennen, sich mit sich selbst gut verstehen und es aushalten, dass man nicht dem Ideal entspricht, das man oft von sich hat. Man muss sich selbst vertrauen, dass man zurechtkommt, ankommt, auskommt und dabei nicht umkommt. Diese Art von Vertrauen in das eigene Selbst hat die Kraft uns zu stützen. In Momenten und Situationen zum Beispiel, die uns quer gehen. Die wir nicht gewählt hätten, denen wir gern entfliehen würden. Augenblicke – oder auch längere Phasen – in denen es auf Position ankommt und auf Haltung. Kürzlich habe ich an einer Hochschule eine Vorlesung gehalten, und einer meiner Studenten war bekennender Muslim mit Wurzeln in der Türkei. In der Vorstellung betonte er, wie wichtig es ihm sei, den Koran zu lesen, wie wertvoll Familie für ihn ist und wie sehr er sein Heimatland liebt. In einer der Pausen sprachen wir dann über meinen


Glauben, darüber, dass auch mir Familie viel bedeutet und ich gern zu Gast in der Türkei war und bin. Ein wunderschönes Land mit wirklich großartigen Menschen! Wir sprachen aber auch über die Politik des Herrn Erdogan, seinen Einmarsch in Syrien, seine menschenverachtende Art, wenn es nicht nach seinem Kopf geht. Dabei war mir wichtig, meine Argumente sauber zu wählen und meinen Studenten zwar gedanklich herauszufordern, aber nicht zu denunzieren. Da sprachen zwei Menschen miteinander, die sich gegenseitig etwas zu sagen hatten, die einander zuhörten und einander stehen ließen. Deutlich schwieriger wird das natürlich, wenn man angegriffen wird und automatisch in den Verteidigungsmodus wechselt. Was wir übrigens meistens dann tun, wenn wir uns selbst nicht sicher sind, wenn unsere Position wankt oder wir den eigenen Argumenten nicht trauen. Wenn wir das, was wir sagen, mit nicht mehr untermauen können als einem trotzigen: Das ist aber so! Wer so unterwegs ist, hat tatsächlich oft Angst vor der Zukunft. Weil er schon mit der Gegenwart so seine Schwierigkeiten hat und das nur, weil seine Vergangenheit ihn quält.

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So viele Beziehungen zerbrechen genau daran. Aber es gibt auch eine gesunde Form des abhängigen Vertrauens auf Menschen. Eine, die sich aus Erfahrung nährt, aus innerer Nähe, die alle äußeren Distanzen überbrückt. Das sich vollkommen verlassen können auf die Familie, das sichere Bewusstsein, dass Freunde für einen da sind. Nachbarn. Die Gemeinde. Unkonditionell! Ich hoffe, Sie haben so jemanden an Ihrer Seite und fragen sich nicht hilflos und verzweifelt, von welcher Art Mensch ich hier spreche.
 

Nichts als Lobbyismus

Und schließlich wartet die nächste Herausforderung schon an der Ecke, vielleicht sogar die größte überhaupt zurzeit. Wir sind nämlich alle an ein gesellschaftliches, politisches und kirchliches System gebunden, dem wir uns nicht entziehen können. Gut, der Kirche vielleicht noch am ehesten. Aber das war‘s dann auch schon. Aus der Politik kommen wir nicht raus. Ja, wir wählen. Hoffentlich! Und bestimmen so mit, was sein soll. Aber ehrlich, das fühlt sich doch manchmal mehr nach Farce an als nach echter Option. Die Worte und Versprechungen vor der Wahl klingen irgendwie immer öfter so ganz anders als das, was dann nach der Wahl passiert. Lobbygruppen setzen sich durch, so scheint es jedenfalls, Politiker setzen sich durch - mit ihren eigenen persönlichen Interessen und denen von Minderheiten. So will Herr Spahn mit aller Gewalt eine Therapie verbieten, die er für verwerflich hält. Weil er sich vermutlich selbst in seiner sexuellen Orientierung angegriffen fühlt und laut ausruft: Homosexualität ist keine Krankheit und muss deswegen auch nicht therapiert werden! Naja, soweit kann ich ihm folgen. Warum er aber denen, die ebenfalls homosexuell sind und sich in einer Therapie Hilfe im Umgang mit ihrer Gefühlswelt erhoffen eben diese Hilfe per Gesetz verbieten lassen will? Ich kann mir nur einen Reim drauf machen. Da wird die Macht der Gesetzgebung eben nicht zum Wohl aller angewandt. Einzelne, ja, Einzelne klatschen begeistert Beifall, weil sie meinen, endlich gehört zu werden. Endlich ihr Recht zu bekommen. Und ich will an dieser Stelle wirklich nicht ungerecht sein. Weil in der Vergangenheit tatsächlich so viel selektiv gedacht und gemacht wurde, dass dabei Etliches auf der Strecke blieb. Zum Unwohl der Betroffenen, deren Gruppe gar nicht so homogen ist, wie es scheint. Es sind eben längst nicht alle Schwulen gleich. Auch nicht in ihrer Bewertung angebotener Therapieformen. Wie wunderbar wäre es, würde sich ein Gesundheitsminister mit gleicher Kraft für das Wohl ungeborenen Lebens einsetzen und Abtreibungen per Gesetz verbieten lassen. Das würde die Zukunft etwas heller strahlen lassen.

Nichts zum Weglaufen

Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen: es geht nicht mehr um ethische Werte und Lebensgrundlagen, sondern darum, einen Nährboden für maximale Selbstentfaltung zu schaffen, den jeder nutzen kann und soll, nur möglichst nicht die Mitglieder der Gesellschaft, die noch Wert auf die Bibel legen. Da wird die von den Toleranten geforderte Haltung schnell intolerant. Absurd, wie ich finde, und auch ein bisschen abartig. Auf jeden Fall aber nicht Vertrauen weckend mit Blick in die Zukunft. Und wie immer: das ist nur ein Auszug aus der großen Palette dessen, was die gewählten Volksvertreter uns zumuten. Was dabei wirklich ärgerlich ist: sie sehen nicht die Spur eines Fehlers bei sich selbst, nutzen Worthülsen und Plattitüden und reden einen Unsinn, bei dem ihnen doch fast selbst das Wort im Hals stecken bleiben müsste. Tut es aber nicht! Und am ständig schlechten Abschneiden etablierter Parteien sind niemals sie selbst schuld. Wissen Sie, was ich nicht mehr hören kann? Wenn auch nur noch ein Einziger von diesen Damen und Herren sagt, dass es jetzt notwendig und an der Zeit sei, das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen! Sie hätten mal besser vorher darauf geachtet, es nicht so liederlich zu verspielen. Ich könnt‘ mich echt in Rage schreiben. Tu ich aber nicht!

Nicht ohne meinen Gott

Denn ich habe Lust auf die Zukunft! Ich freue mich auf das, was kommt. Alexa und Siri hin oder her. Auch politische Systeme werden sich neu orientieren, Gesellschaften überdauern, neue Werte geschaffen, vorhandener Mist sich in Gold verwandeln. Ich bin nicht bereit, klein beizugeben, will und werde nicht wegen einiger fauler Eier den ganzen Korb wegwerfen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich will und werde nicht ständig auf die schauen und mich von denen bestimmen lassen, die die Zukunft unreflektiert schlechtreden. Das darf auch eine junge Frau Thunberg nicht!

Also schaue ich gern mit Paulus auf das vor mir liegende Ziel: eine Zukunft an der Hand Gottes. Eine, die zwar endlich noch erreicht werden will, die aber jetzt doch schon irgendwie begonnen hat. Darauf gehe ich zu. Getrost. Zuversichtlich. Mich selbst kennend, mir selbst etwas zutrauend, im Kreis der Menschen, die mir was bedeuten, uns gegenseitig ermutigend und stützend und einem durchaus fragilen System folgend und es stärkend, so gut ich eben kann. Ja, Darauf gehe ich zu. Und Gott geht mit. Wie steht‘s mit Ihnen?

Magazin Winter 2019