Allein und unabhängig

Biografie

Wie es sich anfühlt, wenn am Ende des Geldes noch viel vom Monat übrig ist, weiß Norbert Klotz nur allzu gut. Welche emotionalen Reaktionen das auslöst, seit er Ehemann und Vater ist, auch: Angst, Sorge, Verzweiflung. Aber er ist entschlossen, dem etwas entgegenzusetzen: Hoffnung, Vertrauen und Glauben. Dass das leichter gesagt ist als getan, beschreibt er ehrlich und anschaulich.

Berufliche Selbständigkeit stand nie auf meiner Agenda. Nach Ausbildung und Studium in der Medienwelt wollte ich meiner Kreativität in einer Agentur oder Werbeabteilung eines großen Unternehmens freien Lauf lassen und die Sicherheit einer Festanstellung genießen. Ich bin ein eher ängstlicher, sicherheitsbedachter Typ, der gerne alles unter Kontrolle hat. Heiraten, Familie, Haus, Baum – so oder so ähnlich sollte es laufen. Aber bitte mit sicherem Einkommen jeden Monat. 

Leider war das Einkommen dann aber zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben. In einer Zeit des Grübelns über meine Zukunft und einer beruflichen Zweitorientierung in der Fitnessbranche kam es zur Begegnung mit einem alten Sandkastenfreund. Nach einiger Zeit überzeugte er mich davon, mich selbstständig zu machen und nicht mehr nur meinem Chef die Taschen zu füllen. Meine Gedanken dazu kann man in etwa so zusammenfassen: „Ich wäre dann alleine und unabhängig, hätte nicht viel zu verlieren – außer einem schlecht bezahlten Job“.  

Entspannter Flug

Nun schaue ich zurück auf sechs spannende Jahre in der Selbstständigkeit, die wie im Flug vergangen sind. Dieser Flug war jedoch nicht immer „Köln/Bonn – Palma de Mallorca, ohne Turbulenzen“, sondern ein aufregender Langstreckenflug mit jeder Menge Angstzuständen, Panikattacken und Schweißausbrüchen. Denn „alleine und unabhängig“ hielt genau zwei Monate. Dann lernte ich meine Traumfrau kennen, heiratete sie ein Jahr später, und anderthalb weitere Jahre danach waren wir eine Familie. Bis dahin war alles relativ entspannt, meine Selbstständigkeit lief sachte aber solide an und ein zweites volles Gehalt von meiner Frau war da. Entspannter Flug. 

Die Turbulenzen begannen mit dem Eintritt in die Schwangerschafts- und Elternzeit. Auch wenn das Elterngeld ein wenig aushalf, wurde mir immer mehr bewusst, dass ich nun vorerst alleine das Geld nach Hause bringe. Allmählich begann der Boden unter meinen Füßen zu wackeln. Ich entkam mit einem blauen Auge einer Urheberrechtsklage, die mich ruiniert hätte. Finanzielle Polster schrumpften, Ausgaben wurden mehr und größer. Immer wenn ich es schaffte, durch gute Aufträge endlich etwas Geld auf die hohe Kante zu legen, holten unerwartete Nachzahlungen es dort wieder herunter. Auf Freude folgte Ernüchterung und es wuchs der Druck, mehr Geld verdienen zu müssen, um besser für so etwas gewappnet zu sein. Ich arbeitete nun noch abends als Trainer in einem Fitnessstudio und versuchte so, mehr finanzielle Sicherheit zu erreichen und mich zu beruhigen.

Schwindel, Panik, Atemnot

Statt innerer Ruhe bekam ich allerdings immer stärkere körperliche Stresssymptome. Schwindel, Schlaflosigkeit, Panikattacken, Atemnot und unzählige Magenschleimhautentzündungen. Treue Begleiter, auf die ich sehr gerne verzichtet hätte. Aber jetzt waren sie da und blieben. Die Verantwortung für meine Familie lag schwer auf meinen Schultern. In meinen Augen war dies nur zu bewältigen, wenn ich jeden Monat mit Sicherheit Betrag X nach Hause bringe. Doch den konnte mir eben keiner garantieren. Die körperlichen Symptome ließen mich zweifeln, dass ich es schaffen würde. So wuchs die Angst und die Schwindelanfälle wurden schlimmer. Der Teufelskreis drehte sich wie eine Spirale immer schneller.

„Ich bin ein eher ängstlicher, sicherheitsbedachter Typ, der gerne alles unter Kontrolle hat.“

Meine Frau versuchte, mir zu helfen, mir die Ängste zu nehmen. Aber sie kam an ihre Grenzen, denn die Ansprüche an mich stellte ja nicht sie, sondern ich alleine. Es gab Nächte, in denen mein Körper verrückt spielte und ich mit Atemnot, Herzrasen und Zittern aufwachte. Der Arzt meinte nur: „Machen Sie sich nicht so viel Stress ... entspannen Sie mal!“ Ich versuchte es. Klappte aber nicht. Erst starb unerwartet mein Vater nach schwerer Krankheit und wenig später zerbrach unsere Gemeinde, die ich von Kindesbeinen an besucht hatte, unter großem Streit. Zwei wichtige Stützen in meinem Leben gingen verloren.

In solch einem Moment, in dem so vieles in sich zusammenstürzt und man ohnehin keine Kraft mehr hat, geht man als Arbeitnehmer gern zu seinem Arzt und lässt sich krankschreiben, um eine Auszeit zu nehmen und zu gesunden. Als selbstständiger Alleinverdiener ist das keine Option. Die Zweifel an mir als Versorger meiner Familie wuchsen weiter und nagten an mir.

Ich habe viel gebetet

Ich habe in dieser Zeit wirklich viel gebetet und auch erlebt, dass Gott mir geholfen hat. Aber ich wurde nicht frei von meiner Angst. Kein gutes Zeichen, dachte ich. Irgendwann wollte ich die Selbstständigkeit dann an den Nagel hängen und nach einer Festanstellung suchen. Die Vorstellung, jeden Monat ein festes Gehalt zu haben, wirkte wie eine Erlösung. Die Vorteile, die ich in der Selbstständigkeit ja auch alle hatte, blendete ich aus. Ich habe mir Rat geholt. Bei meiner Frau. Bei Freunden. Bei Gott. Und auch bei einem christlichen Psychotherapeuten. Ich habe für mich Antworten gefunden, ohne die ich garantiert nicht weitergemacht hätte. Gott sei Dank. Denn mittlerweile bin ich gelandet. In der Selbstständigkeit. 

Nach wie vor stehe ich trotzdem oft vor den Fragen: Wer garantiert mir, dass ich weiterhin gute Aufträge bekomme? Bin ich in der Lage, uns zu versorgen? Welchen Urlaub können wir wann erleben? Welches Zuhause können wir uns leisten? Werden unser Sohn und unsere Tochter zurückstecken müssen, und wie wird das für sie sein? Sollte ich doch noch mehr arbeiten um meiner Familie mehr zu bieten? Dafür weniger Zeit für sie haben? Und immer öfter greifen dann meine persönlichen Antworten, für die ich mich entschieden habe. 

Antworten, die mir wirklich helfen

Die erste: Ich trage nicht die letzte Verantwortung. Gott ist mein Chef. Und Gott ist ein sehr liebevoller, verständnisvoller Chef. Weil er mein Vater ist. Gott hat mir in den letzten Jahren an so vielen Stellen gezeigt, dass er mich und uns bedingungslos liebt, keine Ansprüche an mich hat und uns versorgt, wie die „Lilien auf dem Feld“. Mein Gottesbild, das in der Gemeinde geprägt wurde, zeigte einen Gott, dem man genügen muss und dessen Gesetz man zu erfüllen hat. Das wurde ausradiert. Ich durfte den Gott der Gnade entdecken, der mich als sein Kind ansieht und bei dem ich gar nichts leisten muss – weil er schon alles geleistet hat. Diesem Gegenüber kann ich vertrauen. Heute nehme ich Gott beim Wort, gebe ihm meine gute und ehrliche Arbeit – und lasse alles andere los.
Meine zweite Überzeugung: Ich kann meiner Familie nichts Kostbareres geben als Zeit und Liebe. In meinem Umfeld erlebe ich bei anderen Selbstständigen, dass völlige Aufopferung für die Arbeit und mehr Geld nichts als Frustration, Krankheit und Unzufriedenheit hervorgebracht hat. Das will ich nicht. Meine Familie ist das Kostbarste, was ich hier auf Erden habe. Was bringt mir Geld, wenn ich meine Kinder nicht aufwachsen sehe? Und ganz ehrlich, kein 5-Sterne-Hotel an einem Traumstrand dieser Welt kann meinem Sohn meine nicht vorgelesene Gute-Nacht-Geschichte aufwiegen. Urlaub in Holland am Strand ist genauso cool. Meine Ehe wird nicht besser durch mehr Shopping-Erlebnisse, die ich meiner Frau ermögliche, sondern durch die Zeit, die wir füreinander haben.

Zum Leben brauchen wir immer noch jede Menge Geld, und die Zweifel und die Angst kommen immer noch mal wieder. Aber sie haben nicht mehr die Macht, die sie mal hatten. Denn ich weiß, dass ich nicht abstürzen kann, auch wenn es turbulent wird. Weil ich Gott beim Wort nehmen will und darf.

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