Über Gerechtigkeit

Hallo Gott, ich mach mir grad so meine Gedanken. Über Gerechtigkeit. Was dieses Thema angeht, mangelt es mir echt an Antworten. Allerdings nicht an Fragen.

Ist es gerecht, dass ein Mensch als „illegal“ abgestempelt wird, nur weil ihm die richtigen Papiere und ein paar Stempel fehlen? Und umgekehrt: Ist es gerecht, dass ich in ein Land hineingeboren wurde, das mit einem relativ guten politischen System, gesundheitlicher Versorgung und hoher Sicherheit ausgestattet ist? Ist das gerecht?

Ist es gerecht, dass so viele Kinder bereits im Mutterleib getötet werden, nur weil sie gerade nicht ins Konzept passen oder etwas an ihnen voraussichtlich nicht so sein wird, wie es der Norm entspricht? Und umgekehrt: Ist es gerecht, dass ich eine liebevolle Mutter habe, die bis heute Anteil an meinem Leben nimmt und mich und meine eigene Familie voller Liebe und nach Kräften unterstützt? Ist das gerecht?

Ist es gerecht, dass meine Freundin nach einer überraschenden Krebsdiagnose und der Überwindung ihrer Krankheit nun schon wieder einen beunruhigenden Befund bekommen hat und scheinbar den ganzen Horror noch einmal durchleben muss? Und umgekehrt: Ist es gerecht, dass ich in meinem Leben außer einem ausgewachsenen Keuchhusten und einem verstauchten Finger in der Grundschule noch keine größeren gesundheitlichen Angriffe zu verzeichnen habe? Ist das gerecht?

Ich könnte diese Gedanken ohne weiteres seitenlang so fortführen. Und komme dabei doch an kein Ende. Weder damit, dass ich die offensichtliche Ungerechtigkeit dieser Welt an den Pranger stelle, noch, dass ich mir zwar meiner eigenen Privilegien bewusst bin, sie aber auch für die Gerechtigkeit nicht aufgeben möchte.

Mein Wunsch nach einer gerechten Welt ist groß, Gott. Ehrlich. Da ist eine Sehnsucht, eine Ahnung in mir, die es drauf hat, sich für jede Eventualität ein Happy End auszudenken. Aber im Letzten führt das zu nichts. Außer zu Unzufriedenheit – die wiederum auch nichts ändert. Es sei denn, du verkehrst sie zu einer heiligen Unzufriedenheit. Eine antreibende Unzufriedenheit. Eine Unzufriedenheit, die sich aufs Schlachtfeld begibt, die in die Bresche springt, die Partei ergreift. Eine Unzufriedenheit im Dienste der Gerechtigkeit. Und in deinem Dienste.

Die Welt ist riesig. Und riesig ungerecht. Aber meine Welt ist klein. Und ich könnte ja in ihr beginnen, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Nach meinen Kräften. Und nach deinem Plan. Das wäre vielleicht ein Anfang, oder?