Von Sorgen zum Segen

Ratgeber

Die Frage, woher Sorgen kommen und was man mit ihnen machen soll oder kann, beschäftigt uns seit Generationen. Kann man Ursachen einfach erkennen und wirksam eliminieren? Ganz so easy ist es nicht, meint Dr. Martina Kessler. Sie ist aber auch überzeugt, dass viel mehr geht, als viele tun. Fachlich fundiert erklärt sie Grundlagen und zeigt einen Weg, wie Sorgen zum Segen werden.

Da wir in der Bibel wiederholt dazu aufgefordert werden, alle unsere Sorgen Gott zu überlassen, weil er sich um alles sorgt, was uns betrifft, dürfen und müssen wir daraus wohl schließen, dass auch Gott sich sorgt. Wenn das so ist, dann gibt es offensichtlich auch ein positives Sorgen. In 1. Korinther 12,25 werden die Christen in der jungen korinthischen Gemeinde zum Beispiel dazu aufgefordert, alle in gleicher Weise füreinander zu sorgen. Und im 2. Brief an die Korinther schreibt Paulus der Gemeinde, dass er täglich in Sorge um ihr Wohlergehen ist.

Einfach gut gesorgt

Diese positive Seite des Sorgens gibt es auch in unserem Leben. Wenn wir eine längere Reise planen, ver-sorgen wir unser Haus, die Blumen und die Post, weil das Selbst-(für)sorge ist. Weil wir der Überzeugung sind, dass wir als Christen in Für-sorge mit der Schöpfung umgehen sollten, überlegen wir, wie, wo und wann wir (kurz- und langfristig) umweltgerecht handeln können. Vor ein paar Tagen war ich in der Innenstadt, um einige Be-sorgungen zu erledigen. Als wir den Eindruck hatten, dass eines unserer Enkelkinder nicht gut sehen konnte, sprachen wir be-sorgt mit den Eltern, denn sie haben sowohl ein Sorge-recht als auch eine Sorgepflicht ihrem Kind gegenüber. Als meine Eltern alt geworden waren, haben wir als Geschwister darauf geachtet, dass sie gut ver-sorgt sind. Wir um-sorgten eine schwer erkrankte Freundin als ganzer Freundeskreis. Und weil wir nicht wussten, wie sicher unsere Rente im Alter sein würde, haben wir privat vorgesorgt. Nach der Geburt unserer Kinder kam eine Hebamme für die Nach-sorge ins Haus. Wenn ich für eine Veranstaltung verantwortlich bin, trage ich dafür Sorge, dass alles gut vorbereitet ist. Und wenn ich mit dem Auto unterwegs in einen Stau komme, dann beobachte ich manchmal sorgen-voll die Tanknadel und fahre gegebenenfalls frühzeitig zu einer Tankstelle. Neu war für mich die „Ob-sorge“. Dabei handelt es sich um die Zuordnung eines minderjährigen Kindes zu einem der elterlichen Haushalte, wenn beide sorge-berechtigten Eltern getrennt leben. Sie umfasst die Pflege und Erziehung, aber auch die Vermögensverwaltung und rechtliche Vertretung.

„Sich zu sorgen ist also ganz alltäglich und normal. Daher kann man allgemein sagen, dass das Sich-Sorgen wie ein Schutzmechanismus wirkt.“

Zwei Seiten der Medaille

Sich zu sorgen ist also ganz alltäglich und normal. Daher kann man allgemein sagen, dass das Sich-Sorgen wie ein Schutzmechanismus wirkt. Sich zu sorgen hilft, vorzubeugen, Situationen richtig einzuschätzen, mögliche Gefahren rechtzeitig zu erkennen und sie gegebenenfalls für sich und andere abzuwenden. Das gilt für alle Bereiche unseres Lebens. Sich Sorgen zu machen ist dann hilfreich, wenn sich solch ein gedanklich vorweggenommenes Szenarium positiv auf das Fühlen, Denken und Handeln auswirkt. 

Aber es gibt eben auch die beiden Pole, sich zu zer-sorgen oder zu sorg-los zu sein. Sich zu zersorgen führt oft in Ängste hinein, beim Zu-sorglos-Sein wirft es einen oft genug hart auf den Boden der Tatsachen zurück. Beides ist eher gefährlich. Eine Frau erzählte mir, ihr Bruder sei bei einer Aktion verunfallt und danach verstorben, weil er zu sorglos gehandelt habe. Die Wirkung des Sich-Zersorgens wurde in einer Studie herausgearbeitet: Menschen, die sich mehr als sechs Stunden täglich sorgen, können eine generalisierte Angststörung entwickeln. Nicht erkrankte Menschen kommen demgegenüber nur auf eine Stunde Sorgen pro Tag. Alarmierend ist es, wenn sich Sorgen gar nicht mehr stoppen lassen. Wenn sich Sorgen zu Ängsten auswachsen und generalisiert werden, können sie noch tiefere Wurzeln in Menschen schlagen.

„Auch wenn wir berücksichtigen, dass unterschiedliche Persönlichkeitstypen zu unterschiedlicher Sorgenintensität neigen, sind wir dem Sich-Sorgen-Machen doch nicht hilflos ausgeliefert!“

Den Alltag beachten

Sorgen sollen ernst genommen werden, aber sich zu zersorgen ist dennoch eine schlechte Option. Auch wenn wir berücksichtigen, dass unterschiedliche Persönlichkeitstypen zu unterschiedlicher Sorgenintensität neigen, sind wir dem Sich-Sorgen-Machen doch nicht hilflos ausgeliefert! Als erste Möglichkeit wurde schon darauf hingewiesen, dass man Gott die Sorgen bringen kann und sie dabei loslassen sollte. Diesen Vorgang kann man so oft wie nötig wiederholen! Hilfreich ist auch, wenn die Sorgengedanken bewusst gestoppt werden. Man kann zum Beispiel bei einem Spaziergang „Stopp“ zu den inneren Gedanken sagen, dabei ruhig in den Bauch hinein atmen und die Aufmerksamkeit auf die Umgebung richten. Was ist nun zu sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen? Der Gedankenstopp wirkt wie eine „Erste Hilfe“ bei zu großen Sorgen, vor allem, wenn das Sorgen nicht in eine Aktion münden kann (also bei Themen, die wir nicht handhaben können). Weiter kann es helfen, wenn man das Risiko bewertet und es angemessen einzuschätzen lernt, wenn man sich bewusst auf etwas anderes ausrichtet, bewusst entspannt oder einen Ausgleich sucht. Manchen Menschen hilft es, sich auf positive Erfahrungen zu besinnen, sich auf den schlimmsten Fall vorzubereiten (weil es dann nur besser kommen kann), sich mitzuteilen, die Sorgen aufzuschreiben oder sich bewusst abzulenken (was meistens nur kurzfristig klug ist). Es ist auch gut, wenn man selbsterfüllenden Prophezeiungen keine Chance gibt und die eigene Wichtigkeit realistisch bewertet. Wieder anderen Menschen tut es gut, den Kontakt zu anderen Menschen zu pflegen und sich soziale Unterstützung als mentale Kraftquelle zu holen. Vielleicht hilft Ihnen schon einer dieser Vorschläge, manchmal ist auch eine Kombination aus mehreren Möglichkeiten hilfreich. Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen, dass Ihre Sorgen sich zum Segen wenden!