Mitten im Leben
Ratgeber
Es war nicht einfach, als Christ im 1. Jahrhundert zu leben. Das Bekenntnis zu Jesus war in dieser polytheistischen Gesellschaft mit vielen Herausforderungen verbunden. Letzten Endes mussten die Gläubigen mit allem rechnen: Verlust ihres Status, Verlust von Familie und Freunden, Verlust ihres Lebensunterhalts, Verlust ihrer Freiheit und in extremen Fällen sogar Verlust ihres Lebens. Von Eva Dittmann.
Petrus geht in seinem ersten Brief an die Christen in Kleinasien auf die daraus resultierenden Sorgen und Ängste ein und gibt ihnen drei Ratschläge mit. Und auch, wenn unsere Situation als Christen im 21. Jahrhundert nur bedingt mit der der ersten Gemeinden zu vergleichen ist, leben auch wir heute mit besonderen Herausforderungen und können so von den Ausführungen in 1. Petrus 5, 6–11 lernen.
Demut
Erstens: Petrus ruft seine Leser zur Demut auf (Verse 6–7). Auf den ersten Blick widerspricht diese Aufforderung unserer eigenen Intuition. Denn gerade in leidvollen Situationen wollen wir doch die Kontrolle über unser Leben behalten und die Herausforderungen selbstbestimmt und verantwortungsbewusst navigieren. Petrus glaubt, dass ein solcher Ansatz jedoch nur zu Selbstzentriertheit und Stolz und langfristig zu geistlicher Unzufriedenheit führen kann. Stattdessen ermutigt er seine Leser, sich auf Gott auszurichten: „Deshalb beugt euch demütig unter die Hand Gottes …, [indem] ihr ihm all eure Sorgen überlasst“ (Verse 6a+7a). Demut bedeutet, Gottes absolute Souveränität und alles umfassende Herrschaft zu akzeptieren – selbst dann, wenn wir sie nicht verstehen und Gott uns keine Erklärung gibt. Und Demut bedeutet ganz praktisch, ihm unsere Sorgen zu überlassen, weil er mächtig und gut ist. Er wird sich um uns kümmern.
Aus der Perspektive von Petrus ist diese bewusste und dankbare Unterordnung die einzig sinnvolle Entscheidung. Vielleicht könnte man das mit einem Schiff vergleichen, das in einen heftigen Sturm gerät. Sie selbst kennen sich mit der Navigation eines Schiffes gar nicht aus. Aber Ihr Kapitän ist ein erfahrener Mann, der sein Schiff schon durch viele solcher Stürme gebracht hat. Diesem Kapitän in einer solchen Situation Ratschläge geben zu wollen oder ihm gar das Ruder aus der Hand zu reißen, wäre anmaßend und – um es vorsichtig zu formulieren – kontraproduktiv. Vielmehr wäre es in dieser Situation ratsam, diesem Kapitän die Kontrolle zu überlassen und sich im anzuvertrauen.
„Demut bedeutet, Gottes absolute Souveränität und alles umfassende Herrschaft zu akzeptieren – selbst dann, wenn wir sie nicht verstehen und Gott uns keine Erklärung gibt.“
Wachsamkeit
Zweitens: Petrus ruft seine Leser zur Wachsamkeit auf (Verse 8–9). Mit den zusätzlichen emotionalen, körperlichen und geistlichen Belastungen fällt es uns Menschen in schwierigen Zeiten häufig schwer, konkrete Herausforderungen besonnen und standhaft zu manövrieren. Wir verlieren an Resilienz und unsere tiefsten Ängste und Sehnsüchte dringen an die Oberfläche unseres Herzens. Dabei werden wir ungemein anfällig für die Angriffe des Teufels, der es sich nicht nehmen lässt, diese Situation für seine Zwecke auszunutzen. Satan weiß, dass er uns nicht mehr für die Ewigkeit haben kann. Deswegen will er uns zumindest in der Gegenwart unwirksam machen. Und leider weiß er genau, wo er ansetzen muss: Versuchung zur Sünde, Halbwahrheiten über Gott, Spaltungen in der Gemeinde und Entmutigung. Petrus vergleicht diese Bedrohung des Teufels hier mit einem brüllenden Löwen (Vers 8). Wer weiß, dass ein echter Löwe in der Nachbarschaft umherschleicht, würde nicht leichtsinnig vor die Tür gehen. Umso vorsichtiger sollten wir auf der geistlichen Ebene sein. Petrus schlägt den Gläubigen hier zum einen vor, sich nah an Jesus zu halten, ohne den wir gegen die listigen Machenschaften des Teufels keine Chance haben. Zum anderen fordert er uns auf, diese Zeiten in der Gemeinschaft mit anderen Gläubigen durchzustehen, anstatt uns zurückzuziehen.
Weitsicht
Drittens: Petrus ruft seine Leser zur Weitsicht auf (Verse 10–11). Zwei Perspektiven sollen die Gläubigen in den Herausforderungen dieser Welt leiten: Durch seine unendliche Gnade nutzt Gott unser Leid als Wachstumskatalysator. Gott wird uns „aufrichten, stärken, kräftigen und gründen“ (Vers 10). Er möchte uns wiederherstellen, im Glauben festigen und uns mit allem ausrüsten, was wir brauchen. Und seine Gnade ist wie der Ozean, ein grenzenloser Vorrat, der immer wieder über unser Leben hineinbricht. Und: Verglichen mit der Ewigkeit ist unser Leid auf dieser Erde nur ein Wimpernschlag. Auf uns wartet die Krone der Herrlichkeit in der Gegenwart unseres wunderbaren Gottes. Hier wird alles Unrecht wiedergutgemacht. Alle Schande weggenommen. Aller Schmerz beseitigt. Alle Zerbrochenheit geheilt. Mit Blick auf diese niemals endende, alles übertreffende Freude, die Gott für uns bereithält, wird es uns im Hier und Jetzt leichter fallen, Leid und Unrecht in einer gottesfürchtigen Art und Weise zu navigieren.
„Verglichen mit der Ewigkeit ist unser Leid auf dieser Erde nur ein Wimpernschlag.“
Mein Herz
Unser Umgang mit herausfordernden Lebenssituationen beginnt aber immer schon lange vor diesen Zeiten. Um die Tiefen unseres Lebens geistlich erfolgreich navigieren zu können, ist es empfehlenswert, unser Herz bereits in den guten Zeiten zu schulen, damit es gefestigt und auf Gott ausgerichtet ist. Mir persönlich hilft es dabei, in meinem Alltag eine verkürzte Version des ignatianischen Examens durchzuführen. Zwei Fragen leiten mich in dieser geistlichen Übung: Wo und wie habe ich in den letzten 24 Stunden das Licht, die Liebe oder die Gegenwart Gottes erfahren? Und: Wann habe ich mich in den letzten 24 Stunden leer, allein, enttäuscht, ängstlich oder ungenügend gefühlt? Wo und wie ist Gott mir auch in dieser Situation mit seinem Licht, seiner Liebe oder seiner Gegenwart begegnet? Wenn ich diese Praxis regelmäßig durchführe, passieren zwei Dinge in meinem Herzen: Zum einem staune ich immer wieder, wie intensiv Gott in meinem Alltag aktiv ist – ganz besonders in den Situationen, die ich als negativ empfinde. Zum anderen lernt mein Herz dabei auch, Gott nicht nur in der Rückschau wahrzunehmen, sondern mitten im Leben, mitten in den schwierigen Situationen. Dort wird mein Herz dann durch seine Gnade zur Demut, zur Wachsamkeit und zur Weitsicht angeleitet.
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