Mir wird nichts mangeln

Gedanken

Diese wenigen Worte nach der Übersetzung Martin Luthers und den größeren Zusammenhang, aus dem sie kommen, kennen sicher nicht nur christlich assoziierte Zeitgenossen. Vermutlich könnte jeder, der irgendwann einmal in einer Schule war, sie einordnen und weitersprechen. Aber so bekannt diese Worte auch sein mögen, wissen wir auch, was sie bedeuten? Gedanken dazu von Dr. Jürgen Schulz.

Mit Psalm 23 halten wir ein Gedicht in den Händen, das uns zeigt, wie wir sorglos leben können, selbst wenn das Leben nicht frei von Sorgen ist. Der Text benennt König David als den Autor des Psalms. David war Hirte und König. Er war erfolgreicher Soldat und gejagter Flüchtling. Er durchlebte Zeiten der Hoffnungslosigkeit und genoss ein königliches Luxusleben. Davids Leben war nicht frei von Sorgen. Trotzdem lädt er zu einem sorglosen Leben ein. Alles entscheidend ist dafür die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Die Frage ist letztlich: Sind wir mit Gott per Du? 

Psalm 23 stellt uns Gott in drei unterschiedlichen Rollen vor. Er ist der Hirte auf dem Feld (Vers 1), der Gastgeber im Festsaal (Vers 5) und der Herr im Heiligtum (Vers 6). Alle drei Rollen Gottes verbindet David mit seinen Alltagserfahrungen.

Aufpasser und Hinschauer

Weil Gott Davids Hirte ist, wird David nichts mangeln. Einen größeren Ausdruck des Vertrauens kann es kaum geben. David verlässt sich voll und ganz auf Gott. Gott wird ihn versorgen. Der nächste Schritt und die nächsten Entscheidungen – der Hirte kennt den Weg. „Gott ist mein Hirte.“ Dieses Bekenntnis ist der erste Schritt und die Voraussetzung für ein sorgloses Leben. An Gott zu glauben bedeutet, Gott zu vertrauen. Wer eine vertrauensvolle Beziehung zu Gott pflegt und sich zu ihm bekennt, für den verbürgt sich Gott höchstpersönlich. David weiß, dass Gott ihn gut versorgen wird. Er erwartet nicht einfach eine materielle Versorgung. Gott selbst steht im Mittelpunkt des Gebets. Er ist der Hirte, der Versorger, der Wegweiser und Mutmacher. Er versorgt David, weil er zu seinem Namen steht. Gott hat sich für ihn verbürgt. Einen stärkeren Schutz kann es nicht geben. Dieser Schutz ist nicht auf die irdischen Grenzen beschränkt. Deswegen dürfen wir Menschen voll Hoffnung und ohne Angst nach vorne schauen. 

David ist nicht naiv. Er weiß, wie brutal und ungerecht es im Leben manchmal zugeht. Es gibt finstere Momente. Erfahrungen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Wir verwenden ganz unterschiedliche Bilder, um schlimme Momente zu beschreiben. Für manche Lebensmomente reichen Worte nicht aus – dafür brauchen wir Bilder, die den Schmerz besser transportieren können. David kennt das „finstere Tal“ und die „Todesschatten“. Er kennt Sorgen, Angst und Wut. Aber er fürchtet sich nicht! Denn sein Hirte ist bei ihm. Mit seinem Stock und Hirtenstab setzt er sich für David ein, verteidigt ihn vor Angreifern und hilft ihm wieder auf. Ein sorgloses Leben ist nicht sorgenfrei, aber voller Hoffnung trotz berechtigter Sorgen. 

„Gott zu kennen, das umfasst mehr, als über ihn reden zu können. Es bedeutet, mit ihm im Gespräch zu sein. Dieser Unterschied verändert den Umgang mit Sorgen und Ängsten.“

Einlader und Beschenker

Wenn David im Psalm 23 von Gott als Gastgeber spricht, vertraut er ihm seine eigene Sicherheit an. Der Brauch verlangte vom Gastgeber Schutz und Sicherheit des Gastes auch vor seinen Feinden. Auch wenn die, die ihn schikanieren und verfolgen, mit ihm am Tisch sitzen, kann David frei und offen das Essen genießen. Die Wertschätzung des Gastgebers ihm gegenüber ist sein Schutz. Er salbt David mit Öl und schenkt seinen Becher bis zum Überfließen ein. In diesen Versen wechselt David in die persönliche Anrede. Er redet nicht mehr nur über Gott. Er spricht ihn direkt an. „Du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich.“ Die persönliche Beziehung zwischen Gott und Mensch macht den Unterschied aus. Gott zu kennen, das umfasst mehr, als über ihn reden zu können. Es bedeutet, mit ihm im Gespräch zu sein. Dieser Unterschied verändert den Umgang mit Sorgen und Ängsten. Wer Gott persönlich kennt, erlebt sorgenvolle Momente anders. Die Feinde sind weiterhin noch da, das Tal ist immer noch finster und die Todesangst nicht weniger schrecklich. Aber die Situation hat sich verändert: „Gott, du bist bei mir. Du bist da.“ 

Als Gottes Gäste können wir aufatmen, uns erfrischen und uns freuen. Gott ist unser Gastgeber, der uns herzlich willkommen heißt, uns versorgt und beschenkt. In seiner Gegenwart können Leib und Seele Atem holen. Gott schenkt Leben im Überfluss. Er gibt uns gute Dinge, gönnt uns fröhliche Momente und schafft schöne Augenblicke.

„Er spielt unsere Sorgen nicht runter. Stattdessen rückt er die Perspektive zurecht.“

Raumschaffer und Auf-uns-Achter

David ignoriert das finstere Tal nicht. Er blendet die persönlichen Anfeindungen auch nicht aus. Stattdessen vertraut er seinem Gott – seinem Hirten und Gastgeber. Und deswegen will er auch in seiner Gegenwart bleiben. David bekennt sich zu diesem Gott. Seine Güte und Gnade gelten jeden Tag neu. Warum sollte ein Mensch jemals nicht in Gottes Gegenwart leben wollen? Am Ende ist David sich absolut sicher: „Für immer werde ich bei meinem Herrn bleiben.“ Dieses Bekenntnis fordert jede Leserin und jeden Leser heraus. Suche ich mit der gleichen Entschiedenheit Schutz bei Gott? 

Die Bibel stellt uns im Neuen Testament Jesus als den guten Hirten vor (Johannesevangelium, Kapitel 10). Er ist der Hirte, der auf uns achtet, uns versorgt, uns führt und uns ein Zuhause gibt. Er ignoriert unsere Not nicht. Er spielt unsere Sorgen nicht runter. Stattdessen rückt er die Perspektive zurecht. Durch seinen Geist ist er bei uns, während wir unsere finsteren Täler durchschreiten. Ich glaube, wir unterschätzen die Bedeutung der Gegenwart des Heiligen Geistes in unserem Alltag. Trotz aller Probleme und Sorgen gilt: Gott ist da!