Kein Abgrund ist zu tief

Portrait

Vielen ist Corrie ten Boom ein Begriff und sie kennen die Geschichte der Frau, die vielen Juden das Leben rettete und im Konzentrationslager ihre Schwester verlor. Viele kennen auch Corries Einsatz für Versöhnung und Vergebung – angetrieben von der Liebe Gottes. Elena Eigenbrodt erinnert uns an eine Zivilcourage, die an Dringlichkeit nichts eingebüßt hat.

Die unendliche Fülle der Liebe – daraus hat Corrie ten Boom ihr Leben lang geschöpft, um anderen Menschen zu dienen. Geboren wurde sie am 15. April 1892 in Amsterdam als Tochter eines Uhrmachers. Die Arbeit ihres Vaters prägte sie tief, 1920 erlernte sie in Basel selbst den Beruf und wurde 1924 zur ersten Frau in den Niederlanden, die ein Diplom als Uhrmacherin erhielt. Nebenher ließ Corrie sich als Religionslehrerin ausbilden. Ihre Familie arbeitete schon immer engagiert in der niederländisch-reformierten Kirche mit, ein Engagement, das viele Freundschaften mit Juden mit sich brachte.

Wir sorgen für euch

Als Adolf Hitler 1940 mit grausamer Macht in die Niederlande einfiel, traf Corrie gemeinsam mit ihrer Schwester Betsie eine Entscheidung. Sie würden versuchen, so vielen Juden wie nur irgend möglich das Leben zu retten. Knapp zwei Jahre versteckten sie mehrere jüdische Familien und versorgten sie mit Nahrung und Kleidung. 1944 wurden sie von einem Kollaborateur verraten und die Gestapo stürmte das Haus. Corrie selbst und viele Mitglieder ihrer Familie wurden nach und nach festgenommen; einige konnten sich aber rechtzeitig verstecken und später fliehen.

„Damit wollte sie den anderen Mut machen, Mut und Hoffnung, daran zu glauben, dass kein Abgrund tiefer ist als die Liebe Gottes.“

Mut aus der Bibel

Gemeinsam mit ihrer Schwester kam Corrie zunächst in ein Gefängnis, später wurden sie in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Dort mussten sie mit den anderen gefangenen Frauen hart arbeiten, hatten wenig zu essen und zu trinken, kaum Kleidung. Hoffnung hatte Corrie dennoch im Gepäck. Trotz der strengen Durchsuchungen schaffte sie es, eine Bibel in das Lager zu schmuggeln, und hielt jeden Abend eine Bibelstunde mit den Frauen. In einer dieser Stunden erzählte Betsie von einem Traum, in dem Gott ihr gezeigt hatte, dass sie noch vor Jahresende aus dem KZ entlassen werden und in einem Haus Menschen aufnehmen würden, die die Qualen und Folterungen des Lagers überstanden hätten. Damit wollte sie den anderen Mut machen, Mut und Hoffnung, daran zu glauben, dass kein Abgrund tiefer ist als die Liebe Gottes. Im Dezember 1944 verstarb Betsie in Ravensbrück.

Einsatz für Versöhnung

Nur wenig später wurde Corrie tatsächlich entlassen – was sich als Irrtum herausstellte, der ihr Leben rettete. Eine Woche nach ihrer Entlassung wurden alle anderen Frauen ihres Jahrgangs ermordet. Betsies Traum hatte sich aber erfüllt: Noch vor Jahresende verließ Corrie das Lager. Geleitet vom Traum ihrer Schwester, gründete sie zwei Häuser in den Niederlanden, in denen Menschen gepflegt werden konnten, die unter dem Naziregime gelitten hatten. Auch sie selbst konnte dort Heilung erfahren und Vergebung lernen. Später machte sie sich auf den Weg um die ganze Welt, um ihre Geschichte zu erzählen. Vor allem setzte sie sich für die Versöhnung zwischen Opfern und Tätern ein – Vergebung, die nur mit Gottes Hilfe möglich war.