Er achtet auf das Herz

Inspiration

Was passiert, wenn Sorge und Angst das Denken und Handeln bestimmen, wenn der Mensch selbst da, wo ihm im Grunde Gutes versprochen ist, die Fäden selbst in die Hand nimmt und nicht auf sein Glück warten will? Frei nach dem Motto: „Ich kümmere mich lieber selbst darum, als zu warten.“ Simone Flad hat sich das am Beispiel Abrahams angeschaut und gibt Antworten.

Vielleicht kennen wir die Geschichte von Abraham hauptsächlich als Geschichte für Kinder im Kindergottesdienst. Das wäre schade, denn das, was wir über sein Leben wissen, ist eindeutig eine Geschichte für Erwachsene. Nachzulesen ist sie im 1. Buch Mose in den Kapiteln 12 bis 25. 

Gott hat Abraham direkt angesprochen und ihn mit seiner Familie und allem, was er hatte, in die Fremde geschickt. Sogar ohne ihm konkret zu sagen, wo es hingehen wird. Abraham lässt sich darauf ein, er gehorcht Gott und zeigt damit auch, dass er Gott vertraut. Die Bibel nennt das „Glaube“.  

Er klagt Gott sein Leid  

Abraham ist also in dem fremden Land unterwegs, sein Besitz vermehrt sich, er wird reich. Aber das Wichtigste fehlt: Er hat keinen Nachkommen. Gott hatte es ihm versprochen, schon gleich zu Anfang, bei seinem Auftrag, in die Fremde zu ziehen: Er würde ihn zu einem großen Volk machen (1. Mose 12,2). Aber nichts passiert. Sara, seine Frau, wird einfach nicht schwanger. Als Abraham erneut von Gott direkt angesprochen wird, klagt er Gott sein Leid: „Was will ich mit all den anderen Dingen, die du mir gibst, wenn ich doch keinen Nachkommen habe und mein Knecht alles erben wird?“ Daraufhin wiederholt Gott sein Versprechen, schließt sogar einen Bund mit ihm und macht Abraham so klar, dass nicht sein Knecht alles erben wird, sondern sein leiblicher Sohn. Abraham glaubt Gott, dass er ihm diesen Sohn schenken wird (1. Mose 15,6), wie die Bibel extra betont. Aber – es passiert wieder nichts! 

Insgesamt zehn Jahre sind vergangen, seit Gott Abraham das erste Mal versprochen hatte, dass aus ihm ein großes Volk entstehen würde. Zehn Jahre des Hoffens und Bangens, des Wartens und Vertrauens und Zweifelns. Vielleicht auch manchmal des Verzweifelns. Zehn Jahre, das ist eine lange Zeit. Außerdem ist Sara rein menschlich gesehen auch gar nicht mehr in der Lage, ein Kind zu bekommen. Und so verwundert es nicht, dass Sara Abraham mit ihrer Idee überzeugt, ihnen durch ihre Leibmagd zu dem verheißenen Erben zu verhelfen (1. Mose 16). Das erscheint uns heute vielleicht als eine abstruse Idee. Damals war das aber eine gesellschaftlich anerkannte Möglichkeit, bei Kinderlosigkeit zu einem „eigenen“ Kind zu kommen. Wahrscheinlich hielten das die meisten Menschen in ihrem Umfeld für eine gute Vorgehensweise. Abraham lässt sich jedenfalls darauf ein und hofft so, Gottes Verheißung zu ihrer Erfüllung zu verhelfen. Menschlich gesehen geht der Plan auf: Hagar, die Leibmagd Saras, wird von Abraham schwanger. Das Warten zwischen Hoffen und Bangen scheint ein Ende zu haben. Aber Hagars Schwangerschaft bringt nicht das ersehnte Glück ins Haus, sondern erstmal Streit und Eifersucht.

„Zehn Jahre des Hoffens und Bangens, des Wartens und Vertrauens und Zweifelns. Vielleicht auch manchmal des Verzweifelns. Zehn Jahre, das ist eine lange Zeit.“

Versuch der Täuschung

An anderer Stelle sind es bei Abraham die Angst und Sorge um seine Sicherheit, die ihn zu eigenen Wegen verleiten: Er ist im Ausland und hat Angst, dass ihm seine schöne Frau weggenommen und er dadurch in Schwierigkeiten kommen wird. Als vermeintliche Lösung des Problems gibt er Sara als seine Schwester aus (1. Mose 12 und 20). Seine Halbwahrheiten führen zu großen Problemen für seine Gastgeber. Als sie die Wahrheit erfahren, fühlen sie sich zu Recht hintergangen. Abraham wollte sich selbst schützen. Aber in der Geschichte wird deutlich, dass es Gott ist, der ihn und Sara schützt – auch vor den Folgen seiner eigenen falschen Wege. 

Wir kennen das vermutlich auch in unserem Leben: Warten fällt oft schwer. Vertrauen auch. Angst kann eine sehr starke Motivation sein. Es ist manchmal sehr verlockend, eigene Wege zu gehen, eine Abkürzung zu Gottes Weg mit uns zu suchen – so wie Abraham und Sara es taten. Wir haben normalerweise keine so konkrete Verheißung von Gott für unser Leben wie die beiden. Aber auch bei allgemeinen Versprechen Gottes kann es uns so gehen. Zum Beispiel mit Gottes Versprechen, für uns zu sorgen (Matthäus 6,31–33). Wie schwer fällt es uns manchmal, das wirklich zu glauben und Gott in der konkreten Situation zuzutrauen, dass er weiß, was wir brauchen. Wie schnell sind wir oft dabei, Kompromisse einzugehen, um auf der vermeintlich sichereren Seite zu sein. Eigene Wege zu gehen, um vordergründig Gottes Verheißung zu erfüllen, wobei diese Wege aber nicht mit Gottes Absichten übereinstimmen. Fakt ist: Wenn wir solche eigenen Wege einschlagen, machen wir Gott überhaupt keine Ehre. Außerdem handeln wir uns damit auch Probleme ein, die wir sonst nicht gehabt hätten. Die gute Nachricht ist, dass Gott uns damit nicht im Regen stehen lässt. Er verstößt Abraham nicht. Er steht zu seinen Versprechungen. Er sorgt für Abrahams Sicherheit. Gottes Erbarmen ist größer als das zeitweise mangelnde Vertrauen von Abraham. Die Geschichte von Abraham zeigt deutlich: Gott bleibt treu, auch wenn wir untreu sein sollten (2. Timotheus 2,13).

Gott kommt zum Ziel

Das ist nun kein Freibrief für uns, unsere eigenwilligen Wege zu gehen. Gott verwandelt unsere falschen Entscheidungen nicht einfach in etwas Neutrales oder sogar Gutes. Jeder eingeschlagene Weg hat normalerweise seine Folgen: Bei Abraham und Sara sind es Streit und Demütigungen, Anschuldigungen und gefährliche Situationen. Besonders Hagar und Sara sind die Leidtragenden. Aber Gott begegnet Hagar in ihrer Not und bleibt seinem Versprechen Abraham und Sara gegenüber treu. Sein Plan wurde durch deren Eigenmächtigkeit nicht beeinträchtigt oder gar zunichte gemacht. Er kommt trotz allem zu seinem Ziel! Das ist eine wirklich gute Nachricht! Bonhoeffer drückte es einmal so aus: „Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist mit ihnen fertig zu werden als mit unseren vermeintlichen Guttaten“.

„Das ist nun kein Freibrief für uns, unsere eigenwilligen Wege zu gehen. Gott verwandelt unsere falschen Entscheidungen nicht einfach in etwas Neutrales oder sogar Gutes.“

Gottes Handeln mit Abraham zeigt, dass er auf das Herz achtet. Wenn wir Gott lieben, ihm grundsätzlich vertrauen und seine Wege gehen wollen, dann gilt sein Versprechen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen (Römer 8,28) – auch wenn wir manchmal aus mangelndem Vertrauen und Angst unsere eigenen Wege gehen und Entscheidungen treffen, die sich als falsch oder nicht hilfreich erweisen. Er ist treu! Darauf können, dürfen und sollen wir uns verlassen.