Eine Frage des Geistes
Motivation
Für Christen ist das eine recht gängige Frage: Wes Geistes Kind bist du? Michael vom Ende hat sich dazu mit Worten von Paulus beschäftigt und fragt, wie sie ihren Sitz im Leben finden können. Das mit dem Geist ist ja alles gut und schön, meint er. Was aber, wenn Gott nicht so wirkt, wie Mensch das meint? Das Resümee dazu ist klar und eindeutig.
Es ist ruhig in der Wohnung, ich bin alleine. Draußen ist es trüb, neblig und nasskalt. Ich fühle mich nach der nächtlichen Zeitumstellung um eine Stunde beraubt. Es ist Ostermorgen im März 2024. Und ja, eigentlich ein Tag des Jubels, der Freude und der Hoffnung! Aber: Vorgestern habe ich ein Konzert meines Freundes Arne Kopfermann miterlebt. Er hatte nach dem Verlust seiner Tochter durch einen Verkehrsunfall in einem Klagelied folgende Zeilen geschrieben: „Wenn mir die Sonne nicht mehr scheint, weil selbst der Himmel mit mir weint – such ich meine Zuflucht in dir. Wenn mir der Blick verhangen ist, die Welt scheint farbenleer und trist – such ich meine Zuflucht in dir.“ Jetzt denke ich an einen guten Freund, den ich gerade erst zur letzten Ruhe geleitet habe, viele Menschen mit ihren (schweren) Geschichten gehen mir durch Kopf und Herz, die aktuelle Lage in unserem Land und unserer Welt drückt mich schwer. „Wenn mir der Blick verhangen ist, die Welt scheint farbenleer und trist …“ So fühle ich mich und stehe vor den Worten von Paulus: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Timotheus 1,7)
Wo ist die gesunde Mitte?
Zwischen „verhangenem Blick“ und „kraftvoller Geistesfülle“ – sind das die zwei Pole eines Menschen, der Gott vertraut und zu ihm gehört? Ja, das sind sie! Wo aber ist die gesunde Mitte, wie finden wir zu einem Leben, das Gott ehrt, uns motiviert und unseren Nächsten hilft? Vor langer Zeit schon hat der Apostel Paulus als „alter Hase“ Timotheus, seinem Zögling, Freund, Mitchristen und Schützling, bei der Antwort auf diese Frage geholfen. Der Völkermissionar Paulus, selbst wegen seines Wirkens im Gefängnis, hat den baldigen Tod vor Augen. Er hat viel durchgemacht in seinem Leben und Glauben. Er kennt beide Pole gut, zwischen denen sich die Christen bewegen. Und er kennt die Geschichte des Timotheus und die seiner Vorfahren, seine Stärken und seine Schwächen. Deswegen kann er ihn gezielt ansprechen – und nicht mit allgemeinen Lehrsätzen bombardieren. Gut, solch einen Ermutiger zu haben!
Die Größe der Furcht
Die Frage des Geistes entscheidet über ein gesundes, ausgeglichenes Leben als Christin und Christ. Welchen Geist gibt uns Gott – und welchen nicht? Gott gibt uns nicht den Geist der Furcht. Den braucht er uns nicht zu geben, den haben wir schon selbst. Das ist der Geist, der in jedem von uns wohnt. Die Größe der Welt und ihre Herausforderungen halten ihn lebendig. Die Größe des Lebens und seine Höhen und Tiefen nähren ihn mit jeder Unwägbarkeit und Unsicherheit. Die Größe der Furcht ist bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt, aber sie ist bei jedem da. Wir fürchten uns, etwas falsch zu machen. Wir fürchten uns vor den Folgen der Entscheidungen, die wir fällen. Wir fürchten uns vor allem, was unberechenbar ist. Diesen Geist nutzt auch Gottes Gegenspieler, der Teufel, als natürliche Plattform, um uns und unser Leben durcheinanderzubringen.
„Die Frage des Geistes entscheidet über ein gesundes, ausgeglichenes Leben als Christin und Christ. Welchen Geist gibt uns Gott – und welchen nicht?“
Glauben und Leben
Diesem Geist setzt Gott etwas Mächtiges entgegen, seinen Geist. Es ist also eine Frage des Geistes, der über unseren Glauben und unser Leben entscheidet. Gottes Geist ist ein Geist der Kraft. Damit ist nicht zuerst Muskelkraft, mentale Stärke oder eine besondere Führungsqualität gemeint. Sondern eine Kraft von Gott, die hilft, zu glauben, zu hoffen, zu lieben und zu leben. „Dynamis“ ist das Wort, das der Theologe Paulus gebraucht, eine Kraft, die sich aus Gottes ewiger Zuwendung zu uns speist. Eine Kraft, die übermenschlich ist, uns Durchhaltevermögen gibt und Wunder erleben lässt.
Er ist ein Geist der Liebe. Damit sind nicht zuerst menschliche Zuwendung zu liebenswerten Menschen, sexuelle Aktivitäten oder die Fähigkeit, den Moment zu genießen, gemeint. Sondern ein kämpferischer Einsatz für eine Sache oder einen Menschen, der unabhängig davon ist, ob es verdient oder gewinnbringend ist. „Agape“ ist das Wort, das der Theologe Paulus gebraucht, eine Liebe, die ihre Kraft fortwährend aus der unauslöschlichen Liebe von Gott zu uns speist. Und nicht zuletzt ist er ein Geist der Besonnenheit. Damit ist nicht die verzögerte Handlung gemeint, die sich erst nach Abwägung aller Aspekte zu einer Entscheidung durchringt. Man kann auch übersetzen mit Verständigkeit, Zucht oder Selbstbeherrschung. „Sophrosyne“ ist das Wort, das der Theologe Paulus gebraucht, eine Besonnenheit, die auf die Dinge schaut, wie Gott sie sieht, und dementsprechend handelt.
Es ist eine Frage des Geistes, der über unseren Glauben und unser Leben bestimmt. Gott gibt diesen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Das Kennzeichen einer Christin oder eines Christen ist, dass sie oder er diesen Geist von Gott bekommt. So weit, so gut. Aber was ist, wenn dieser Geist nicht sichtbar oder wirksam wird?
Lass dich erinnern und erinnere andere! In dem zitierten Briefauszug fängt es damit an, dass Paulus seinen Zögling erinnert: „Darum erinnere ich dich daran.“ Paulus hilft Timotheus, den Schatz zu sehen, den Gott in ihn gelegt hat.
Lass dich verpflichten und verpflichte andere! Paulus schreibt: „Erwecke das Geschenk Gottes, das in dir ist. Schäme dich nicht für Christus und für mich. Leide mit für das Evangelium.“ Paulus hilft Timotheus, die Aufgabe anzunehmen, die aus dem Geschenk entsteht. Christin oder Christ zu sein ist kein Ponyhof, sondern wirklicher Einsatz.
Lass dich ermutigen und ermutige andere! Paulus ermutigt Timotheus und uns: „Er hat uns gerettet; mit einem heiligen Ruf hat er uns gerufen.“ Eine starke Grundlage. Das ist gut, immer wieder zu hören, in einem Gottesdienst oder im Gespräch mit anderen Christen.
Manchmal ermutigt auch ein Gebet, wenn der Geist der Furcht kommt. So endet das eingangs erwähnte Klagelied von Arne Kopfermann: „Breite deine Flügel aus, schütz mein wundes Herz. Breite deine Flügel aus, mein Tröster, mein Helfer, mein Gott.“ Amen! So kann ich meinen Platz zwischen den zwei Polen finden, wenn der Geist Gottes, der Tröster, mich beschützt.
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