Super für den Lebenslauf
Reflektion
Sie hat sich viel mit sich selbst auseinandergesetzt und damit, was ihr Wunden schlug. Nicht als lähmenden Ausdruck übergroßen Selbstmitleids, sondern als dynamischen Motor für hilfreiche Wachstumsschritte. Evi Rodemann musste ihren Weg zu sich selbst erst finden und weiß: nicht alles, was sich gut in der Vita macht, ist auch gut für die Seele.
Tadaaaaa, hier bin ich! Reingeplumpst ins Leben, und ich habe alles und allem voran mich selbst unter Kontrolle! Ich bin selbstbestimmt und bei mir total zuhause.“ Oh, wie schön wäre das denn! Ein kleiner freundlicher Zaubertrick, etwas positive Magie, ein kurzes Gebet, keine Abkürzung oder Sackgasse und ich wäre bei mir selbst angekommen, wüsste, wer ich bin und wozu ich lebe.
Die beiden wichtigsten Tage
Wem mache ich etwas vor? Wahrscheinlich mir selbst am meisten. Immer wieder wird einem zugesprochen: „Achte auf dich, das Leben ist kein Spaziergang, sondern ein Marathon“. Und genauso fühlt es sich auch an. Um bei mir selbst daheim zu sein, benötigt es Zeit. Um mich selbst zu entdecken, braucht es besonders Menschen, die mir das zusprechen, was Gott über mich denkt und wozu er mich auf dieser Erde vorgesehen hat. Ein Satz von Mark Twain bewegt mich immer wieder: „Die beiden wichtigsten Tage deines Lebens sind der Tag, an dem du geboren wurdest, und der Tag, an dem du herausfindest, warum.“ Beim ersten habe ich nichts dazu getan, für den zweiten kann ich etwas dazu tun.
Wie war es bei mir? Schon als Zehnjährige machte ich auf einer Konferenz fest, dass ich fortan mit diesem Jesus leben wollte. Ich war christlich aufgewachsen, lernte aber, dass es eine ganz persönliche Entscheidung benötigt, selbst mit Jesus unterwegs zu sein und ihm zu folgen, wo auch immer er mich hinführen würde. Jeder von uns weiß oder ahnt, diese Nachfolge wird immer wieder auf die Probe gestellt. Glaube ich an Jesus allein, oder nebenbei auch noch an etwas anderes? Kann mich diese Beziehung glücklich machen, und trägt dieser Glaube auch durch Zweifel und Niederlagen hindurch?
„Die beiden wichtigsten Tage deines Lebens sind der Tag, an dem du geboren wurdest, und der Tag, an dem du herausfindest, warum.“
Die Kinder sind zu dumm
In der 6. Klasse kam mein Englischlehrer auf meine Mutter zu und sagte über mich und meine Zwillingsschwester: „Ihre Kinder sind zu dumm und gehören auf eine Sonderschule“. Das war für meine Eltern dramatisch. Gerade weil mein Vater selbst Sonderschullehrer war und wir das Umfeld durch etliche Besuche dort kannten. Aufgrund dieser Prognose bekamen wir über etliche Jahre Englischnachhilfe, aber was viel wichtiger war, unsere Eltern entschieden sich, dass dieser Lehrer mitsamt seinen Worten nicht die Macht über uns bekommen sollte, uns zu definieren.
Vielleicht war das eine der wichtigsten Lektionen aus meiner Kindheit, nämlich dass nur Gott uns definieren und begrenzen darf, aber nicht Menschen. Und wenn man Menschen zur Seite gestellt bekommt, die an einen glauben, kann das Berge versetzen. Dass ich mein gesamtes theologisches Studium in Englisch genossen habe, ist solch ein versetzter Berg.
Ich weiß, was ich will
Wozu lebe ich? Mit dreiundzwanzig Jahren schrieb ich mein persönliches Mission Statement, wozu ich lebe und was ich glaube, dass Gott sich von mir wünscht. Das hat mir so oft geholfen, wenn es darum ging, wer ich bin und welche Rollen zu mir passen. Wenn die Arbeit so gar nichts mit jungen Menschen oder Leitenden zu tun hatte, hat sie mich wenig interessiert. Natürlich gab und gibt es Situationen, wo ich etwas zugesagt habe, weil ich mich entweder überreden ließ oder sich doch Gedanken einmischten wie, „das wäre super für deinen Lebenslauf“, „damit erlebst du einen Durchbruch, oder dein Impact vergrößert sich…“. Wenn ich diesen Gedanken nicht nur Raum gab, sondern darauf auch Taten folgten, habe ich es so gut wie immer bereut. Dann wurde ich gestresst, unruhig, übernahm mich, und so manches Mal folgten darauf auch Tränen der Reue. Es fühlt sich blöd an, irgendwo hingehen zu müssen und zuzugeben, dass man ein Amt oder eine Aufgabe zurückgeben möchte, weil jemand anderes viel besser dafür geeignet wäre oder weil die eigene Herzenseinstellung einfach nicht stimmt. Aber lieber sich einmal mehr demütigen als im Chaos zu enden und sich selbst dabei zu verlieren. Je älter ich werde, umso besser erkenne ich diese leise Stimme des Herzens, die mich hinterfragt, meine Motivation abcheckt und mir zuflüstert, „Evi, du bist gut genug. Sei einfach du selbst. Genau das hat Gott gewollt“.
„Kürzlich sagte eine Referentin in einem von mir angebotenen Training, „die einzige Person, mit der du dich vergleichen darfst, ist deine Person von gestern“. Das saß! Und was für ein Perspektivwechsel.“
Dieses Ankommen bei mir selbst ist ein Prozess und enthält immer auch längere Phasen davon, mehr in mir zu ruhen und weniger davon, anderen etwas beweisen zu müssen. Phasen von immer mehr die Stimme Gottes zu erkennen und anderen oft negativen Stimmen weniger Folge zu leisten. Darauf baut sich dann eine weitere Schicht meiner Identität auf, die mehr und mehr bei sich selbst ankommt, im innersten Kern meiner Selbst. Das fühlt sich manchmal wie eine Schatzsuche an, ist vielleicht auch unbequem und konfrontiert mich mit meinen eigenen Ängsten, etwas zu verpassen oder übersehen zu werden. Doch das Ziel vor Augen, zu wissen, dass ich ein geliebtes Kind Gottes bin und dass keine Leistung etwas über mich selbst aussagt, noch mich definiert, macht mich zu einem glücklichen Menschen, der sich freut, gerade bei sich selbst zu wohnen und nicht woanders.
Mein persönlicher Perspektivwechsel
Ich möchte nicht als Kopie leben. Um bei mir anzukommen und auch wohnen zu bleiben, benötigt es eine tägliche Entscheidung zu Gott und mir selbst. Viel zu oft noch erlebe ich, dass ich eher bei anderen zuhause bin als bei mir selbst. Dass ich mich mit anderen vergleiche. Jetzt bin ich auch noch als Zwilling geboren worden und musste lernen, wer ich bin und wer meine Zwillingsschwester ist. Wo ähneln wir uns und wo sind wir auch völlig verschiedene Menschen? Ich bin ein guter Generalist. Ich kann vieles gut, aber wenig sehr gut. Das finde ich meistens spannend, aber wenn ich dann Menschen begegne, die eine Sache so richtig gut können und damit sogar erfolgreich werden, dann hinterfrage ich mich oft und werde manchmal auch von Neid geplagt. Kürzlich sagte eine Referentin in einem von mir angebotenen Training, „die einzige Person, mit der du dich vergleichen darfst, ist deine Person von gestern“. Das saß! Und was für ein Perspektivwechsel. Weg von den anderen Menschen, denn ich will ja wahrlich nicht als Kopie von jemand anderem leben (und das gelingt ja leider auch nur schlecht) und hin zu mir und meinem Wachstum. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, staune ich oft, wie Gott mir begegnet ist, gerade auch in meinen Krisen, und mich geformt, ihm ähnlicher gemacht und dabei mich selbst mehr zu der Person hat werden lassen, die ich sein soll. Ich bin nicht nur Evi, sondern ich soll auch Evi sein. Und genau das steht uns Menschen doch so gut, wenn wir wir selbst sind und Heimat in uns finden.
Evi Rodemann lebt im Großraum Hamburg und arbeitet als Theologin und Eventmanagerin. Sie engagiert sich in der internationalen Arbeit der Lausanner Bewegung und der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) sowie in ihrem neu gegründeten Verein „LeadNow“. evirodemann.com
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