Ich hatte Lust auf Fischstäbchen

Kolumne

Zugegeben. Man muss schon den ganzen Artikel lesen, um den Sinn der Überschrift zu begreifen. Dann aber erschließt er sich einem so tief, dass allein der Duft aus der Küche ausreicht, um unsere Herzen und Seelen zu verorten. Heimat. Zuhause. Daheim. Woran erkennen wir, dass wir da angekommen sind? Von Dr. Peter Tauber.

„Home is where the heart is.“ lautet ein englisches Sprichwort. Heimat ist aber für viele Menschen ein fester Ort, ein Platz, zu dem sie zurückkommen. Heimat sind oft auch bestimmte Menschen, die uns Geborgenheit schenken. Das Herz und die Heimat gehören zusammen und machen uns auch deutlich: Wir sprechen über ein Gefühl, über uns selbst. Heimat ist kaum rational greifbar. Gerade deshalb lohnt sich das Nachdenken, weil es eben nicht die eine für jeden gültige Definition von Heimat geben kann. Was fällt mir bei dem Begriff ein?

Wir sprechen über Gefühle

Neulich hatte ich Lust auf Fischstäbchen. Ich hätte mir auch ein gutes Stück Fischfilet kaufen können. Aber der Geschmack der Fischstäbchen ist verbunden mit Erinnerungen. Erinnerungen an meine Kindheit. Und es sind ausschließlich gute Erinnerungen. Ich hatte wahrscheinlich nicht so sehr Lust auf Fischstäbchen, sondern mehr auf das Bedürfnis nach diesem Gefühl von Geborgenheit. Ich bin mir sicher, Sie wissen, was ich meine. Es ist genau das Gefühl, um das es hier geht. Heimat ist auch ein Gefühl. Wenn ich aus dem Norden oder Osten der Republik nach Hause, nach Gelnhausen komme, dann gibt es am Distelrasen eine Bergkuppe. Wenn ich dort mit dem Auto hinüberfahre, dann denke ich jedes Mal ganz unwillkürlich: „Jetzt bin ich zuhause.“ Noch einmal mehr gilt das, wenn ich die Türme der Marienkirche, die den Blick auf Gelnhausen prägen, sehe. 

Ich habe eine leise Ahnung, dass die Idee hinter dieser Kolumne mit meinen bisherigen Beispielen noch nicht unbedingt hinreichend beschrieben ist. Und denke noch einmal nach, länger als sonst, intensiver. Dann fällt es mir ein. Heimat steht für den Ort, der uns Schutz gewährt, wo wir zur Ruhe kommen können, an dem es nach Fischstäbchen schmeckt, wo wir verstanden werden, wo man uns annimmt, so wie wir sind. Ich wünsche Ihnen, dass Sie solche Orte und die dazu gehörigen Menschen haben.

Wir sprechen über Menschen

Heimat ist etwas, das es zu schützen gilt. Das beginnt – man kann gar nicht anders, als es dieser Tage so offen zu sagen – bei einer gewaltsamen Bedrohung, bei Krieg oder Terror. Heimat muss verteidigt werden. Wir ahnen: Das hat einen Preis. Soldatinnen und Soldaten setzen ihr Leben ein zum Schutz der Heimat. Wir sehen das in den dramatischen Bildern aus der Ukraine. Soldaten der Bundeswehr setzen sich dieser Tage vielleicht anders als vorher damit auseinander, dass genau das auch ihr Auftrag ist. Die Polizei hat einen ähnlichen Auftrag. Der Schutz unserer Wohnung, unserer körperlichen Unversehrtheit ist ein hohes Rechtsgut. 

Ein anderes englisches Sprichwort lautet „My home is my castle.“ Unser Haus, unsere Wohnung in unserer Heimatstadt, ist ein Ort, an dem wir in der Regel Ruhe und Kraft schöpfen. Wir versichern unser Heim gegen Schäden und sogar gegen Katastrophen. Und wir pflegen es. Wir renovieren regelmäßig. Wir kaufen uns eine neue Küche, und ab und an müssen die Vorhänge in die Reinigung. Der Flur wird gekehrt, oder die Straße. Wir haben eine Vorstellung, welche Ordnung es braucht, damit wir uns gut und behütet fühlen. Im Winter sind es Kerzen, und im Sommer vielleicht der Liegestuhl auf dem Balkon oder der Terrasse. Wir verwenden also ganz schön viel Kraft, damit ein Ort für uns zur Heimat wird. 

„Um Kraft zu schöpfen, da brauchen wir ein Zuhause.“

Wir sprechen über Zuwendung

Doch auch Menschen geben uns Heimat. Behandeln wir sie mit derselben Fürsorge und Aufmerksamkeit wie unser Heim? Ich fühle mich ertappt. Liegt es daran, dass der Umgang mit Menschen, gerade wenn sie uns etwas bedeuten, auch schwierig sein kann? Wir erleben Enttäuschung, wir sind bisweilen überrascht, wir müssen Abschied nehmen, von vertrauten Gewohnheiten und Begegnungen oder Berührungen. Manchmal ist der Grund hierfür, dass wir achtlos waren. Wir haben nicht wertgeschätzt, was wir haben. Und nicht verstanden, dass vieles in unserem Alltag, was uns Heimat gibt, nicht selbstverständlich ist. Um das, was uns etwas bedeutet, zu schützen und zu bewahren, müssen wir uns Mühe geben. Das gilt doch umso mehr, wenn wir damit eine lebende Seele, einen Menschen, der uns nahe ist, beschreiben. Wir brauchen Achtsamkeit. Wir müssen etwas zurückgeben. Beziehungen und Menschen bedürfen genauso der Pflege wie ein Ort, an dem wir uns heimisch fühlen, der uns Geborgenheit gibt. Sie brauchen in Wahrheit sogar mehr Pflege und Zuwendung. 

Wir sprechen über Kraft

In der Bibel ist das Wort Heimat nicht sonderlich häufig zu finden. Gleichwohl nimmt im Alten Testament die 40-jährige Wanderung des jüdischen Volkes von Ägypten ins „gelobte Land“ breiten Raum ein. Das Ziel ist klar: Nach Hause geht’s. Anders ist das mit dem Haus, dem Zuhause. Ganz oft widmet sich die Bibel diesem Thema. Im Lukas-Evangelium ermahnt Jesus uns, das Haus, die Wohnung eines jeden Einzelnen zu schützen, zu respektieren. Er sagt: „Wo ihr in ein Haus kommt, da sprechet zuerst: Friede sei in diesem Hause!“ (Lukas 10:5-7). Wohl immer geht es Jesus um die Menschen. Die Beziehungen nicht nur zu Gott, sondern zwischen den Menschen, die beschäftigen ihn immer wieder. Wir haben also eine Beziehung zu dem, der uns Heimat gibt. In Psalmen und Gebeten geht es immer wieder genau darum. 

Wir Menschen sind unruhige Geister. Viele von uns sind ihr Leben lang auf der Suche. Vielleicht macht uns das auch aus. Aber um Kraft zu schöpfen, da brauchen wir ein Zuhause. Wir müssen ausruhen, uns orientieren. An einem Ort, mit einem anderen Menschen. Manche verlieren diese Heimat. Ich wünsche Ihnen, dass Sie angekommen sind. Ich wünsche Ihnen, dass das, was Ihnen Heimat ist, Bestand hat. Aber noch mehr wünsche ich Ihnen, immer wieder anzukommen und etwas und jemanden zu Ihrer Heimat zu machen. Wir müssen zum Glück nicht alleine suchen. Gott schützt uns auf diesem nicht immer leichten Weg. „Du bist mein Schutz und mein Schild; ich hoffe auf dein Wort.“ (Psalm 119, 114)

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