Die unbekannte Welt

Reisebericht

Dass sie nicht nur die Abenteuerlust treibt, spürt man schnell. Sie will bekannte Sicherheiten aufgeben, um bewusste Abhängigkeit zu gewinnen. Lina Bauer machte sich auf den Weg in eine ihr unbekannte Welt, um dort den ihr wohlbekannten Gott neu zu entdecken. Dabei spielen Vertrauen und Zukunftsperspektive eine wesentliche Rolle für die persönliche Entwicklung.

Obwohl ich schon in einigen europäischen und zentralasiatischen Ländern unterwegs war, soll diese Reise eine neue Herausforderung werden. Zum ersten Mal richtig weit weg vom sicheren Zuhause. Aufgewachsen bin ich nämlich in einem behüteten, russlanddeutschen Umfeld, dessen wichtigster Lebensmittelpunkt die Familie ist. Die Entscheidung, nach meiner Ausbildung als Mediengestalterin auf unbestimmte Zeit ins Ausland zu gehen, war für meine Umgebung etwas Fremdes, das ich ihr erst mal als zukunftsweisende Erfahrung näherbringen musste. Bevor ich voller Vorfreude in den Flieger steigen konnte, habe ich mich mit meinem Reiseziel gründlich auseinandergesetzt und mit Menschen ausgetauscht, die im südostasiatischen Raum unterwegs waren. Die Erzählungen waren wunderbar, und meine Ansprüche hoch – traumhafte Strände, warme Temperaturen, kulinarische Genüsse, Kultur pur und gastfreundliche Menschen. Auch die Aufnahmen auf Instagram durch meine Lieblingsreiseblogger haben ein großes Stück zu meiner Euphorie beigetragen. 

Nix da, mit Kultur und pur

Dass diese Annahmen etwas naiv waren, musste ich bereits nach einigen Stunden im Land feststellen. Zwar war das Hotel, in dem wir coronabedingt die ersten Nächte verbringen mussten, wirklich hübsch, aber die Umgebung für einen Westler, sagen wir mal, ungewohnt und zu stark vom Tourismus gelenkt. Also Kultur pur gleich Fehlanzeige. Dafür jedes zweite Wort „Taxi, Taxi“. Etwas ernüchtert, aber mit immer noch ausreichend Neugier, klapperten wir alle wichtigen Plätze dieser Insel ab: Die schönsten Buchten, Essensverkaufsstände an den Straßen, Aussichtspunkte, und wir machten den Trip zum Big Buddha, der mit einer Dschungelwanderung einherging, die es in sich hatte. Und weil der erste Eindruck des Landes nicht gerade positiv war, kam kurz darauf - unerwartet und viel zu früh - dieses unangenehme Gefühl in der Magengegend auf: Heimweh. Laut Wissenschaft gibt es verschiedene Phasen von Unterwegssein: Erstens: Die Flitterwochenphase, in der alles aufregend und großartig erscheint. Zweitens: Die Ablehnungsphase oder der Kulturschock, in der die Unterschiede im negativen Sinne auffallen, und drittens: Die Anpassungsphase, in der man anfängt, die Kultur zu akzeptieren. Da ich Veränderungen vom ersten Moment an schwer ertrage, ist dieses Prinzip nicht vollständig zutreffend. Für diese Reise habe ich mich aber bewusst entschieden, somit muss ich auch unangenehme Situationen aushalten können. Raus aus der Komfortzone, rein ins Wachstum.

„Die Erzählungen waren wunderbar und meine Ansprüche hoch – traumhafte Strände, warme Temperaturen, kulinarische Genüsse, Kultur pur und gastfreundliche Menschen.“

Wir mussten lange suchen

Die Kommunikation ist eine der größten Herausforderungen. Obwohl ich davon ausgehe, deutlich Englisch zu sprechen, kommt bei den Thailändern zum Teil etwas völlig anderes an. Umgekehrt ist es ähnlich, da Thailänder durch ihren starken Akzent schwer zu verstehen sind. Und da Thais kulturbedingt nicht ihr Gesicht verlieren wollen, erzählen sie lieber irgendetwas als zuzugeben, dass sie etwas nicht wissen oder falsch liegen. In solchen Momenten fehlt mir dann manchmal die direkte Art der Deutschen. Dass es im Land des Lächelns nicht so zuverlässig zugeht wie in Deutschland, merkt man allerspätestes beim Busfahren. Denn mit dem Bus ist es wie mit Russisch-Roulette. Dass der erste Bus kommt, ist unwahrscheinlich, und in der prallen Sonne bei 33 Grad und 77 % Luftfeuchtigkeit zu warten, ermüdend. 

Heimweh ade!

Während unseres Aufenthalts auf Phuket wechselten wir mehrfach die Unterkunft und, um nach zwei Wochen mal wieder unter Menschen zu kommen, buchten wir ein kleines Hostel in Phuket Old Town. Mit neuer positiver Energie und 15 Kilogramm Gepäck suchten wir das Hostel, das auf Google Maps nicht aufzufinden war. Nachdem wir es endlich, nach einer halben Stunde rumlaufen, gefunden hatten, stellten wir fest, dass es verlassen war. Gott sei Dank gab es genau gegenüber ein kleines Hotel, das noch für 5 Euro die Nacht ein sauberes Zimmer mit allem Nötigen zur Übernachtung frei hatte. Solche Erlebnisse sind zunächst beängstigend, doch man lernt damit umzugehen. Die Stadt Phuket ist, nach weniger einladenden Orten auf der Insel, eine willkommene Abwechslung. Detailreiche sino-portugiesische Architektur, stylische Restaurants, Cafés und bunte Häuser, die als Fotohotspots dienen, prägen das Stadtbild. Kleine Geschäfte mit typisch thailändischen Produkten geben mir erstmalig das Gefühl des Reisens außerhalb vom Tourismus, und ich genieße es in vollen Zügen. Nach zwei Wochen Phuket und einem Zwischenstopp in Koh Phangan ging es anschließend auf die Insel Koh Tao, welche für ihre tropischen Korallenriffe, Walhaie, Rochen und Schildkröten bekannt ist. Die einstündige Fahrt mit dem Katamaran war zwar nichts für schwache Mägen, aber - wie sich später herausstellte - absolut lohnend. Auf Koh Tao ist echtes Inselfeeling garantiert. Unfassbar weltoffene Menschen, atemberaubende Strände, Tauchschulen und inseltypische Infrastruktur schaffen eine unverwechselbare Atmosphäre. Das ist Thailand, wie ich es mir in meinen Vorstellungen ausgemalt habe. Spätestens in diesem Moment hat sich mein Heimweh aufgelöst und in pure Glücksgefühle verwandelt.

Mal seh‘n, was kommt

Wie lange wir in Thailand verweilen und was unser nächstes Reiseziel sein wird, ist ungewiss, aber die ersten Gedanken kreisen schon darum. Gedanken des Vertrauens und des Vorangehens. Geistlich bedeutet es, die Kontrolle an Gott abzugeben, mich von ihm formen zu lassen und seinem Plan für mich zu vertrauen. Einem Plan, der nicht immer meinen Erwartungen entsprechen wird, mir aber zum Besten dient. Genau das liebe ich an dieser Reise – Sicherheiten aufgeben und mich in Gottes Hände fallen lassen. Wo mein Platz in dieser Welt ist und wo ich mich daheim fühle, habe ich noch nicht herausgefunden, aber das Reisen wird mir bei meiner Suche nach der Antwort helfen. Ich werde nach dieser Reise kein vollständig anderer Mensch sein, aber ein Mensch mit einem viel weiteren Horizont, und das ist jede bittere Zeit wert.

Lina Bauer, 24, hat bei NEUES LEBEN e.V. eine Ausbildung als Mediengestalterin absolviert. Sie schätzt Ästhetik und reist Low Budget, mit Kamera im Gepäck, um die Welt.  

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