Medien. Kompetent. Nutzen.
Appell
Die Welt wird digitaler und Menschen verbringen zunehmend Zeit online. Dort informieren sie sich, interagieren mit ihren Freunden und treffen Entscheidungen. Wohin gehe ich am Wochenende, welche geistlichen Angebote nehme ich an? Das war schon vor der Pandemie so. Benedict Hoyer meint, das geht in Ordnung. Und schiebt nach, worauf es dabei ankommt.
Facebook hatte 2019 weltweit 2,5 Milliarden Nutzer und bereits 79% aller Deutschen Internetnutzer verwenden WhatsApp1. YouTube, Instagram und TikTok nehmen gerade bei jungen Menschen einen wichtigen Stellenwert im alltäglichen Leben ein. Tendenz steigend. Was macht das mit uns? Wenn man Diskussionen bei Facebook verfolgt, wie dort miteinander umgegangen wird – und man sich überlegt, wie unsere Gesellschaft aussehen würde, wenn sich Menschen so auf offener Straße verhalten würden, dann hätte man doch Lust auszuwandern, oder?
Chancen und Risiken
Kritik an neuen Medien ist nichts Neues. Schon Platon warnte vor der Schrift als Medium. In den 50er Jahren haben Medienkritiker wie Theodor W. Adorno vor Massenmedien gewarnt und sie mit dem Begriff der „Kulturindustrie“ als Werkzeug der Verdummung und Manipulation einer Gesellschaft dargestellt2. Auch heute ist die Position des „Kulturpessimismus", wie die medienkritische Perspektive in der Forschung genannt wird, besonders stark verbreitet3. Und Risiken gibt es – gar keine Frage. Von Datenschutzthemen, zweifelhaften Inhalten bis hin zu Mediensüchten und Isolation.
Doch demgegenüber stehen Forschungsergebnisse, welche die positiven Auswirkungen von Medienkonsum sehen. Und das sind nicht wenige. Gerade in Zeiten der Corona Pandemie erleben viele Kirchengemeinden durch ein Livestream - Angebot ihrer Gottesdienste eine Explosion der Zuschauerzahlen. Auch bei Menschen, die sonst keine Kirchgänger waren. Medien haben auch viele Chancen! Millionen von Menschen können über Social Media erreicht und für gute Botschaften gewonnen werden. Mit allen Chancen und Risiken. Sie sind da, werden bleiben und weder Politik noch Qualitätsjournalismus werden uns die Aufgabe abnehmen, mit Informationen und Eindrücken in der digitalen Welt umzugehen.
Bildungsniveau und Medienkompetenz
Also was tun? Medien verteufeln, sich Augen und Ohren zuhalten und versuchen die Kinder zu verstecken? Welche Motive stecken hinter unseren Handlungen in Deutschland? Ich erkenne Vorsicht, Sorge und Vermeidung. Was mir überhaupt nicht gefällt ist das Misstrauen, das den Menschen, Jugendlichen und jungen Erwachsenen entgegengebracht wird. Denn man traut es ihnen nicht zu, dass sie mit dieser Herausforderung umgehen können. Man muss sie ja schützen, ihnen die Medien verbieten, weil sie dieser Herausforderung ja sonst als hilflose Opfer gegenüberstehen. Aber das stimmt nicht! Selbst der bereits zitierte Medienkritiker Theodor W. Adorno erkannte eine Lösung: Das Thema Medienkompetenz. Ein Begriff, den Diether Baake vor allem in den 1990er Jahren für die Forschung fruchtbar gemacht hat. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Medienmündigkeit. Studien zeigen klar, dass bei höherer Medienkompetenz und Bildungsniveau die manipulative Kraft von Medien abgeschwächt wird. So sind Menschen mit geringerem Bildungsniveau für Werbung empfänglicher als Menschen mit hohem Bildungsniveau. Risiken werden kleiner, Chancen werden größer. Der Medienpsychologe Daniel Süss fordert daher: „Die Förderung verantwortungsvoller Mediennutzung sollte möglichst früh beginnen.“4
„Für einen Stundenlohn von 4 DM habe ich schon bei diesem ersten Job etwas entdeckt, was sich durch mein ganzes Berufsleben wie ein roter Faden zieht. Ich hatte damals noch kein Wort dafür, doch etwas hat mich angezogen: Die Sinnhaftigkeit.“
Salz und Licht
Ebenfalls muss man sich „moralische Werthaltungen erarbeiten, um von medialen Gewaltdarstellungen oder Pornographie nicht negativ beeinflusst zu werden“5. Das setzt zwangsläufig die Beschäftigung mit positiven Medien voraus! Laut der UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder ein Recht auf entwicklungsförderliche Medien6. Sie sollen Anregungen zur Auseinandersetzung mit Wertfragen enthalten und damit die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit fördern. Aber woher kommen diese „positiven Medien“? Wie können wir es als christliche Wertegemeinschaft verantworten, den Prozess der Wertebildung durch Medien nur anderen zu überlassen? Wer produziert solche Medien? Wer macht die Menschen fit im Umgang mit Social Media? Die christliche Wertegemeinschaft hängt in digitalen Medienfragen leider viele Jahre hinterher. Wie war das doch gleich mit dem Sauerteig? Sind Christen nicht das Salz und das Licht der Welt? Mit welchem Geist nähern wir uns dieser medialen Herausforderung? Einem vermeidenden, furchtsamen – oder einem besonnenen?
Werte und Aufgabe
Vielleicht ist die Corona-Krise die Chance für uns Christen, aufzuholen und dieses Feld für uns einzunehmen. Medienkompetenz ist die Schlüsselkompetenz unserer Zeit. Medienmündige Menschen können wertegeleitet Kultur in digitalen Räumen prägen, ihren Kindern helfen, selbstbestimmt diese Medien zu nutzen und ihnen die Chancen dieser Kanäle erschließen. Kinder sind, wenn sie ein Wertefundament haben und medienkompetent erzogen wurden, keine der Manipulation der Medien ausgelieferten Wesen. Wir als Wertegemeinschaften könnten statt unserem Misstrauen und unseren Sorgen unseren Kindern auch diese Herausforderung zutrauen und sie ermutigend unterstützen. Und gemeinsam können wir eine Aufgabe in der Gesellschaft übernehmen: nämlich diese neue Welt – mit all ihren Risiken – mutig im Rahmen unserer Werte mitzugestalten, statt unmündig von ihr abgehängt zu werden und in unserer christlichen Blase sorgenvoll zu verharren und auf Risiken vermeidend zu reagieren. Welchen Weg wählen Sie?
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