Ihre Verantwortung
Ethik
Es ist in aller Munde: Impfen, Impfstoff, Impftermin, Impfgegner, Impfverweigerer. Die Diskussion wird bisweilen recht intensiv geführt, und längst nicht immer auf Grundlage von Fakten. Wir wollten wissen, ob es eine christlich-ethische Pflicht gibt, sich impfen zu lassen, und fragten Dr. med. Gisela Schneider, die Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission.
Die Corona Pandemie hat das Leben aller Menschen weltweit verändert. Inzwischen sind mehr als 3 Millionen Menschen an COVID 19 gestorben und wir erleben, wie immer neue Mutationen den Fortschritt in der Bekämpfung der Pandemie wieder in Frage stellen.
Pandemien sind nichts Neues
Ein Blick in die Geschichte lehrt uns, dass es Epi- und Pandemien schon immer gab. Im Alten Testament begegnen uns die Plagen in Ägypten. Im Neuen Testament wird der Umgang mit Lepra thematisiert, der zu Ausschluss aus der Gesellschaft, Stigmatisierung und strikter Isolation führte. Die Pest im Mittelalter, die Choleraepidemien in Europa im 19. oder die Spanische Grippe im 20. Jahrhundert sind nur einige Beispiele dazu. Als Christinnen und Christen orientieren wir uns an Jesus Christus, der zum Beispiel durch die Berührung von Leprakranken nicht nur Menschen geheilt, sondern auch ein Zeichen für Würde und gegen Ausgrenzung gesetzt hat. Darüber hinaus ging es auch um die Gestaltwerdung des Reiches Gottes mitten in der Gesellschaft. So hat Jesu Handeln auch eine soziale und politische Dimension. Werte wie Menschwürde, Freiheit, Verantwortung und Solidarität sind hier ganz zentral.
Nichts tun schadet wirklich
Brasilien, die USA aber auch viele Länder Europas haben erlebt, wie Gesundheitssysteme angesichts der Pandemie an die Grenzen kommen oder wie derzeit in Indien auch kollabieren können. Daneben spielen insbesondere in Afrika die indirekten Folgen der Pandemie eine große Rolle. In Afrika hat der harte Lockdown zwar die Ausbreitung der Pandemie gebremst, aber gleichzeitig zu einem Zusammenbruch von Lieferketten geführt, welcher nun den Zugang zu Medikamenten deutlich erschwert. Die Weltbank hat in einer Studie festgestellt, dass einer von drei Haushalten in Kenia sein lokales Business verloren hat, dass Einkommen im Südsudan, Malawi, Uganda oder Zambia um 70% reduziert wurden, der Export von Rohstoffen beeinträchtigt wurde, oder der Tourismus eingebrochen ist. Das hat sehr viele Menschen in Existenznöte gebracht1. Da die direkten Auswirkungen von Corona in Afrika bei weitem nicht so schwer sind, hat sich inzwischen eine große Skepsis gegenüber den Coronamaßnahmen breit gemacht.
Die haben da echt was geschafft
Gleichzeitig erleben wir, wie es gelungen ist, innerhalb eines Jahres Impfstoffe zu entwickeln, die uns helfen, die Pandemie zu überwinden. Diese rasante Impfstoffentwicklung war nur möglich, weil Forscher und Forscherinnen Zugang zu öffentlichen Geldern hatten, viel Information über das nach der Ebola-Krise gegründete Netzwerk CEPI2 gelaufen ist und man international zusammengearbeitet hat. Neue Technologien, die in den letzten Jahrzehnten entwickelt wurden, ermöglichen es nun, auch gegen neu auftretende Varianten schnell und zielgerichtet mit Impfstoffen zu reagieren. Die Corona Krise zeigt uns also beide Seiten der Globalisierung: Abhängigkeit von Lieferketten einerseits und globale Betroffenheit sowie schneller Zugang zu Information, Forschung und Entwicklung andererseits.
Es geht um viel
Mit Abstandhalten, Kontaktreduktion und Ausgangssperren hat jeder einzelne seinen Teil zur Pandemiebekämpfung beizutragen. Aber der Schlüssel der Pandemiebekämpfung liegt in der Impfung. Dabei geht es nicht nur um den Schutz von Einzelnen, sondern insbesondere um den Schutz der anderen und der Gemeinschaft. Sich impfen lassen und anderen das Impfen ermöglichen, ist Teil christlicher Verantwortung und Solidarität. Zur Solidarität gehört aber auch, Not zu lindern und Menschen zu helfen, mit den Konsequenzen der Pandemie zurecht zu kommen. Daneben setzen wir uns dafür ein, dass alle Menschen vom Fortschritt moderner Impfstoffe , Technologien und Medikamenten profitieren und wir wirklich „niemanden zurücklassen“, wie es die Nachhaltigkeitsziele der UN in 2015 formuliert haben.
Wir können das überwinden
Es ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Solidarität, dass Menschen im globalen Süden auch Zugang zu Impfstoffen bekommen. Nach den ersten 3 Monaten der Impfungen sind 80% der Impfstoffe in 10 Ländern verteilt worden. Durch die COVAX Initiative hat Afrika inzwischen auch Impfstoffe bekommen. Allerdings wird es mehr brauchen als nur den Impfstoff. Wir müssen Menschen gut informieren und aufklären. Mit dem Impfen kann die Pandemie überwunden werden und damit die wirtschaftlichen, sozialen, aber auch medizinischen Folgen der Pandemie. Dazu braucht es die Solidarität aller und gerade die Kirchen, die über ein weltweites Netz an Gemeinden verfügen, können hier einen wichtigen Beitrag leisten.
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