Das Leben ist mehr als nur sammeln
Kolumne
So ein Tag kann ganz schön lang sein, in seiner dramatischen Ereignislosigkeit. Oder im wilden Rennen und Treiben, im Jagen und Suchen. Dr. Peter Tauber kann davon ein Lied singen, kennt beides, mehr oder weniger geliebt und geschätzt, immer aber zurückgeführt auf den Geber. Und er meint: Es ist der Augenblick, der das Leben besonders machen könnte.
Jeder von uns kennt das: Man ist in Gedanken schon einen Schritt weiter. Man denkt an den Termin heute Nachmittag oder an den Geburtstag in zwei Wochen, für den einem das rechte Geschenk einfach nicht einfallen will. Und dann passiert es: Man reagiert nicht auf die freundlichen Worte der Bäckereifachverkäuferin. Oder noch schlimmer, ich überhöre den Satz, den mir mein Gegenüber in einem längeren Gespräch gerade entweder wild an den Kopf geworfen oder liebevoll aufmunternd geschenkt hat. Wir sind nicht richtig da und wir verpassen den Moment. Wir sehen den anderen Menschen, der uns da vielleicht gerade etwas Gutes tun will, einfach nicht. Wie schade. Und dann gibt es natürlich diese Momente, von denen man hofft, dass sie schnell vorüber gehen. Wenn man auf dem Stuhl der Zahnärztin sitzt oder wenn man wegen eines Fehlers zur Rede gestellt wird. Wir wollen das unangenehme Gefühl abschütteln, uns frei machen. Aus der Situation fliehen. Und manchmal sind wir auch traurig, weil wir uns an Momente erinnern, die längst vergangen sind. Wir hängen ihnen in Gedanken nach. Und wieder kann es uns passieren, dass wir dann den Moment verpassen, der uns gerade gegeben ist. Aber da sind auch die schönen Momente, die viel zu schnell verfliegen. Ein romantischer Abend zu zweit, ein Kuss, ein tiefer Blick in die Augen, von dem man sich wünscht, dass er nie endet. Oder eine Beförderung, ein Fest, die Einschulung der Kinder, der Blick von der Spitze eines Berges hinab ins Tal, ein wolkenloser Sternenhimmel oder ein genussvolles Essen. Unser Leben ist, Gott sei es gedankt, reich auch an solchen Momenten.
Narben gehören dazu
Es ist einer dieser guten Vorsätze, die man sich selbst immer sagt: Lebe mehr im Moment, genieße den Augenblick. Interessanterweise wenden wir uns dann immer den schönen und positiven Momenten zu. Über die schlechten denken wir nicht nach. Denen weichen wir aus, wollen sie vermeiden. Doch heißt es nicht gerade, dass man aus Fehlern lernt? Dass erfahrenes Leid uns den Wert der schönen Dinge erst wertschätzen lässt? Mit dem Moment ist das also so eine Sache. Wir sollten auch die schweren Stunden annehmen. Ich sage ganz gerne: „In allem Schlechten steckt auch etwas Gutes.“ Das Leben ist eben mehr als das Sammeln schöner Momente. Narben gehören zu uns. Auf der Haut und auf der Seele. Und auch an diese Momente erinnern wir uns als Wegmarken unseres Lebens. Sie haben etwas mit uns gemacht.
Einer hat uns das vorgemacht wie niemand sonst: Jesus. Er ist im Moment ganz da für die Menschen um ihn herum. Und dann sogar das: Bevor Judas Jesus verrät, fordert dieser ihn sogar zur Tat auf: „Was du tust, das tue bald.“ Will Jesus es hinter sich bringen? Oder will er Judas ermutigen, seinen Teil zu tun, damit die Geschichte sich erfülle? Jesus weiß: Es muss geschehen, es wird geschehen. Vielleicht denkt er: Aber dann doch bitte gleich. Fest steht, dass Jesus auch diesen Moment annimmt. Der Moment des Todes ist einer, der uns besonders schreckt, manchmal auch beschäftigt. Dabei ist er so einmalig wie alle anderen Momente unseres Lebens vorher auch. Warum gehen wir dann mit diesen Momenten des Lebens vorher oft so achtlos um?
„Heißt es nicht gerade, dass man aus Fehlern lernt? Dass erfahrenes Leid uns den Wert der schönen Dinge erst wertschätzen lässt?“
Vom Sorgen und Vertrauen
Zeit spielt in der Bibel eine große Rolle. Zwei Stellen fallen mir da sofort ein. Zunächst das Wort Jesu in der Bergpredigt, in dem er die Menschen auffordert, nicht für morgen zu sorgen, „denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.“ Das widerspricht weitgehend unserer Lebenswirklichkeit. Gerade wir Deutschen wollen wissen, wie es morgen wird. Wir machen Pläne, versichern uns gegen jede mögliche Unbill und machen Prognosen, die dann doch nicht Wirklichkeit werden. Zumindest ist das ein Blick anderer auf uns. „So seid ihr Deutschen eben“, haben mir auch immer wieder ausländische Gesprächspartner gesagt, wenn ich über einen Zeitpunkt weit in der Zukunft diskutieren wollte und darauf mehr oder weniger achselzuckend reagiert wurde. Es wird schon gut werden. Ist das Naivität? Oder doch vielleicht Gottvertrauen? Zumindest hat es mich in der Debatte wieder auf das Hier und Jetzt zurückgeworfen. Und da ist ja wahrlich genug zu tun. Oder eben auch einfach anzunehmen. Der Moment eben. Sei er gut oder schlecht. Er bringt uns weiter. Vielleicht meint Jesus auch genau das.
Mir hilft die andere Bibelstelle deutlich weiter. Der Text aus Prediger 3,14 trifft den Nagel ziemlich auf den Kopf: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit, Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit. Man mühe sich ab wie man will, so hat man keinen Gewinn davon. (...) Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben.“
Merken Sie was?
Das passt ja irgendwie zu dem Sprichwort „Alles zu seiner Zeit.“ Wenn ich etwas bewegen will, dann kann ich das nur im Hier und Jetzt. Wenn Sie sich bewusst machen wollen, wie reich Ihr Leben an wunderbaren Momenten ist, dann machen Sie doch einmal folgende Übung: Schreiben Sie jeden Abend die drei schönsten Momente des Tages auf. Sie werden sehen, dass sich Ihre Perspektive und Ihr Denken verändert. Sie registrieren die vielen tollen Momente, die Ihnen jeden Tag geschenkt werden. Und vielleicht macht das ja Lust darauf, auch anderen Menschen solche Momente zu schenken.
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