Acht Stunden täglich
Bericht
So lange etwa arbeitet der Mensch im Durchschnitt, der einer Anstellung nachgeht. Manche mehr, Mütter und Hausfrauen zum Beispiel, andere weniger. Insgesamt aber verbringen wir in aller Regel mit unserer Arbeit reichlich viel Zeit. Mit kaum etwas verbringen wir mehr. Maike Fethke beschreibt, wie sich das anfühlt und meint, sie habe einen Freund gefunden.
Meine Arbeit und mich, uns verbindet eine Freundschaft, eine lange Freundschaft. Sie dauert bereits mehr als 35 Jahre an und ist bis heute nicht langweilig geworden. Natürlich hat es immer wieder Zeiten gegeben, wo meine Arbeit und mich eine Art Hassliebe verband. Und es gab solche, in denen ich von ihr als einer Schatzkiste sprechen müsste, deren Deckel ich in mehr als 30 Jahren manches Mal hochgeklappt habe, und aus der mich Schillerndes und Schönes angestrahlt haben. Oder ist sie doch eher mit einer Berg- und Talwanderung zu beschreiben? Denn auch das prägt das Verhältnis zu meiner Arbeit. Es ging auf und ab und wird – hoffentlich noch viele Jahre – so weiter gehen. Bei allen möglichen Bildern habe ich mich entschieden: Ich will meine Arbeit als einen Freund, eine Freundin sehen. Ein Gegenüber in meinem Leben, mit dem mich eine Freundschaft verbindet.
Sechser im Lotto
Mein erster Job in dem kleinen Kurort in der Lüneburger Heide, in dem ich aufgewachsen bin, war wie ein Sechser im Lotto. Ab 14, nach der Konfirmation, durfte man ihn machen. Und ich habe gleich eine der begehrten Stellen ergattert: Ich fuhr Patienten, die zur Reha in einer großen Klinik waren, im Rollstuhl durch den Park. Wunderbar. Es ging an bunten Blumenbeeten vorbei, an einem beschaulichen Flüsschen entlang. Dabei begegneten mir die unterschiedlichsten Menschen mit ihren Geschichten. Manche verbittert, andere froh und glücklich für ein paar Minuten ihr Krankenzimmer zu verlassen. Für einen Stundenlohn von 4 DM habe ich schon bei diesem ersten Job etwas entdeckt, was sich durch mein ganzes Berufsleben wie ein roter Faden zieht. Ich hatte damals noch kein Wort dafür, doch etwas hat mich angezogen: Die Sinnhaftigkeit. Ich fand es sinnvoll, mit diesen Menschen Zeit zu verbringen. Ihnen zuzuhören. Mit ihnen zu lachen. Ein Eis zusammen zu essen.
An den Patienten-Ausfahr-Job reihten sich Jahre mit Nachhilfe geben und Putzen; irgendwann das erste Studium, Lehramt, dann das zweite, etwas ganz anderes: Tourismuswirtschaft. Dazwischen eine Bibelschule. Mit dem Tourismus ging es in die große weite Welt und in der blieb ich auch über viele Jahre hinweg, obwohl ich von „der Wirtschaft“ in den Non-Profit-Sektor ging. Vor sechs Jahren dann der Wechsel zurück von der gemeinnützigen Arbeit in die Wirtschaft, dieses Mal in die Beratung und Personalentwicklung.
„Für einen Stundenlohn von 4 DM habe ich schon bei diesem ersten Job etwas entdeckt, was sich durch mein ganzes Berufsleben wie ein roter Faden zieht. Ich hatte damals noch kein Wort dafür, doch etwas hat mich angezogen: Die Sinnhaftigkeit.“
Faszinierender Zauber
Immer wieder habe ich in meinem Arbeitsleben erfahren, dass Neuem ein gewisser Zauber innewohnt. Ich freue mich Unbekanntes zu entdecken. Im Chaos Strukturen zu schaffen. Ich liebe es, Konzepte zu schreiben, Pläne zu schmieden und dafür zu sorgen, dass aus Ideen konkrete Handlungen werden und, ja, ich auch an dem Ziel ankomme, das ich anpeile. Kurzum, ich mag Entwicklung. Meine eigene. Aber auch die von anderen Menschen, von gemeinsamen Projekten. Auf der Stelle treten, nicht aus dem Knick kommen, vielleicht auch nicht aus dem Knick kommen können, weil äußere Umstände es verhindern, das sind für mich wahre Herausforderungen. In diesen Situationen geht mir schneller die Puste aus als bei einem schweißtreibenden Hundertmeterlauf. Über die Jahre habe ich folgendes erkannt: ich bin besser darin gut durchzustarten und schnell Tempo aufzunehmen, als einen Marathon nach dem anderen zu laufen.
Meine Arbeit und ich, wir sind in unserer Freundschaft auch durch die Wüste gegangen. Durch trockene und steinige Zeiten. Da gab es Tage und Wochen und Monate, die waren mühsam. Jeden Tag wieder habe ich mich gefragt, ob heute wohl endlich das Brennen der heißen Sonnen aufhört, der ich nicht entkommen kann. Ob die Steine auf dem Weg irgendwann wieder aufhören werden, durch die Schuhsohle zu stechen und mir Blasen zu machen. Und ob ich endlich, endlich zu der so dringend benötigten Oase vorstoße. Ich habe geträumt von grünen Palmen, die sich im Wind wiegen, einem sprudelnden Wasserloch, von freundlichen Menschen mitten in der Einöde… doch die ersehnte Oase kam nicht. In diesen Zeiten habe ich mich mit schweren Schritten weitergeschleppt. Manchmal habe ich mich auch mitten in der Geröllwüste einfach hingesetzt und gewartet…
Friede, Freude, Eierkuchen?
In den trockenen Zeiten, viel mehr als in den guten Phasen unserer Freundschaft, bin ich dankbar, dass die Beziehung zu meiner Arbeit keine „bilaterale“ Angelegenheit ist. Es gibt in dieser Beziehung nicht nur zwei Parteien. Nein, es gibt noch eine dritte Partei, eine Person: Jesus Christus. Er ist nicht nur eine weitere Partei, sondern viel mehr.
Seit meinem 16. Lebensjahr bin ich mit Gott unterwegs. Ich habe mich dafür bewusst entschieden und fühle mich von Gott in meinem Leben gesehen und geliebt. Und das schließt auch mein Berufsleben ein. Das heißt nicht, dass hier alles „Friede, Freude, Eierkuchen“ ist. Das ist nicht so. Gerade in den Jahren, in denen ich sozusagen „Vollzeit für den Herrn“ gearbeitet habe, waren Friede und Freude im Büro oft weit weg. Ich weiß, wie sich „Geschwister im Herrn“ anfeinden und sich gegenseitig das Leben schwer machen können. Aber ich weiß auch, wie sich die Freude anfühlt, wenn Dinge passieren, die nicht menschengemacht sind. Momente, in denen ich staunend innehalte, und denke: „Das ist Gottes Segen. Das haben wir, das habe ich nicht aus eigener Kraft erreicht, da hätten wir mit unseren Möglichkeiten keine Chance gehabt. Doch Gott hat das Unmögliche möglich gemacht“. Für mich sind diese Momente wahre Sternstunden.
Ich vertraue darauf, dass die freundschaftliche Beziehung zu meiner Arbeit noch viele Jahre anhält. Dass wir noch manches Abenteuer miteinander erleben werden. Ich bin mir sicher, dass Gott mich immer wieder in Situationen begleitet, in denen ich aus der Fülle der Dinge, die mich motivieren, schöpfen kann. Wie gut, dass er schon heute weiß, was ich noch alles in „meiner Schatzkiste“ entdecken werde.
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