Von Ballastbomben und Riesentötern
Essay
Wovon träumen eigentlich Männer? Von Autos? Erfolg? Macht? Sex? Dirk Schröder meint, Männer sehnen sich nach einer stabilen Persönlichkeit und authentischem Mannsein, welches ihnen selbst und ihrem Umfeld Sicherheit und Erfolg ermöglicht. Warum das leider oft für viele nur ein Traum bleibt, wo die Ursachen dafür zu suchen sind und wie einfach ein Ausweg zu finden wäre? Lesen Sie selbst.
In meiner langjährigen Arbeit mit mehreren 1000 Männern habe ich festgestellt, wie viele von ihnen in den großen Grundfragen von Männlichkeit verunsichert sind. Dort, wo Frauen oft ihren Weg gefunden haben, eiern Männer gern mal rum. Ich begegne vielen sehr erfolgreichen Männern, die in ihrem Beruf richtig gut, aber da, wo es um Ehe, Kinder, Freunde oder Gott geht, stark verunsichert sind. Aus Angst zu versagen und um nicht zu scheitern, meiden sie diese Bereiche oftmals und investieren ihre ganze Kraft in die beruflichen Dinge, wo sie sich sicher fühlen.
Die Macht der Ballastbombe
Wohl kaum jemand schaut sich beim Kauf einer neuen Yacht den Ballastkiel unter Wasser an. Aber genau seine Beschaffenheit entscheidet, wie und ob die Yacht überhaupt fährt oder ob sie vielleicht nur oben aussieht wie eine schicke Segelyacht, die dann aber gleich bei der ersten Bö kentert. Als Segler kenne ich die Wichtigkeit von Kiel und Ballastbombe unter dem Schiff, um wirklich Wind und Kraft in der Segelfläche aufzunehmen und in Vortrieb zu verwandeln. Der Ballastkiel steht für mich für die Persönlichkeit eines Mannes. Ein Mann muss wissen, welches Gewicht er in dieser Welt hat.
Männer, die versuchen, sich nach außen hin als gewichtige Persönlichkeiten darzustellen, aber letztendlich im Inneren kein Gewicht haben, nenne ich Blender. Neben ihnen gibt es aber auch solche Männer, die aufrecht und mit geradem Rücken stehen und einem klar und freundlich in die Augen schauen. Wie ein Mann sich verhält, das hat tatsächlich sehr viel mit der jeweiligen Vaterbeziehung zu tun. Und erst dann mit Erfolg und Leistung. Am Beispiel meines eigenen Vaters habe ich erlebt, dass das Erfolgskonzept nicht dauerhaft trägt. Viele Jahre war er der große und erfolgreiche Architekt. Als er sein Geschäft dann im Alter verkaufte, wusste er nicht mehr, wer er war, und stürzte ab in eine Depression. Seine ganze Identität war auf seine Leistung als Architekt gegründet. Was geschieht aber, wenn wir nicht mehr leisten können oder wollen? Wer sind wir dann?
Zwei Fragen eines Jungen
Wenn ich einen neuen Menschen kennen lerne, kann ich oftmals sagen, was für ein Vater hinter diesem Menschen steht. Hat er Wert und Identitätsgebendes in das Leben seines Sohnes oder seiner Tochter hineingesprochen? Oder einfach durch Schweigen eine große Unsicherheit im Leben des Kindes hinterlassen? John Eldredge, ein Autor, den ich sehr schätze, sagt: „Jeder Junge hat zwei Fragen im Herzen: 1. Bin ich der geliebte Sohn? und 2. Habe ich es wirklich drauf? Diese beiden Fragen müssen im Herzen des Jungen beantwortet werden.“ Falls nicht, läuft der junge Mann, der erwachsene Mann oder auch noch der alte Mann mit diesen offenen Fragen durchs Leben und versucht, durch Erfolg, Leistung, Frau, Haus, Auto oder Yacht die Antwort darauf zu finden. Wir alle kennen Männer, die mit der folgenden unausgesprochenen Frage in allem, was sie tun und sind, durch’s Leben gehen: Sag’ mir doch bitte, was für ein toller Typ ich bin.
Ich höre von 80 Prozent der Männer, mit denen ich arbeite, dass ihr Vater die beiden eben genannten Fragen nicht beantwortet hat. Tja, dumm gelaufen? Für alle Männer, die nicht an etwas Größeres, einen Schöpfer, einen himmlischen Vater glauben, lautet die Antwort hier leider: Ja! Es gibt kein Happy End. Für alle Männer aber, die an einen Schöpfer und himmlischen Vater glauben, beginnt die spannende Reise jetzt erst richtig. Zuerst werden sie ehrlich vor sich selbst und erkennen, dass diese beiden Fragen ganz tief in ihrer Seele stecken und nicht wirklich beantwortet sind. Dann ist es an ihnen, ihrem Vater zu vergeben, dass er es versäumt hat, ihnen diese Antworten zu geben. Es bringt einen leider gar nicht weiter, ein Leben lang zu erzählen, was man für einen furchtbaren Vater hatte. Besser ist, auf die Macht der Vergebung zu setzen: Vergeben Sie Ihrem Vater, damit Sie gesund werden. Entlassen Sie ihn aus Ihrer Anklage, sonst kann Ihre Wunde nicht heilen, sondern schwelt und eitert weiter, und Sie geben sie an die nächste Generation weiter. Höchste Zeit, hier einen klaren Schlussstrich durch Vergebung zu ziehen. Das ist eine Sache zwischen Ihnen und Gott. Sie brauchen Ihrem Vater nicht zu erzählen, dass Sie ihm diese Dinge vergeben. Erzählen Sie ihm nur, wofür Sie ihn um Vergebung bitten möchten.
„Falls nicht, läuft der Mann mit diesen offenen Fragen durchs Leben und versucht, durch Erfolg, Leistung, Frau, Haus, Auto oder Yacht, Antwort darauf zu finden.“
Ich lernte Julia kennen. Sie machte einen sehr gesunden und stabilen Eindruck auf mich und ich fragte sie, ob sie einen tollen Papa gehabt hätte, so wie sie strahlen würde. Da veränderte sich ihr ganzes Gesicht und sie antwortete, dass leider das Gegenteil der Fall sei und dass sie eine sehr schwierige und schmerzhafte Beziehung zu ihrem Vater gehabt hätte. Das, was ich heute in ihrem Leben sehen würde, sei das Ergebnis der Wiederherstellung durch ihren himmlischen Vater. Bumm ... das hat gesessen. Was für ein mächtiges Zeugnis.
Wie tötet man einen Riesen?
Bei meinem Gott gibt es keine Sackgassen. Er kann selbst den Mist der Vergangenheit als Dünger für die Zukunft nutzen. Damit das passieren kann, muss man ihm mit allen Fragen offen begegnen. Da kommt mir oft das Bild von einem Kind, dessen Spielzeug kaputt gegangen ist, in den Sinn. Das traurige Kind bringt sein Spielzeug zu seinem Vater in der Hoffnung, dass der es reparieren kann. So geht es Gott, wenn wir unser Anliegen vor ihn bringen. Wir kennen den Begriff bemuttern, aber hier geht es um das „Bevatern“. Im Englischen klingt das noch viel schöner: „God, father me!“ In all den Jahren habe ich entdeckt, dass genau das immer wieder der Dreh- und Angelpunkt von gesunder Persönlichkeit und großer Selbstsicherheit bzw. Gott-Vertrauen ist. So beginnt eine spannende Reise mit dem himmlischen Vater: wenn jemand ihn, sein Herz, sein Wesen und seine Gedanken über einen selbst entdeckt. „Bittet, so wird euch gegeben.“
Besonders ermutigen möchte ich zur Suche nach guten Vorbildern. Es muss nicht der eigene leibliche Vater sein. Vaterenergie kann auch durch andere Männer fließen, die einem das Wesen des himmlischen Vaters ins Herz malen. Wussten Sie das? Man ist die Schnittmenge der fünf Menschen, mit denen man am meisten Zeit verbringt. Wenn Sie einen Riesen töten wollen, dann umgeben Sie sich mit Riesentötern. Unsere Welt und die Männer unter uns leiden unter nichts mehr als an der fehlenden Vaterschaft Gottes. Es befähigt uns Männer, wenn wir uns durch den liebenden Vater angesehen und geliebt wissen. Erst dann fällt es uns leicht, unser Umfeld, unsere Frau und Kinder sowie andere Menschen auch mit diesen liebenden Augen zu sehen. Dann können wir gesunde und echte Sicherheit und Stärke vermitteln und weitergeben, unser Umfeld befähigen, den Geruch des Vaters verbreiten und eine Spur des Segens hinterlassen.
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