Die Sicherheit auf´s Spiel gesetzt!?

Essay

Wie wird wohl eine Frau, der einige Krisenherde dieser Welt durchaus vertraut sind, die Frage nach Sicherheit beantworten? Wie sich mit etwas auseinandersetzen, das wir oft für gegeben halten und es doch nicht immer im Griff haben? Wir baten Maike Fethke um ihre Einschätzung.

Ein weißes Blatt Papier. Seit zwei Stunden sitze ich davor und warte auf Inspiration zu diesem Beitrag. Draußen scheint die Sonne, die Vögel zwitschern fröhlich. Der Frühling ist da. Und ich hocke am Schreibtisch. Ich habe gebrainstormt. Ich habe ein kreatives Mindmap gemacht, Begriffe mit kurzen und langen Strichen miteinander verbunden, so als ob sie an Fäden hingen. Aber kein Funke Inspiration. Was ist für mich Sicherheit? Wie würde ich sie definieren? Sicherheit bedeutet für mich, frei von Gefahr sein, mich geborgen fühlen, keine alles erschütternden Sorgen zu haben. Sicherheit verbuche ich unter „Bedürfnisse, die wir alle haben“. Wir können nicht ohne leben. 40 Tage ohne Sicherheit – wie wäre das? Nicht wirklich eine Option. 

Nachgeschaut

Während meine Gedanken auf Wanderschaft gehen, mache ich das, was ich auch mit einem Stichwort auf meinem Mindmap festgehalten habe, „in Konkordanz nachschlagen“. Mir fallen einige Bilder der Bibel ein, die für mich Sicherheit vermitteln, zum Beispiel der Hirte mit seinen Schafen. Um auch das letzte in die Herde zurückzuholen, es sozusagen wieder in eine sichere Gemeinschaft zu führen, riskiert dieser Mann viel. Was für ein schönes Bild für einen „Sicherheit-Geber“. Also hoffe ich auf Großes, als ich eine bewährte Online-Konkordanz aufrufe. Ich klicke auf „S“ im Register und mein Blick schweift über „Selbstverteidigung“, „Sexualität“ und dann „Sinnesänderung“. Da, genau da müsste sie doch verortet sein, die Sicherheit, gleich hinter „Sexualität“ und vor „Sinnesänderung“. Aber da ist nichts. Keine Sicherheit als Schlagwort im Register. Ich bin überrascht. Ist das eine Botschaft? 

Meine Suche nach einem leichten Zugang zu diesem sperrigen Thema gestaltet sich mühsam. Dabei war ich selbst oft in Situationen, in denen andere sagten: „Sicherheit scheint dir ja nicht so besonders wichtig zu sein!“ Oder „Warum riskierst du so viel und setzt deine Sicherheit aufs Spiel?“ 

Hingeschaut

Fast 15 Jahre habe ich in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit gearbeitet. Ich habe in dieser Zeit viel von der Welt gesehen und war in Gegenden, die als unsicher gelten. Ich bin noch während des Krieges nach Afghanistan gereist oder in den Norden Nigerias, wo Christen unter ständiger Verfolgung leben. Ich habe einige Jahre mitten auf dem Pulverfass im Nahen Osten gelebt und gearbeitet. Oft war ich allein unterwegs, habe in den entlegensten Winkeln der Erde dann Einheimische getroffen, die es mir ermöglicht haben, die Arbeit zu tun, für die ich dort war. Egal ob im Krieg oder nach einem Erdbeben, ob als einzige Frau unter vielen Männern … ich habe mich fast immer sicher gefühlt, auch unter abenteuerlichen Zuständen. Ich habe gelernt, mich in solchen Situationen zu bewegen, mich (und hoffentlich auch andere) nicht in Gefahr zu bringen, mich zu schützen. Oft hat mir geholfen zu wissen, dass ich nicht allein bin. Gott ist bei mir. Keine dieser vielen Reisen über afrikanische dirt roads (unbefestigte Straßen) oder in überfüllten indischen Zügen habe ich gemacht, um einen Abenteuergeist zu befriedigen. Ich habe sie gemacht, weil ich sie verstanden habe als Teil einer Arbeit, in der Gott mich gebrauchen wollte. Und, so dachte ich, dann wird er sich auch um das Thema Sicherheit kümmern. Ich habe gelernt, wenn ich nah an ihm dranbleibe, mir aus seinem Wort seine „Sicherheitszusagen“ hole, dann erlebe ich sein Eingreifen auch oft in brenzligen Situationen. Seitdem begleitet mich eine Liste an „Sicherheitszusagen“ Gottes, so wie z. B. das Gleichnis des verlorenen Schafs.

Gott hat immer wieder auch Menschen als „Sicherheitsboten“ in meinem Leben gebraucht. Ich werde nie eine Reise in den Nord-Westen Pakistans vergessen, in das berüchtigte Grenzgebiet zu Afghanistan. Wenn es sich irgend vermeiden lässt, reist man nicht in diese Gegend zwischen Peshawar und Kabul, in der keine Gesetze gelten und Stammesfürsten regieren. Nun denn, genau da wollte ich hin, ein Projekt besuchen, in dem verfolgte Christen, die im Untergrund lebten, betreut wurden.

„Er tat alles für meine Sicherheit und sagte mir am letzten Tag beim Verabschieden, dass er sein Leben für meine Sicherheit gegeben hätte, wenn mich jemand hätte angreifen oder entführen wollen. “

Auf dem Weg dorthin stellte man mir Jonathan (so sein westlicher Name) vor, einen pakistanischen Mitarbeiter der Organisation, für die ich unterwegs war. Jonathan würde auf mich „aufpassen“, mich auf allen Wegen begleiten. Und das tat er. Mal ging er mir voraus, mal direkt an meiner Seite. Er achtete darauf, dass mein Schleier richtig saß, wie es der lokalen Sitte entsprach …. Er rief an vereinbarten Treffpunkten vor unserer Ankunft an und fragte, ob alles sicher sei. Nachts wachte er vor meiner Zimmertür, die ein mit einem Tuch verhängtes Loch in einer Lehmhütte war. Er tat alles für meine Sicherheit und sagte mir am letzten Tag beim Verabschieden, dass er sein Leben für meine Sicherheit gegeben hätte, wenn mich jemand hätte angreifen oder entführen wollen. Das hat mich bewegt, ich habe es ihm geglaubt. Er hätte sein Leben für mich gegeben. Seine Worte sind mir lange nachgegangen, die Situation hat sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt. 

Ankommen

Wir alle haben ständig Berührung mit dem Thema „Sicherheit“. Da wir ja in einem der sichersten Länder der Welt leben, prägt sich unser Bedürfnis nach Sicherheit natürlich anders aus als zum Beispiel in Pakistan. Doch wichtig ist, so denke ich, dass wir es wahrnehmen. Uns ihm stellen. Uns damit auseinandersetzen und fragen: wie kann ich es befriedigen? 

Oft kann ich konkret etwas tun. Es braucht gar keinen großen Funken Inspiration, sondern durchdachtes Handeln, klare Schritte. Und als Antwort auf mein Tun stellt sich ein Gefühl von Sicherheit ein. Manchmal braucht es eine Zusage von Gott, ob aus seinem Wort, in einer Liedzeile oder einen Gedanken in einem Gebet. Bei Gott ist Sicherheit, er ist ihre Quelle, und wir können jederzeit an seine Zusagen „andocken“. Manchmal braucht es einen Menschen wie Jonathan, jemanden der alles tun würde, damit ich sicher unterwegs sein kann. 

Egal, was Sie gerade brauchen, um sich geborgen zu fühlen: ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie wieder in einen sicheren Hafen einlaufen können. Seien Sie gespannt auf den Weg, der Sie dorthin führt.

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