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Zu mir selbst gelaufen

Persönlich

In einer Welt, in der die Beziehung zu sich selbst immer stärker auch von externen Faktoren und persönlichem Erfolg abzuhängen scheint, wollten wir von Johannes Falk wissen, wie es ihm damit geht. Der Solokünstler veröffentlichte Anfang des Jahres seine neue Platte bei Sony/Columbia und stellt fest, dass das noch nicht der große Durchbruch war. Wie und was er als Erfolg definiert, lesen Sie in seinem ehrlichen Beitrag.

Sich selbst lieben. Wie geht das? Vermutlich beginnt es mit einem Blick in den Spiegel. Liebe ich, wen ich da sehe, und wenn ja, wie geht das? Wenn man von Selbstliebe spricht, dann stellt sich mir zwangsläufig auch die nächste Frage: Steh‘ ich zu mir und mag ich mich so wie ich bin? Mit all meinen Ecken und Kanten, mit meiner Begabung, meinem Potential, aber auch mit meinem Schwächen und Misserfolgen? Ich glaube, dass wir Menschen uns zu selten darüber Gedanken machen. Jeder kennt wohl das Bibelzitat „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Über den ersten Teil davon, die Nächstenliebe, wird zuhauf referiert und gepredigt. Aber was das „wie dich selbst“ betrifft, darüber habe ich bisher nicht viel gehört – und noch viel weniger habe ich mir selbst Gedanken dazu gemacht. Vermutlich, weil es mir nicht wichtig genug war.

Zu viel Zeit zum Grübeln und Vergleichen

In den vergangenen fünf Jahren war ich allerdings immer wieder gezwungen, mir darüber Gedanken zu machen. Nicht nur, aber vor allem durch meinen Beruf als freiberuflicher Musiker. Vom Erscheinen des Albums „360°“ bis zum aktuellen „Von Mücken und Elefanten“ vergingen ganze fünf Jahre. Ich hing lange Zeit in der Luft, weil nicht klar war, wie, wo, mit wem und vor allem mit welchen finanziellen Mitteln ich mein nächstes Album stemmen sollte. Zwar war ich im christlichen Markt durchaus erfolgreich. Dennoch war der Markt für mich und meine Art von Musik zu klein, um davon leben zu können. Fünf Jahre im Leben eines Solokünstlers sind eine verdammt lange Zeit. Zu viel Zeit, um zu grübeln, sich mit anderen Künstlern zu vergleichen, mit dem fehlenden Erfolg zu hadern, an sich selbst zu zweifeln und sich zu fragen, ob man gut genug ist für das alles. Dass das für die Psyche ungesund ist, war mir dabei schon klar. Aber so einfach abstellen ließen sich die Gedanken dann doch nicht. Was zur Folge hatte, dass ich mich in einer Spirale abwärts befand und der Frust auch auf andere Bereiche im Leben überging. Beziehungsfrust, finanzieller Frust, grundsätzliche Angst vor der Zukunft, alles Dinge die irgendwie zusammenhängen. Dass das alles auch mit meiner fehlenden Selbstannahme zusammenhing, damit, dass ich es so schwierig fand, eine positive Beziehung zu mir selbst zu haben, fiel mir erst viel später auf. Zu oft habe ich mein Selbstwertgefühl von der Reaktion meines Umfelds und der Öffentlichkeit abhängig gemacht. Um mich selbst zu lieben, brauchte ich die Wertschätzung und Bestätigung von außen. Anstatt mich selbst anzunehmen und mir zu sagen: ich bin o.k., ganz unabhängig von Leistung oder Verdienst. Ein Zitat, das ich damals fand, gab mir viel zu denken: Wenn das Außen dein Innerstes füllen soll, dann wird das Herz zum Fass ohne Boden.


Es war Zeit für einen Ausgleich

Zur selben Zeit lernte ich jemanden kennen, der mir bald zum Freund wurde, den Geschäftsführer eines erfolgreichen Startup-Unternehmens. Die Verantwortung für 35 Mitarbeiter und der ständige Wachstums- und Erfolgsdruck seitens der Investoren sorgten bei ihm für enorme Anspannung. Was ich aber an ihm bewunderte, war seine grundsätzlich positive Lebenseinstellung. Er war oft am Limit, aber nie verzweifelt.

„Wenn das Außen dein Innerstes füllen soll, dann wird das Herz zum Fass ohne Boden.“

Wie sich herausstellte, war er ein sehr ambitionierter Alpin-Läufer. In Wettkämpfen lief er schon mal seine 57 km mit 4.500 Höhenmetern. Das war sein Ausgleich, seine Zeit, in der nur er und die Natur zu einer Einheit wurden. Ich bewunderte ihn, und in mir wuchs der Wunsch, einmal selbst solche Distanzen zu laufen. Einige Zeit später organisierte die NGO „International Justice Mission“, für die ich ehrenamtlich tätig bin, einen Sponsorenlauf. Ich meldete mich für die Marathon-Staffel und übernahm den längsten Part von 15 km. Nun war ich also durch meine Großspurigkeit gezwungen zu trainieren. Als ich die 15 km in einer recht passablen Zeit absolviert hatte, war ich von mir selbst überrascht. Nicht wegen der Zeit und Distanz, sondern eher durch das, was während des Trainings und des Wettkampfes in meinem Kopf und meinem Innersten passierte. Von diesem ersten Erfolgserlebnis angetrieben, nahm ich kurze Zeit später an einem Halbmarathon teil. Ich schaffte ihn knapp unter 2 Stunden, war aber körperlich am Limit und zweifelte daran, je die 42 km laufen zu können. Dennoch wollte ich nicht gleich aufgeben und meldete mich für einen Marathon an. Ich hatte nun ein Jahr, um mich vorzubereiten und zog das Training an. Etwa vier Wochen vor dem Wettkampf nahm ich die 30 km in Angriff. Sie waren eine Qual und ich war mehrfach davor abzubrechen und das Projekt Marathon in die Tonne zu treten. Ich brauchte weit über drei Stunden, kam völlig am Ende zu Hause an. Und dann brach ich plötzlich körperlich und noch viel mehr innerlich zusammen. Ich lag im Badezimmer auf dem Boden und heulte mir die Augen aus dem Leib, weil ich es selbst kaum glauben konnte, dass ich tatsächlich 30 km gelaufen war. Irgendwie war das ein Wendepunkt in meinem Leben. Ich hatte etwas geschafft, ohne irgendjemanden irgendetwas beweisen zu müssen. Es ging nur um mich und um meinen Kopf. Ich selbst hatte mir ein Ziel gesteckt und hatte mit Geduld, Ausdauer und Leidenschaft dafür gekämpft, es zu erreichen. Nur auf mich gestellt. Es stand niemand am Straßenrand, der mich angefeuert oder applaudiert hätte. Nur Kopf und Herz waren mein Antrieb.

Die dunklen Phasen wurden kürzer

Was hat das jetzt mit Selbstliebe zu tun? Sehr viel, wie ich meine. Schon beim Training wurde mir klar, dass das Laufen für mich wie eine Therapie war. Hinzu kam, dass es sich enorm auf meine Fitness und mein körperliches Wohlbefinden auswirkte. Das war für mich aber eher ein positiver Nebeneffekt. Mir ging es ja nicht ums Abnehmen. Viel intensiver wirkte sich das Laufen auf meine psychische Stabilität aus. Die dunkeln Phasen wurden kürzer. Ich konnte mich morgens im Spiegel anschauen und mir sagen „Hey, ich bin o.k.“. Ich wurde gelassener, ging wieder regelmäßig ins Studio, um Songs zu schreiben, und schrieb Lieder über Frust und Euphorie, über Angst und Hoffnung, über Träume und Verzweiflung, über die Mücken und Elefanten im Leben, ohne genau zu wissen, wie es weitergehen würde. Und wie so oft im Leben, gehen gerade dann Türen auf, wenn man aufhört, sich an sie zu klammern oder gegen sie zu hämmern. 

Kurz nachdem ich meinen ersten Marathon mit einer Zeit von 4:05 Stunden geschafft hatte, wurde ich zu einem Showcase von meinem jetzigen Plattenlabel Sony/Columbia nach München gebeten. Eine Managerin war durch ein Youtube-Video auf mich aufmerksam geworden und lud mich zum Vorspielen ein. Nur wenige Tage später hatte ich einen Plattenvertrag in der Tasche und damit das nötige Geld, um ein ganzes Album zu produzieren. Es war eine tolle Zeit. Ich hatte die Möglichkeit, einige Songs mit einem Orchester aufzunehmen. Ich konnte tagelang im Studio experimentieren und war zumindest für den Produktionszeitraum finanziell abgesichert.

Ich bin stolz auf das, was ich geschafft habe

Seit Februar 2018 ist das Album auf dem Markt und man kann sagen, dass es – am kommerziellen Markt gemessen – von einem erfolgreichen Album weit entfernt ist. Aber wer definiert Erfolg? Da mag jeder seine eigenen Kriterien anlegen. Für mich ist das Resultat tatsächlich ein großer Erfolg. Der Weg zum Album war und ist immer noch ein super Erfolg. Manche in der Mainstream-Musikbranche würden zwar wohl von einem Flop sprechen. Dennoch bin ich stolz auf mich und auf das, was ich geschafft habe. Es war ein Weg, den ich gehen musste und der für mich im Großen und Ganzen eine wichtige weitere Phase war – auch auf dem Weg hin zu mir selber. Ich übe mich weiter in Geduld, schreibe weiter Lieder für mich und andere Künstler. Auch, weil ich über die Runden kommen muss. Und ich gebe nicht auf, an mich zu glauben. Außerdem laufe ich fleißig weiter. Im Juli steht mein erster Sky Marathon an. Einmal ums Rosengartenmassiv in den Dolomiten. 42 km mit 3.500 Höhenmetern. Das wird eine echte Herausforderung.

Sich selbst und sein Leben annehmen, wie das geht? Ich glaube, das gelingt mal mehr, mal weniger. Wichtig aber ist doch, dass wir mit uns im Reinen sind. Dann können wir auch andere lieben. Und – was noch viel wichtiger ist – uns lieben lassen.

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