SOLA FIDE - Wir brauchen mehr im Herzen als im Hirn
Alltagstauglich
Als Martin Luther die vier großen „Sola“ der Reformation formulierte, tat er dies, um die heilsbringenden Faktoren auf ein Minimum zu reduzieren. Auch und besonders in Abgrenzung zu damals vorherrschender theologischer Position. Der Glaube war ihm dabei ein besonderes Anliegen. Warum, das erklärt Wilfried Schulte in der zweiten von insgesamt vier Betrachtungen.
Wenn wir von „Glauben“ sprechen, stellt sich eine dringende Frage: Welchen Glauben meinen wir denn? Einen Traditionsglauben, bei dem es um eine Konfessionszugehörigkeit geht, mit der sich eine Familie schon seit Jahrzehnten identifiziert? Oder einen Schönwetterglauben, der als Grundlage eine positive Einstellung zum Leben hat und immer das Beste hofft? Oder vielleicht den Notfallglauben? Der kommt immer dann zum Einsatz, wenn die eigenen Möglichkeiten erschöpft sind oder die Umstände im Alltag außerhalb des eigenen Handlungsrahmens liegen. Dann, wenn nur noch ein Wunder hilft. Und dafür ist schließlich Gott zuständig.
Ja, es bedarf schon eines echten Wunders, wenn es um den Glauben geht. Es bedarf des Wunders der Liebe Gottes, die sich im Angebot des ewigen Lebens offenbart. Ewiges Leben in Gemeinschaft mit Gott. Von Raum und Zeit völlig unabhängig. Endlos. Das anzunehmen, fällt manchem nicht leicht. Als Luther in gerade mal elf Wochen das Neue Testament übersetzte, entschied er sich, diesen zentralen Gedanken der Bibel mit dem Wort „Glauben“ auszudrücken. Und er verband ihn eng mit der Errettung. Allein basierend auf eben diesem Glauben.
Zuverlässig und treu sein
Von Alten Testament her gesehen kam dieser Begriff aus dem Wortstamm „aman“ und stand für „zuverlässig, treu sein“. So wird er durchgehend im ganzen Alten Testament verwendet, wo der Glaube weniger Kopf- als mehr Herzenssache war. Es ging also nicht so sehr um Überzeugung, Erkenntnis oder Wissen, sondern vielmehr um Vertrauen und Zuverlässigkeit. Mit diesem Verständnis von „Glauben“ sind auch die Menschen um Jesus aufgewachsen. Das Neue Testament ist vom griechischen Denken beeinflusst und verwendet für „Glauben“ ein Wort, das aus dem Vertragswesen kommt. Es bedeutet: Glaubwürdigkeit, Kreditwürdigkeit, Garantie. Die Jünger, obwohl sie ja zu Zeiten des Neuen Testamentes direkt an der Seite Jesu lebten, waren deutlich geprägt vom bekannten Verständnis des Alten Testamentes. Also dem, wo Glaube durch Treue und Zuverlässigkeit in den Beziehungen gelebt wurde. Als entscheidend stellt sich da die Frage: „Wem schenke ich mein Vertrauen?!“
Für uns heute ist der Begriff „Glaube“ auf ein kognitives „Für-wahr-halten“ reduziert und geprägt von dem Anliegen, dass wir Gott und sein Handeln erklären und beweisen wollen. Dieses Bemühen muss scheitern, denn ein transzendenter Gott lässt sich nicht in die Kategorien unserer dreidimensionalen Welt hineinpressen und belegen. Diesen Gott im Westentaschen-Format, wie wir ihn gerne auf unser Verständnis reduziert zuschneiden wollen, den gibt es einfach nicht. Unser Wissen ist viel zu begrenzt, um Gott in seinem „so-sein-wie-er-ist“ zu erkennen. Allerdings können wir das erkennen und erfahren, was er uns von sich offenbart hat. Schon im Alten Testament steht: „Was verborgen ist, ist des Herrn, unseres Gottes; was aber offenbart ist, das gilt uns und unseren Kindern ewiglich, dass wir tun sollen alle Worte dieses Gesetzes.“ 5. Mose 29,28
„Diesen Gott im Westen-taschen-Format, wie wir ihn gerne – auf unser Verständnis reduziert – zuschneiden wollen, den gibt es einfach nicht. Unser Wissen ist viel zu begrenzt, um Gott in seinem „so-sein-wie-er-ist“ zu erkennen.“
Gegen Zweifel und Unglauben
Der Glaube an Gott beginnt mit der Erkenntnis, dass Gott es gut mit uns meint. Das wahrzunehmen in einer Welt, die sich von Gott losgelöst hat und die immer deutlichere Spuren ihrer Gottlosigkeit zeigt, ist nicht einfach. Trotzdem ist das der entscheidende Punkt, an dem wir Menschen die Weiche stellen für eine Beziehung mit Gott. Wie der Mensch seine Beziehung zu Gott verlor, lesen wir schon in den ersten Kapiteln der Bibel. Der Mensch traute es Gott nicht zu, dass dieser das Beste für ihn bereithielt, und öffnete so dem Misstrauen gegen Gott die Tür. Er ließ den Zweifel daran zu, dass Gott das Beste im Sinn hat. Warum durfte der Mensch von allen anderen Früchten überall um ihn herum essen, nur von der einen nicht? Das nährte Zweifel und Unglaube. Und zerstörte die bis dahin gute Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch. Nur eine Rückkehr zum Vertrauen auf Gottes Güte und seine Liebe stellen als erster Schritt diese Gemeinschaft wieder her. Der zweite Schritt hat damit zu tun, dass wir Verantwortung für unser Leben übernehmen. Scheinbar sind wir alle mit einem "Schuldverlagerungs-Gen" ausgestattet. Es sind immer die anderen, die einen beeinflusst haben. Schuld ist das Leben, das nicht fair ist; die Umstände und das Umfeld, die einen geprägt haben. Doch erst die Anerkennung der eigenen Schuld ermöglicht ihre Vergebung und öffnet den Weg zu Gott. Nebenbei erwähnt: die größte Schuld ist wohl die, das größte Gebot zu missachten: Gott über alles zu lieben und den Nächsten wie uns selbst. Der dritte Schritt erfordert Mut. Indem ich ihn gehe, setze ich mein ganzes Vertrauen darauf, dass Jesus für mich auf diese Welt gekommen ist, um meine Schuld von mir zu nehmen. Ich glaube, dass ich durch ihn vor Gott bestehen kann.
Befreit zu neuem Leben
Ein solcher Glaube befreit zu neuem Leben. In diesem Glauben zu leben bedeutet: Ich vertraue Jesus Christus. „Er ist das Abbild seines Vaters; in ihm wird der unsichtbare Gott für uns sichtbar. Vor Beginn der Schöpfung war er da. Durch ihn ist alles erschaffen, was im Himmel und auf der Erde ist, alles Sichtbare und Unsichtbare, alle Königreiche und Mächte, alle Herrscher und Gewalten. Alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen.“ Kolosser 1, 15-16
Der deutsche Theologe Karl Barth sprach 1962 in Amerika im Rockefeller Auditorium des Campus der Universität von Chicago vor Studenten, gefolgt von einer Diskussion. In deren Verlauf fragte ein Student Karl Barth, was denn die Quintessenz seines theologischen Nachdenkens und Wirkens sei. Auf die Antwort waren alle gespannt, denn Barth hatte zahllose Seiten dogmatischer Abhandlungen geschrieben. Was würde er aus seinen voluminösen Werken als besonders hervorheben? Und dann sagte er nur einen Satz: „Ich kann das mit einem Lied-Vers zusammenfassen, den ich auf dem Schoß meiner Mutter gelernt habe: Jesus liebt mich ganz gewiss, denn die Bibel sagt mir dies.“
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