Moscheen in Deutschland - Einblick in eine verschlossene Welt

Reportage

Acht Monate lang hat Constantin Schreiber verschiedene Moscheen in Deutschland besucht. Es sollte keine repräsentative Umfrage werden, sondern eine Reportage, über die er einen Eindruck bekommt und Antworten auf die Fragen: Sind die Moscheen Räume persönlichen Glaubens oder politische Zonen? Was wird dort wirklich gepredigt, wie sprechen die Imame über Deutschland, wie radikal sind sie? Und: Welchen Beitrag leisten die Moscheen in Deutschland zur Integration?

Was ich während meiner Moschee-Reise zu hören bekam, lässt sich, entsprechend meiner Fragestellung zu Politisierung und Integration, in »Religiöse Themen«, »Das Leben in Deutschland« und »Politische Bezüge« einteilen.

Religiöse Themen

Fehlende Religiosität war das Hauptthema während meiner Moscheebesuche: dass die Welt nicht religiös genug ist, die Muslime nicht glaubensfest genug seien. Der Imam der Risa la-Moschee etwa beklagte, dass die »Menschen Analphabeten sind, was das Lesen des Korans angeht«. Der Imam der Farouq-Moschee sagte: »Kehre zu deiner Religion zurück und warne deinen Bruder vor einem religionslosen Leben, über das Telefon, einen Anruf, Facebook oder Twitter, irgendein Medium.« Immer wieder wurden Aufrufe an die Jugend gerichtet, ein besonders religiöses Leben zu führen. »Wo sind die Kinder der Muslime? Im Schwimmbad findest du jeden Tag 900 muslimische Kinder«, beklagte der Imam der Risala-Moschee, und weiter: »Nicht das Geld, nicht die Aufenthaltsgenehmigung, nicht die Sprache … Die größte Schlacht … ist, wie du deine Kinder bewahrst, wie du sie mit der Religion verbindest.«

In mehreren Predigten wurde auch die schlechte »Situation der Muslime« weltweit  beklagt und auf die fehlende Glaubensfestigkeit und religiöse Unwissenheit zurückgeführt: »Wenn wir unsere Situation verstehen wollen, also, warum sie so ist, wie sie gerade ist, dann werden wir erkennen, dass wir den wahren Sinn unseres Daseins als Muslime auf dieser Welt verloren haben.« Auch in der Al-Rahman-Moschee in Magdeburg wurde dringend davor gewarnt, bloß nicht vom Glauben abzufallen. Der Imam der Yunus-Emre-Moschee predigte: »Unser Gott warnt uns vor Menschen, die sich nicht entscheiden konnten, ob sie zu den Muslimen oder Ungläubigen gehören … Gott warnt uns vor ihnen und sagt, wir sollen ihnen nicht trauen!«

Das Leben in Deutschland

Der Bertelsmann Religionsmonitor92 stellt bezüglich der in Deutschland lebenden Muslime fest: »Ihre Einstellungen und Sichtweisen orientieren sich stark an den Grundwerten der Bundesrepublik wie Demokratie und Pluralität.« Die Autorin der Studie, Yasemin el-Menouar, fasst die Studie so zusammen: »Für Muslime ist Deutschland inzwischen Heimat.« Was die Predigten angeht, die ich im Laufe meiner Recherche gehört habe, muss ich sagen: Das stimmt nicht. Die Warnung vor dem Leben in Deutschland war ein roter Faden, der sich durch viele der Predigten zog. Immer wieder wurden die Moscheebesucher darauf eingeschworen, sie seien als Muslime eine Art Schicksalsgemeinschaft, etwa in der Al-Furqan-Moschee: »Ihr seid eine Diaspora! Wir sind eine Diaspora!« Und weiter: »Sie [diese Umgebung] gleicht einem gewaltigen Strom, der dich auflöst, dich auslöscht, dir deine Werte nimmt und durch seine Werte ersetzt.« In der Mehmed Zahid Kotku Tekkesi-Moschee in Berlin warnte der Imam am Tag vor Heiligabend in der Freitagspredigt vor der »größten aller Gefahren«, nämlich der »Weihnachtsgefahr«: »›Wer einen anderen Stamm nachahmt, wird einer von ihnen.‹ Gehört denn Silvester zu uns? Sind Weihnachtsbäume denn ein Teil von uns? Nein, sind sie nicht!« Oder in der Al-Farouq-Moschee in Potsdam: »Wir respektieren das Jobcenter und das Lageso und dieses Land, aber wir respektieren nicht den Menschen, der seine Religion aufgibt.« In der Al-Rahman-Moschee in Magdeburg verglich der Imam das Leben in Deutschland mit einem Weg durch einen betörenden Wald. Die Reize würden den Muslim dazu verleiten, vom rechten Weg abzukommen, sich »im Dickicht des Waldes« zu verlaufen, bis ihn »die wilden Tiere des Waldes« fräßen.

Abgrenzung, Bewahrung der muslimischen Identität und die Aufforderung, sich von den Einflüssen in Deutschland abzuschirmen, waren zentrale Botschaften. In eigentlich allen Moscheen sind mir die vielen Flüchtlinge aufgefallen, die noch nicht lange in Deutschland leben. Während vor der Moschee-Tür permanent über Integration gesprochen wird, predigt man im Innern das Gegenteil. Moscheen –  Orte, die jeder gläubige Moslem für das Gebet aufsuchen muss – kommt eine besondere Verantwortung zu. In ihnen finden die Gläubigen ein Stück Heimat, aber kein Stück neue Heimat. So wird in vielen Predigten über »unsere Heimat«, »unsere Nation«, »unser Land« gesprochen – gemeint war aber niemals Deutschland, sondern die Türkei oder Ägypten. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Predigten auf Türkisch und Arabisch gehalten werden und die meisten Imame aus dem Nahen Osten stammen. Der Sprachbarriere entspricht eine große Distanziertheit gegenüber der deutschen Gesellschaft.

Poltische Bezüge

Bei politischen Themen zeigten sich große Unterschiede zwischen türkischen und arabischen Moscheen. Zusammengefasst kann ich sagen: Die türkischen Predigten, die ich besucht habe, waren eigentlich immer politisch, sogar ganz überwiegend. Es machte sich bemerkbar, dass die DITIB-Imame ihre Predigtschwerpunkte direkt von der türkischen Religionsbehörde vorgegeben bekommen. Bei den arabischen Predigten waren solche Bezugnahmen weniger ausgeprägt. Am deutlichsten war der politische Gehalt in der Sehitlik-Moschee nach dem Putschversuch: »Schenke unserer Nation, die in ihrer gesamten Geschichte gegen jegliche Angriffe heldenhaft Widerstand leistete, angesichts dieser Mordanschläge Standhaftigkeit, Geduld, Nüchternheit und Willensstärke, mein Gott! Gib denjenigen, die es auf das Wohl, den Frieden und die Brüderlichkeit unserer Nation abgesehen und diesen eine Falle gestellt haben, keine Gelegenheit, mein Gott!«

„Bestenfalls waren die Predigten dichte, religiöse Texte, die die Zuhörer in einer anderen Welt halten, schlimmstenfalls wurde das Leben in Deutschland, Demokratie und unsere Gesellschaft abgelehnt.“

Die arabischen Predigten kreisten im Wesentlichen um Religiosität, das Führen eines gottergebenen Lebens. Wenn über die Besteuerung von Kichererbsen und Kamelen referiert wird, dann werden die Besucher in einer anderen Welt gehalten. Diese eigentlich unpolitischen Äußerungen haben also durchaus eine politische Wirkung. Angesichts der blutigen Konflikte in Syrien und anderswo sowie der bei uns spürbaren Auswirkungen wie den vielen Flüchtlingen fand ich bemerkenswert, dass in den Predigten nur in Ausnahmen darauf Bezug genommen wurde. So erwähnte der Imam in der Risala-Moschee ein Massaker in Ägypten: »Heute … ist der Jahrestag des 12. August, an dem 6000 Muslime mit Panzern und Raketen getötet wurden … – nur weil sie ›Freiheit‹ und ›Legitimität‹ gesagt haben und das gefordert haben, was die gesamte freie Welt fordert. Die politische Heuchelei hat sich jedoch der ganzen Welt bemächtigt.« Und weiter, mit Blick auf Syrien, Ägypten, Libyen, die Türkei: »Gott, erfreue uns, nimm Rache an den Unterdrückern und Verbrechern.« Oder, allerdings eher beiläufig, in der Al-Farouq-Moschee: »Wir schauen, was in Aleppo passiert: Frauen werden vergewaltigt, Blut vergossen, Häuser zerstört und Körperteile abgetrennt. … Das Unglück hat uns und unsere Landsleute erfasst. In Aleppo und überall in den Heimen der Muslime herrscht das Unglück.« 

Mein Fazit

Nach acht Monaten Recherche muss ich feststellen: Moscheen sind politische Räume. Die von mir besuchten Predigten waren mehrheitlich gegen die Integration von Muslimen in die deutsche Gesellschaft gerichtet. Wenn das Leben in Deutschland thematisiert wurde, dann hauptsächlich in einem negativen Zusammenhang. Oftmals beschrieben die Imame den deutschen Alltag als Gefahr und forderten ihre Gemeinden dazu auf zu widerstehen. Fast allen Predigten ist der Aufruf an die Gläubigen gemein, sich abzukapseln und unter sich zu bleiben. Gewiss: Konkrete Aufrufe zur Gewalt oder Verherrlichung des Dschihad habe ich während meiner Moscheebesuche nicht erlebt. Es ist nicht illegal, Demokratie abzulehnen, zur Missionierung aufzurufen oder das Leben in Deutschland abzulehnen. Aber kann uns das zufriedenstellen? Ist es etwa als Erfolg zu werten, dass die Predigten nicht noch erschreckender waren? Für mich war es ernüchternd, was ich in den acht Monaten in Deutschlands Moscheen zu hören bekam. Bestenfalls waren die Predigten dichte, religiöse Texte, die die Zuhörer in einer anderen Welt halten, schlimmstenfalls wurde das Leben in Deutschland, Demokratie und unsere Gesellschaft abgelehnt. Ich würde gerne ein positives Beispiel anführen, eine Predigt, die Weltoffenheit ausstrahlt, eine Brücke baut zum Leben in Deutschland. Leider haben meine Moscheebesuche ein solches Beispiel nicht ergeben.

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