Wo Christsein unter Strafe steht

Verfolgung

Wer die Bibel liest, besitzt oder verbreitet, ist in echten Schwierigkeiten. Das weiß zunächst Johanna Eden, weil sie Menschen aus Nordkorea begleitet. Das wissen aber noch besser die Nordkoreaner, von denen sie uns berichtet. Weil sie es am eigenen Leib erfahren. Wir sind zutiefst betroffen.

Die alte sowjetische Tupolew hebt ab. In zwei Stunden wird die Maschine der staatlichen nordkoreanischen Fluggesellschaft Air Koryo in Pjöngjang sein, der Hauptstadt Nordkoreas, dem Land, das als eine der schlimmsten Diktaturen der Welt gilt. Der Personenkult um den – seit über 20 Jahren verstorbenen – Führer und Gründer der Volksrepublik Nordkorea verlangt von den Untertanen grenzenlose Unterwerfung und Verehrung. Ein Gesetz schreibt vor, dass in jeder Wohnung ein Porträt von ihm zu hängen hat. Leiseste Kritik, selbst Scherze über den Führer, können zu jahrelangem Arbeitslager führen.

Hinter meterhohen Mauern

Während sich das Flugzeug dem Luftraum über Nordkorea nähert, wandern die Gedanken. Erinnerungen an grausame Nachrichten, die nordkoreanische Christen nach ihrer Flucht berichteten, steigen auf. Vor einiger Zeit meinte Kim, ein nordkoreanischer Flüchtling, der fünf Jahre lang in einem der schlimmsten Arbeitslager des Landes interniert war: „Wenn es auf der Erde eine Hölle gibt, dann ist es ein Arbeitslager in Nordkorea.“ Kim hat fünf Jahre in Yodok verbracht: eine zwanzig Kilometer lange verbotene Zone, gesichert mit vier Meter hohem Stacheldraht und einer Mauer, die mit einem elektrisch geladenen Draht abschließt. Kim schätzt, dass im Arbeitslager mehr als 30.000 Häftlinge leben.

Die Verhältnisse: unvorstellbar. In Holzbaracken ohne Heizung bei Temperaturen von minus 20 Grad absolvieren die Gefangenen 13 Stunden täglich Schwerstarbeit in Fabriken und Steinbrüchen. Die Mahlzeit: dünne Maissuppe. Neben standrechtlichen Erschießungen aus nichtigem Anlass zählt Verhungern zu den häufigsten Todesursachen in Yodok. Dass Kim diese fünf Jahre überlebt hat, ist ein Wunder. 1997 wurde er freigelassen, konnte nach China fliehen und von dort aus weiter nach Südkorea.

Das Konterfei des Führers

Erinnerungen an derartige Schicksale lassen sich nicht leicht abschütteln. Aber sie werden jäh unterbrochen. Die Stewardessen, deren Uniformen an die 1960er Jahre erinnern, bereiten die Passagiere auf die Landung vor. In Pjöngjang empfängt den Besucher ein schmuckloser Flughafen. Die Passagiere drängen durch die enge Tür in den Empfangsbereich. „Willkommen in der Demokratischen Volksrepublik Korea“. Vor dem Flughafen angenehm frische, kühle Luft. Jetzt heißt es warten auf den Rest der Reisegruppe. Individualreisen sind in Nordkorea undenkbar. Männer begrüßen sich, schütteln die Hände. Bieten sich gegenseitig Zigaretten an. Keiner scheint in Eile, schon gar nicht die Mitarbeiter der Pass- und Zollkontrolle. Wer nur Handgepäck hat, kann zügig durchgehen. Mobiltelefone werden reihenweise konfisziert. Einige Deutsche protestieren erfolglos. Bei der Ausreise, so wird ihnen versichert, bekämen sie die Telefone zurück. Alle Koreaner tragen am Revers einen kleinen Anstecker mit dem Konterfei des Führers, manche mehrere übereinander, am Sakko, am Hemd.

„Diese Sehnsucht nach Freiheit brennt sich tief in das Gedächtnis ein.“

Eine Mischung aus Angst und Kontrolle

Die Reiseleiterin stellt sich vor. Wenig später trifft eine zweite Reiseleitung ein. Wahrscheinlich, um die erste zu überwachen. Dann gesellt sich noch jemand hinzu, der als Kameramann vorgestellt wird. Jeder wird von einem anderen bewacht, der Spitzel wiederum von einem dritten kontrolliert. Diese Mischung aus Angst, Misstrauen und totaler Kontrolle liegt, das spürt man, bleischwer über allem und lähmt jede Initiative. Klar ist, in diesem Land wird man nie allein sein. Das bekam auch Sota (Name geändert) zu spüren. Dem Nordkoreaner war die Flucht nach China gelungen, wo er zum Glauben an Jesus fand. Später kehrte er für einige Wochen in sein Heimatland zurück, um dort Menschen das Evangelium zu verkünden. Doch einer von jenen, denen Sota die Gnade Gottes näherbringen wollte, verriet ihn an die Behörden. Zwei Jahre Gefängnis erwarteten ihn. Er berichtet: „Sie verprügelten mich und gaben mir nichts zu essen. Ich sollte verhungern. Als ich dann schwer krank wurde, rechneten sie damit, dass ich bald sterben würde. Aber eines Tages wachte ich auf und fühlte mich ungewöhnlich stark. Ich fragte einen Wächter, ob ich nach draußen gehen und etwas zu essen suchen durfte. Er erlaubte es mir, weil er dachte, dass ich viel zu schwach zum Flüchten sei. Ich durfte sogar noch jemanden mitnehmen. Ich hatte einen anderen Christen im Gefängnis kennengelernt, den ich als Begleitung auswählte. Mit Gottes Gnade konnten wir beide entkommen.“

Was wir nicht gezeigt bekommen

All dies sind Erlebnisse, die sich den Touristen auf einer Busrundfahrt nicht bieten. Und doch, auch die Not außerhalb der Lager ist mit Händen zu greifen. Immer wieder sieht man Koreaner, die stehen bleiben, in die Hocke gehen und den kargen Boden absuchen. Nach Kräutern? Löwenzahn? „Unsere Menschen lieben die Kaninchenzucht“, beeilt sich die Reiseleitung zu erklären. Aber man wird den Eindruck nicht los, dass diese Menschen nicht nach Nahrung für ihre Haustiere suchen. Die Erinnerungen an die letzte Hungersnot sind noch lebendig. Und sichtbar. Das Land ist übersät mit Gräberhügeln: die Hungertoten aus den Jahren 1995 bis 2003. Zwischen drei und fünf Millionen Nordkoreaner, so die Schätzungen, sind damals umgekommen.

Die Sehenswürdigkeiten auf dieser Bustour sind das Eine, das Andere sieht man doch auch immer wieder aus den Fenstern: Elend und Leid, und das obwohl die wirkliche Hölle dieses Landes gut abgeschirmt ist. Zurück am Bahnhof, setzt sich der Zug nach Peking langsam in Bewegung. Die Menschen drehen sich nach ihm um. Ihre wehmütigen Blicke gehen die Gleise entlang, dem Zug in die Freiheit hinterher. Diese Sehnsucht nach Freiheit brennt sich tief in das Gedächtnis ein. Nur Jesus kann diesem Land die Freiheit bringen. Jesus ist die einzige Hoffnung für Nordkorea.

Magazin Sommer 2016

Bestelle kostenfrei die Printausgabe!

Bestelle die aktuelle Ausgabe und erhalte 4x/Jahr das Magazin NEUES LEBEN. Randvoll mit gutem, christlichem Rat für den Alltag, verständlich und anwendbar.

Bitte schickt mir NEUES LEBEN!
Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst du dich mit der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website einverstanden.