Wir sind alle Astronauten

Hilfe, meine Freunde werden Politiker! So zumindest fühlt es sich an, wenn ich meine Facebook-Timeline durchscrolle. Ich bekomme hier regelmäßig Einladungen, an Kampagnen für soziale Gerechtigkeit teilzunehmen oder Petitionen zu unterzeichnen. Und wenn ich mit meinen Kumpels abends weggehe, dreht sich die Unterhaltung immer wieder auch um politische Themen. Ich bekomme den Eindruck, dass sich mein Umfeld zunehmend politisch auflädt. Warum denn?

Ich glaube: mit der zunehmenden Globalisierung wächst auch die Wahrnehmung von Zusammenhängen. Uns wird langsam klar, dass die Welt ein Dorf ist. Und wir verstehen immer mehr, dass alles irgendwie zusammenhängt, hier auf dem Raumschiff Erde.

„Raumschiff Erde“ ist übrigens die Neufassung der Redensart „Wir sitzen alle im selben Boot“. Es ist eine Metapher, die die Menschheit mit der Besatzung eines Raumschiffes gleichsetzt. Unsere Ressourcen sind, wie auf einem Raumschiff, begrenzt. Ebenso begrenzt ist die Kapazität der Erde, unsere Fehler zu verkraften. Wir reisen zusammen. Keiner kann aussteigen. Wir müssen miteinander und mit der Erde, als Transportmittel sozusagen, auskommen – oder wir gehen alle unter.

Das wird nun wirklich jedem klar. Es ist, als wenn eine große Feier zu Ende geht. Und jetzt stellen wir fest, dass sich der Müll nicht von allein aufräumt oder in Luft auflöst. Wir sind alle gefragt, wenn es darum geht, miteinander und unserem Planeten auszukommen. Deshalb schreiben meine Bekannten mir von laufenden Petitionen und reden meine Freunde zwischen Currywurst und Kindern über Syrien. Deshalb bemühen sich Firmen um Nachhaltigkeit und der Kindergarten in meinem Dorf zieht um die Häuser und sammelt Müll ein.

Das ist gut – dieses Wissen vom Verbundensein. Schon vor 67 Jahren wurde ein wichtiger Impuls gesetzt, als am 10. Dezember 1948 in Paris die Vereinten Nationen die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ verkündeten und damit die Konsequenzen aus den schrecklichen Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges zogen. Dieses Manifest der Menschlichkeit ist sozusagen die Hausordnung des Raumschiffes Erde. Es soll uns als Richtlinie dienen, wie wir friedlich und konstruktiv miteinander leben können und nebenbei unseren Lebensraum erhalten.

Miteinander den Lebensraum erhalten? Kürzlich kam ich ganz zufrieden vom Einkaufen heim: Ich hatte zwei neue T-Shirts für sechs Euro gekauft. Wenig später habe ich von der Micha-Initiative gehört und mir erklären lassen, wie es möglich wird, dass ich so günstige Kleidung kaufen kann: durch die Ausbeutung der beteiligten Arbeiter in Indien und Afrika. Und dass wir Konsumenten durch unsere Kaufentscheidungen und unsere Stimme einen großen Einfluss darauf haben, wie Menschen in anderen Ländern behandelt werden. Das hat mich tief getroffen.

Die T-Shirts trage ich gerade deswegen trotzdem und so lange ich kann. Damit drücke ich meine Wertschätzung für die geleistete Arbeit aus. Aber seither kaufe ich meine Kleidung größtenteils gebraucht oder „Fairtrade“ und bin trotzdem gut angezogen. Ich möchte bewusster leben und etwas dafür tun, dass wir Menschen uns gegenseitig besser behandeln. Und ich finde es großartig, dass meine Freunde sich ihrer Verantwortung als „Mitreisende“ dieser Welt stellen. Wenn jeder von uns weiß, wie verbunden und zerbrechlich die Beziehungen von uns Menschen sind, finden wir gemeinsam bestimmt gute Wege, um miteinander, gleichwertig und gleichglücklich, hier zu leben: auf dem kleinen Raumschiff Erde.