„Ich genieße es zu töten“

Boko Haram in Nigeria

Es ist schauderhaft, was da vor sich geht. Widerlich, am liebsten will man den Blick abwenden. Weil man es nicht erträgt, weil die Abscheu einem den Magen zusammenzieht, weil man meint, das Leid der Menschen als persönlichen körperlichen Schmerz zu empfinden. Ganz ehrlich: Ich fürchte, das ist gut so. Es ist gut, dass die Gräueltaten wahnsinniger Schlächter nicht spurlos an uns vorüberziehen. Es ist gut, dass ein Stück des Schmerzes zu unserem Schmerz wird. Wir dürfen uns nicht abwenden, während der Hass der Boko Haram massenhaft Menschenleben auslöscht, ganze Dörfer und Städte vernichtet und die Zukunft zerstört. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Böse gewinnt.

Es ist schauderhaft, was da vor sich geht. Widerlich, am liebsten will man den Blick abwenden. Weil man es nicht erträgt, weil die Abscheu einem den Magen zusammenzieht, weil man meint, das Leid der Menschen als persönlichen körperlichen Schmerz zu empfinden. Ganz ehrlich: Ich fürchte, das ist gut so. Es ist gut, dass die Gräueltaten wahnsinniger Schlächter nicht spurlos an uns vorüberziehen. Es ist gut, dass ein Stück des Schmerzes zu unserem Schmerz wird. Wir dürfen uns nicht abwenden, während der Hass der Boko Haram massenhaft Menschenleben auslöscht, ganze Dörfer und Städte vernichtet und die Zukunft zerstört. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Böse gewinnt.

Ich genieße es, zu töten

Seit 2010 führt Abubakar Shekau die Terroreinheiten in den unerbittlichen Kampf. Man vermutet, dass er in Maiduguri aufwuchs und dort islamische Theologie studierte, ganz sicher ist das aber nicht. Was dagegen sicher ist, ist, dass der Mann sehr krank denkt. In einem Video aus dem Jahr 2012 sagt er: „Ich genieße es, jeden zu töten, dessen Tötung Gott mir befiehlt – genau wie ich es genieße, Hühner und Schafböcke zu töten.“ Wieviel Kontrolle und damit auch Macht Shekau über die vielen unterschiedlichen Gruppierungen innerhalb der Boko Haram hat, ist fraglich. Es soll einen obersten Rat geben, dessen Zustimmung auch der Anführer für Entscheidungen braucht.

Der eigentliche Name, den die Gruppe offiziell seit 2009 trägt, liest sich so: Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati wal-Jihad und würde korrekt übersetzt „Vereinigung der Sunniten für den Ruf zum Islam und für den Dschihad“ bedeuten. Doch die Bevölkerung schuf einen neuen Namen. Boko Haram. Dabei ist Boko ein Wort der nigerianischen Sprache Hausa und war zunächst ein Überbegriff für alles, was mit Betrug und Täuschung zu tun hatte. Als die britische Kolonialmacht Anfang des 20. Jahrhunderts ein westliches Schulsystem einführte, empfand man dies im Land als verlogen und falsch. Als Boko eben. Haram ist arabisch und bezeichnet im Islam alles, was nach der Scharia verboten ist. Boko Haram wird deshalb heute oft als „Westliche Bildung ist Sünde“ übersetzt.

Ausrotten, was Allah nicht passt

Vielleicht stehen auch gerade deshalb Schulen im besonderen Fokus der Angriffe und Morde. Vielleicht will man aber auch schlicht die Bevölkerung paralysieren und im tiefsten Kern erschüttern. Gewalt gegen Kinder ist immer eins der abscheulichsten Verbrechen, die Menschen begehen können. Kinder verdienen besonderen Schutz, Kinder sind die Zukunft einer Nation, Kinder sind die geliebten Schätze ihrer Eltern und Familien. Wie tief muss der Schmerz darüber sitzen, wenn einem dieser Schatz brutal entrissen und in den Dreck getreten wird, ohne dass man etwas dagegen tun könnte? Doch scheinbar lässt der Hass dieser Mörder keinen Raum für Liebe. Was besonders verwirrend ist, weil diese Männer ja vermutlich auch Väter sind. Oder Brüder. Onkel. Da muss doch irgendwo, tief, tief drinnen in der Seele ein Platz sein, an dem es nicht nur finster und eiskalt ist? Wie mag einer, der tausendfach zum Kindermörder wurde, seine eigenen Töchter und Söhne zu Bett bringen? Ob er ein Lied singt, sich zärtlich vorbeugt, einen Kuss auf die Stirn haucht und Allah dafür dankt, nicht so verblendet zu sein wie alle anderen? Nicht der westlichen Bildung auf den Leim zu gehen und damit am Islam schuldig zu werden?

„Wie mag einer, der tausendfach zum Kindermörder wurde, seine eigenen Söhne und Töchter zu Bett bringen? “

Wo soll das noch hinführen

Radikale glauben immer, einen besonderen Ruf zu haben. Einer besonderen Pflicht nachzukommen. Einer Pflicht, die eigentlich alle Menschen erfüllen sollten, es aber nicht tun, weil sie verweichlicht sind, oder verwestlicht. Eigene Überzeugungen werden von eigenen Glaubensgenossen nicht geteilt und Erwartungen nicht erfüllt. Nicht jeder Muslim ist radikal, aber jeder Radikale glaubt, er habe den wahren Islam verstanden und trage ihn in sich. Nährboden für Radikalisierungsabläufe, Abwärtsspiralen, Demagogie. Die Welt hat Angst und zittert. Zumindest die Teile der Welt, die nah genug dran sind am Ort des Geschehens. Weil sie fürchten müssen, auch was abzukriegen. Die, die weiter weg sind, schlafen wesentlich ruhiger. Das war immer so. Und wird es vermutlich auch bleiben. Das ist ein ähnlich psychologischer Faktor, wie es die kranken Hassanfälle der Demagogen sind. Und doch: Jeder, egal wo er lebt, hat die Kraft aufzustehen. Gegen das Böse. Die Macht zu reden, zu glauben, zu hoffen. Viele haben darüber hinaus noch mehr. Sie können beten, bitten, betteln.
In Nigeria setzt man jetzt alle Hoffnung auf den neuen Präsidenten. Nachdem der christliche Goodluck Jonathan dem Töten nichts entgegenzusetzen hatte, löste ihn Ende März der 72-jährige Muhammadu Buhari als bekennender Muslim ab. Das war Volkes Wille. 51,7 % aller Stimmen. Er will Boko Haram und dem düsteren Treiben ein Ende setzen. Boko Haram indes bekannte sich kürzlich zu großer Treue zur Terror Miliz Islamischer Staat. Insgesamt üble Aussichten, egal, welcher Präsident mit welcher Glaubensüberzeugung am Start ist. Mit Heer oder Kraft scheint hier nicht viel auszurichten zu sein. Und doch. Es gibt die eine Macht, die größer ist und stärker. Die Licht ins Dunkel bringt. Die von der Finsternis nicht überwunden werden kann. Auch wenn die Flamme manchmal flackert. Aber sie kann nicht gelöscht werden. Von niemandem.