Keine Angst, zu kurz zu kommen

Motivation

Das mit der Angst ist so eine Sache. Manchmal ist sie einfach da und man weiß nicht, warum. Oder woher. Oder was dagegen tun. Steffen Schulte hat sich mit ihr beschäftigt und setzt ihr etwas entgegen. Damit sie nicht das letzte Wort hat, die Angst, zu kurz zu kommen.

Manche Sätze in der Bibel klingen so leicht, sind aber unglaublich herausfordernd. So ist es auch mit Hebräer 13,5-6. Zumindest erlebe ich das so. Dort lesen wir: „Lasst nicht die Geldgier euer Leben bestimmen. Gebt euch zufrieden mit dem, was ihr habt. Denn Gott selbst hat versprochen: ‚Ich werde dich nie vergessen und dich niemals im Stich lassen.‘ Das gibt uns Mut, und wir können voll Zuversicht sagen: ‚Der Herr ist mein Helfer, deshalb fürchte ich mich nicht. Was kann ein Mensch mir anhaben?‘“  Gebt euch zufrieden mit dem, was ihr habt. An diesem Satz bin ich zuerst hängen geblieben. Kompliziert ist das nicht, aber schwer. Mein ganzes Umfeld und besonders die Werbung kommunizieren mir ständig das „Wenn-dann-Versprechen“: Erst wenn du dieses oder jenes hast/ kannst/bist, dann wirst du erfüllt/glücklich/zufrieden sein.

„Relativer Mangel steht nicht im Verhältnis zu dem, was ich brauche, sondern zu dem, was andere in meinem Umfeld haben.“

Den Mangel verstehen

Aber bevor wir hier weiter eintauchen, ist es wichtig klarzustellen, wozu wir nicht aufgefordert werden. Dazu hilft es, zwischen zwei Arten von Mangel zu unterscheiden: absoluter Mangel und relativer Mangel. Absoluter Mangel bedeutet, dass mir essentielle Dinge zum Leben fehlen. Ich habe nicht genug zu essen, mir fehlt es an Kleidung oder ich habe keinen sicheren Ort, kein Zuhause, um mich auszuruhen. Ich bin vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Dieser Mangel ist hier nicht gemeint und diese Verse fordern auch die Betroffenen nicht auf, sich in Genügsamkeit zu üben. Das erkennen wir an den vielen Stellen in der Bibel, wo Gott sich für die Armen und Witwen einsetzt, aber auch daran, dass Jesus uns lehrt, dass wir für unser tägliches Brot beten sollen. Wir sollen das haben, was wir zum Leben brauchen. Der Hebräerbrief richtet sich an Normalverdiener in normalen Situationen. Relativer Mangel steht nicht im Verhältnis zu dem, was ich brauche, sondern zu dem, was andere in meinem Umfeld haben. Ich vergleiche mein Leben und meinen Besitz mit dem von anderen Menschen. Hier können schnell Undankbarkeit und Neid entstehen, weil es immer Menschen gibt, die mehr haben. Wie schnell mich das beeinflusst, merke ich besonders, wenn ich mit Menschen unterwegs bin, die deutlich mehr verdienen als ich. Ich kann mir nicht alles leisten, was sie sich leisten können. Ich kann nicht bei allem mitreden. Hier hilft es mir, wenn ich mich an die vielen Menschen erinnere, denen es weltweit viel schlechter geht als mir. Aber so ganz automatisch passiert dieses Vergleichen nach unten nicht.

Genügsamkeit üben

Und üben ist hier ein wichtiges und richtiges Wort. Wir sind eingeladen, einen neuen Umgang mit Geld zu üben. „Lasst nicht die Geldgier euer Leben bestimmen.“ So beginnt der Vers. Als geldgierig würden sich wahrscheinlich die wenigsten beschreiben. Schnell denke ich auch, dass ich gar nicht genug Geld habe, um geldgierig zu sein. Aber das besondere an der Geldgier (oder Liebe zum Geld, wie man es auch übersetzen kann), ist, dass man dafür gar kein Geld braucht. Es reicht der Glaube, dass Geld mir Sicherheit und Kontrolle geben wird. Wir glauben, dass wir uns mit viel Geld auch viel Sicherheit und Kontrolle kaufen können. Dieser Glaube kann so tief sein, dass er unser Leben bestimmt. Dieser Glaube ist deshalb so attraktiv und verlockend, weil Geld vieles möglich machen kann. Das muss man anerkennen. Darum ist Geld auch Ausdruck von Gottes Segen. Aber Geld ist nicht alles und kann nicht alles. Daher wird in der Bibel häufig vor Geld gewarnt, weil wir von Geld schnell erwarten, was nur Gott uns bieten kann. Hier entsteht auch eine Spannung. In diesen Versen vor unserem Abschnitt geht es um unsere Liebe zueinander, die uns bestimmen soll. Die Liebe zum Geld steht also in Konkurrenz zur Nächstenliebe.

„Ich werde dich nie vergessen und dich niemals im Stich lassen.“

Wenn ich Angst habe, selbst zu kurz zu kommen, dann ist es ganz schwer, etwas abzugeben. Es gibt immer eine Not, der ich begegnen könnte. Es gibt immer noch jemanden, dem ich helfen könnte. Wo hört es auf? Wie kann ich sicherstellen, dass ich nicht zu kurz komme? Ein Problem, das ich bei mir entdecke, ist nicht, dass ich Geld als zu mächtig ansehe. Mit Geld kann man vieles tun, auch sehr viel Gutes. Das Problem ist eher, dass ich Gott als zu klein ansehe. Die Lösung ist daher nicht, den Wert von Geld kleinzureden, sondern den vollen Wert und die Macht von Gott zu erkennen und großzumachen.

Nicht horten, sondern teilen

Es ist ja nicht so, dass Gott uns zur Finanzierung seiner Arbeit hier auf der Erde braucht. Ihm gehört die ganze Welt. Vielmehr lädt er uns ein, teilzuhaben. Er bietet uns die Chance, in andere Menschen zu investieren. Seine Großzügigkeit zu imitieren und zu reflektieren. Gottes Forderung, uns nicht von der Geldgier bestimmen zu lassen, kommt aus seiner Sorge für uns. Gutes Leben findet sich nicht im Horten, sondern im Teilen. Und jetzt müssen wir genau weiterlesen: „Denn Gott selbst hat versprochen. ‚Ich werde dich nie vergessen und dich niemals im Stich lassen.‘“ Gott verspricht uns seine Gegenwart und Hilfe! Ich kann mich mit dem zufriedengeben, was ich habe, weil ich alles – was wirklich wichtig ist – durch Gott habe. Auch das muss man üben, indem man es sich immer wieder bewusst macht. Mir helfen dabei Vorbilder. Ich denke da an einen Pastor, den ich kennen und schätzen gelernt habe. Er wohnt nicht in Deutschland, aber in einem westlichen Land. Er hat Jahrzehnte in der Gemeinde gearbeitet. Sein Gehalt war immer klein, und auch jetzt im Ruhestand müssen sie noch sehr genau haushalten. Aber er sagte: „Wir hatten immer genug.“ Dann ergänzte er noch mit freudigen Augen: „Und wir konnten sogar andere segnen.“ Seine Wohnung war einfach eingerichtet und kleiner als die seiner Altersgenossen. Aber seine gesamte Haltung strahlte eine tiefe Zufriedenheit aus. Auf mich wirkte er reich beschenkt. Wenn wir Gott haben, dann haben wir alles.