Ich und ein Euro
Kolumne
Da bekommt das alte und oft nicht sehr beliebte „Haste ma ’n Euro?“ plötzlich eine ganz neue Bedeutung. Immer diese Bettelei!? Evi Rodemann geht das Thema hier von einer anderen Seite an und schaut, wie weit sie mit ’nem Euro kommt. Bereit für eine spannende Reise?
Vor sieben Jahren starteten Freunde von „MoveIn“, die in Kanada leben und bewusst in Ghettos ziehen, um dort Jesus in Wort und Tat zu leben, eine Aktion, die ich nicht nur mitmachte, sondern die etwas mit mir machte: Wir wollten uns sieben Tage lang bewusst mit den Ärmsten dieser Welt identifizieren und für unser Essen und Trinken nur einen Euro am Tag ausgeben. Einen Euro! So viel haben die Ärmsten täglich zum Leben und müssen davon neben Essen und Trinken auch noch weitere Dinge bestreiten. Eine schiere Unmöglichkeit! Wir wollten das in dieser Woche gesparte Geld bewusst in Missionsprojekte stecken, die sich armen Kindern und Familien widmen.
Leichter gesagt als getan
Von nur insgesamt sieben Euro an diesen Tagen zu leben, wurde mehr als nur ein Abenteuer. Und ich war aufgeregt. Wie sollte das bitteschön gehen? Wenn ich guten Earl-Grey Tee trinken wollte, blieb nur noch Geld für Linsen und Reis ohne Zusatz übrig. Das tägliche Beten für die Armen in dieser Welt; an manchen Tagen hungrig ins Bett zu gehen, weil ich eher was trinken als essen wollte; und dabei unterstützenswerte Projekte kennenzulernen. All das hat mein Herz sensibilisiert und mir ein neues Verständnis von „genug“ gegeben. Das ist eine großartige und spannende Reise, und seit sieben Jahren trete ich sie jeden Oktober neu an. Dabei fällt mir immer wieder auf, dass ich oft ohne nachzudenken ein Brötchen oder Tee kaufe und gar nicht merke, dass es ein totales Privileg ist, dass ich in einem Land wie Deutschland leben darf. Dass es ein Privileg ist, abzugeben und zu teilen und anderen auch zu ihrem „genug“ zu verhelfen.
„Das hat mein Herz sensibilisiert und mir ein neues Verständnis von ‚genug‘ gegeben.“
Nur so viel, wie ich brauche
Steve Volke, Geschäftsführer von Compassion Deutschland (ja, ich wäre natürlich gerne selbst beim Bibellesen darüber gestolpert, aber so war es leider nicht …), schrieb vor ein paar Jahren über Verse, die mich tief ins Herz trafen. Ein Mann namens Agur hatte gesprochen, nachzulesen in Sprüche 30,7–9: „Gott, zwei Dinge erbitte ich von dir, verweigere sie mir nicht, bevor ich sterbe. Bewahre mich davor, andere zu belügen oder zu betrügen. Und lass mich weder arm noch reich werden, sondern gib mir gerade so viel, wie ich brauche. Denn wenn ich reich werde, könnte ich dich verleugnen und sagen: ‚Wer ist der Herr?‘ Und wenn ich zu arm bin, könnte ich stehlen und so den heiligen Namen Gottes in den Schmutz ziehen.“ Zwei Dinge: weder arm noch reich sein! Gib mir gerade so viel, wie ich brauche! Jetzt, heute, mir soll’s genug sein, und ich will nicht an morgen oder übermorgen denken. Will nicht vorsorgen, weil du versorgst.
Mein Denken verändert
Meine jährliche Woche, in der ich von einem Euro am Tag zu leben versuche, wird sicher nicht das Elend der Armen ändern, aber darum geht es auch nicht. Denn sie verändert mich und mein Denken. Und mit dem, was dabei rauskommt – und an eingespartem Geld übrigbleibt –, verändert sie ein wenig das Leben derer, für die ich das Geld weitergebe zum Segen. Das ist für mich Evangelium – in Wort und Tat!
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