Gedanken zum Gutem
Essay
Manchmal kommen sie auf leisen Sohlen, die negativen Gedanken. Enttäuschungen, Frust und Traurigkeiten. Negatives über einen selbst und über andere. Doch auch das kommt vor: der persönliche Blick hinter die eigene Stirn. Kerstin Wendel hat ihn gewagt, stellte sich ihrem Kopfkino und meint: Es war höchste Zeit für einen gewaltigen Aufbruch.
Reißen wir uns vom Negativen los
In der Psychotherapie, durch die ich mich damals unterstützen ließ, kann man so etwas erlernen. Negative Gedanken werden entlarvt und durch positive ersetzt. Während andere also Postkarten und Einladungen an ihre Kühlschränke pinnen, hingen bei mir neue, gute Sätze. Und was soll ich sagen? Heute werde ich von vielen positiven Gedanken und Gefühlen bestimmt. Und das auch, weil Gott seine Finger im Spiel hat! Eine meiner Lieblingsstellen in der Bibel steht in Römer 12,2. Aber auch die neue Jahreslosung für 2025 geht in die Richtung: „Prüfet alles und behaltet das Gute.“ 1. Thessalonicher 5,21) Liebe Menschen, behaltet das Gute! Das muss uns anscheinend gesagt werden. Macht es so wie mit Johannisbeeren oder Urlaubsfotos. Schlechte Beeren oder verwackelte Erinnerungsfotos braucht keiner. Aussortieren! Das leuchtet ein und geht ganz einfach. Aber wie ist es mit den Lebensbereichen, die uns deutlich mehr herausfordern als Fotos oder faules Obst? Schauen wir mal:
„Die eigene Gedankenwelt braucht unseren aufmerksamen Blick. Damit das Negative, Lebensverachtende, Oberkritische nicht alles dominiert.“
Sehr persönlich
Vielleicht geht es nicht nur mir so: Die eigene Gedankenwelt braucht unseren aufmerksamen Blick. Damit das Negative, Lebensverachtende, Oberkritische nicht alles dominiert. Herzliche Einladung, einmal ehrlich nachzuschauen, was sich denn hinter der eigenen Stirn so tummelt. Gehört vielleicht etwas aussortiert? Ich selbst gehöre zu den selbstkritischen Menschen. Heißt, dass ich mir sehr wohl meiner Schwachstellen bewusst bin. Und da lauert schon die nächste Gefahr, ins Negative abzugleiten. Denn Selbstprüfung kann leicht in Selbstzerfleischung umschlagen. Resigniert, enttäuscht und ungnädig blicke ich auf das eigene Leben. Das bringt durcheinander, lässt an Gottes und meiner eigenen Gnade zweifeln, lehrt Grübeln und untergräbt Mut. Das ist nicht mehr das Gute, sondern eher das Böse. Raus aus der Selbstzerfleischung bedeutet mir: Ich glaube wieder der Gnade Gottes, schenke sie mir selbst, beende das Nachdenken, fasse Mut, möchte wieder tatkräftig werden. Damit ist die Krone gerichtet und das Gute behalten.
Gott gedient
Gottesdienst ist doch grundsätzlich etwas Gutes. Muss da denn dann noch drauf geachtet werden? Ich merke immer wieder, wie sich selbst über unsere guten Gottesdienste der Schleier des Negativen legt. Da sitzen wir sonntags in der Kirche und vermissen die Beispiele unserer Lebenswirklichkeit. Ärgern uns stattdessen über das Beispiel aus der Fußballwelt, die nichts mit uns zu tun hat. Und statt das zeitnah loszulassen, verhaken wir uns. Bleiben ungnädig anspruchsvoll. Verharren im Abchecken, Beurteilen und Prüfen. Wie wir da wieder herausfinden können? Durch zwei simple Fragen: Was hat mich heute persönlich berührt und angesprochen? Und: Was war gut für die Gesamtgemeinde? Beide Fragen ändern unseren Fokus und richten uns neu auf das Gute aus. Vielleicht motiviert uns das sogar, nach dem Gottesdienst noch für Wichtiges zu beten, für Mitarbeiter, unbekannte Gesichter, Belastete. Damit sind wir frei vom Negativen und voll angekommen im Guten!
„Während wir oft beiläufig und banal vom Guten reden, klingt ‚gut‘ in der Bibel ganz anders. Dort hat es einen starken Klang, weil Gott selbst als gut bezeichnet wird“
Beziehungsweise
Wir haben als Ehepaar kürzlich eine unerwartete Erfahrung gemacht: Gute Freunde zogen sich von uns zurück. Es gab keinen Streit oder Missverständnisse, sondern einfach ihrerseits das Bedürfnis nach anderen Schwerpunkten. Man, hat das weh getan, verwirrt, frustriert, verärgert und uns traurig gemacht! Nachdem der ganze Gefühlscocktail durch war, ging es dann darum, das Gute zu behalten. Für mich bedeutet das, die gute Gemeinschaft, leckeren Frühstücke und intensiven Gebetszeiten im Rückblick wertzuschätzen und angenehm in Erinnerung zu behalten. Damit ich zukünftig nicht verachtend und negativ über meine Freunde denke.
Kultur errungen
Kulturelle Güter sind beispielsweise schöne Künste wie Musik, Gemälde oder Literatur, Entwicklungen und Erfindungen in Wirtschaft, Politik, Gemeinwesen oder Technik. In meinen jungen Jahren habe ich innerhalb meines Beziehungsnetzes in Familie und Gemeinde eher Vorbehalte aufgenommen. Dabei sind Errungenschaften der Kultur echte Geschenke, weil sie unsere Welt schöner, bunter und vielseitiger machen. Für eins meiner letzten Buchprojekte habe ich mich ein weiteres Mal mit der Biografie von Jesus beschäftigt. Sein menschenzugewandter Lebensstil – in den Evangelien nachzuspüren – hat mich freigesetzt, das Gute in kulturellen Errungenschaften zu suchen und zu finden. Es ist gar nicht mal so schwer. Wenn ich heute einen Film schaue, stelle ich mir folgende Fragen: Was kann ich über Menschen oder die Welt lernen? Was sehe ich unter christlichen Gesichtspunkten anders? Wo und wie wird hier Gutes vermittelt?
Alles gut
Während wir oft beiläufig und banal vom Guten reden, klingt „gut“ in der Bibel ganz anders. Dort hat es einen starken Klang, weil Gott selbst als gut bezeichnet wird. Im Neuen Testament kann „gut“ unter anderem bedeuten: angenehm, brauchbar, schön, freundlich oder gütig. Beim Betrachten der Lebensfelder fällt mir auf: Wer den Fokus auf das Gute legt, empfängt unglaublich viel Leben! Eine positivere Gedankenwelt, angenehmeren Umgang mit sich selbst, wertschätzenden Rückblick auf vergangene oder gegenwärtige Beziehungen, Jesus-gemäßeres Denken über unsere Gottesdienste, einen gelassenen, neugierigeren Blick auf unsere Welt und sicher noch viel mehr. Ganz ehrlich, ich habe Lust auf so ein gutes Leben! Und ich spüre, dass ich selbst die Entscheiderin bin, ob ich mich in diese oder in eine andere Richtung bewege.
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