Immer nur der eine Weg
Andacht
Da kommen wir nicht drum herum. Wenn wir uns als Christen mit der Frage nach Toleranz beschäftigen, stoßen wir früher oder später auch auf den Anspruch Jesu, allein der Weg zum Vater zu sein. Zumindest dann, wenn ihn uns jemand provokant um die Ohren haut und meint, damit den Beweis zu haben, dass Christen eben nicht tolerant seien. Markus Pfeil hat dazu was zu sagen.
Ich erinnere mich noch an die „gute alte Zeit“, als man über Inhalte des Evangeliums noch vernünftig streiten konnte. Unvergesslich bleibt mir in diesem Zusammenhang meine erste Reise in das postsowjetische Kasachstan der 90er Jahre. Im Gespräch mit dem Bürgermeister einer Kleinstadt im Norden des Landes prallten unsere unterschiedlichen Weltanschauungen aufeinander. Wir waren mit einem kleinen Team nach Schitiqara gekommen, um den Menschen Jesus als den einzigen Weg zu Gott zu verkündigen. Der Bürgermeister wollte uns davon überzeugen, dass es diesen Gott nicht gibt, denn ihr Volksheld Juri Alexejewitsch Gagarin, der erste Russe im Weltall, hatte nach seiner Weltraummission verkündet, Gott dort nicht gesehen zu haben. Das war für den Bürgermeister Beweis genug. Dennoch durften wir unsere Botschaft in der Stadthalle verkünden und über einen regionalen TV-Sender ausstrahlen, und viele russischstämmige Kasachen kamen zum Glauben an diesen Jesus.
Gleich gültig. Oder gleichgültig?
Heute hat sich die Situation verändert, nicht nur in Kasachstan, wo Mission inzwischen verboten ist. In unserer westlichen Welt lässt sich nur noch schwer über den „richtigen“ Weg streiten. In unserer pluralistischen Gesellschaft, die unzählige Lebensentwürfe kennt, kann jeder nach seiner Fasson selig werden. Da wirken Wahrheitsansprüche jeder Art befremdend, wenn nicht sogar arrogant. Was aber nichts daran ändert, dass die Frage nach dem richtigen Weg im Leben einem tiefen Interesse eines jeden Menschen nach verlässlicher Lebensorientierung entspringt.
Früher war es kein Problem, fest davon überzeugt zu sein, dass Jesus der einzige Weg zu Gott ist, und gleichzeitig tolerant gegenüber Andersdenkenden zu sein. Heute sind wir durch die Philosophie des Relativismus geprägt. Sie besagt, dass jede Erkenntnis, bedingt durch den Standpunkt des Erkennenden, relativ ist und niemals allgemeingültig wahr sein kann. Folglich kann es nicht den einen richtigen Weg geben, und als tolerant wird derjenige angesehen, der alle Überzeugungen für gleich gut befindet und jeden Wahrheitsanspruch für gleich gültig hält. Viele sind beim Lesen vielleicht von selbst darauf gekommen, dass die Behauptung, jede Erkenntnis sei relativ, genauso relativ ist und deshalb auch nicht den Anspruch auf Richtigkeit erheben kann. Der Relativismus widerlegt sich also selbst. Aber er gesteht jedem seine eigene Wahrheit zu, und das kommt bei vielen gut an. Inzwischen sehen einige in jedem Anspruch auf Wahrheit die Gefahr von Diskriminierung. Man darf seine Meinung nur noch äußern, wenn sich ein anderer dadurch nicht herabgesetzt fühlt.
„Inzwischen sehen einige in jedem Anspruch auf Wahrheit die Gefahr von Diskriminierung. Man darf seine Meinung nur noch äußern, wenn sich ein anderer dadurch nicht herabgesetzt fühlt.“
Triebfeder ist die Sehnsucht
Bei der Funktionalität der Welt gilt in allen Bereichen das Konzept der Wahrheit. Sie ist nicht einfach eine subjektive Meinung oder eine soziale Konstruktion, sondern ein objektives und universales Konzept, ohne das wir nicht leben könnten. Denken wir nur an die Naturgesetze: Wir glauben, dass das Gesetz der Erdanziehungskraft wahr ist, und springen, wenn überhaupt, nur mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug. Auch die Wissenschaft geht davon aus, dass es Wahrheit gibt: Es gibt Medikamente, die helfen und heilen, und andere, die es nicht tun. Ebenso geht man vor Gericht davon aus, dass es eine Wahrheit gibt. Deshalb wird der Angeklagte nach der Wahrheitsfindung verurteilt oder freigesprochen. Wenn wir bei diesem Konzept bleiben, können nicht alle Religionen und Ideologien gleich gültig sein. Christen glauben, dass Gott in Jesus Mensch geworden ist und durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung für uns der Weg zum ewigen Leben wurde. Muslime schließen das kategorisch aus. Buddhisten glauben an keinen persönlichen Gott, und Hinduisten glauben an eine Vielzahl von Göttern. Heute haben wir es in Kasachstan vor allem mit ethnischen Kasachen zu tun, die man in den letzten drei Jahrzehnten zu reislamisieren versucht hat. Ihre Bereitschaft, mit uns über Glaubensfragen zu sprechen, ist bemerkenswert. Es geht dabei um ein echtes Ringen nach Wahrheit. Wir reden mit ihnen über die Bedeutung von Isa, dem arabischen Namen von Jesus, und trotz unterschiedlicher Auffassungen finden die Gespräche mit großem gegenseitigen Respekt statt. Triebfeder dabei ist die Sehnsucht nach verlässlicher Lebensorientierung.
Es gibt nur drei Möglichkeiten
Jesus ging es bei seiner Aussage nicht um eine dogmatische Richtigstellung, sondern um eine seelsorgerliche Antwort auf die Frage seiner Jünger nach Lebensorientierung. Nachdem er ihnen angekündigt hatte, sie zu verlassen und an einen Ort zu gehen, an den sie nicht mitkommen könnten, waren sie ängstlich und verwirrt. Jesus versicherte ihnen: Ihr könnt mir (wie bisher) vertrauen! „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich dann etwa zu euch gesagt, dass ich dorthin gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? (Das ist das Bild eines Bräutigams, der für seine Braut ein neues Zuhause vorbereitet und damit zum Ausdruck bringt, dass er es mit der Hochzeit ernst meint.) Und wenn ich einen Platz für euch vorbereitet habe, werde ich wiederkommen und euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Den Weg, der dorthin führt, wo ich hingehe, kennt ihr ja.“ Daraufhin fragt Thomas ihn nach dem Weg, den er nicht kennt. Jesus antwortet ihm: „Ich bin der Weg, ich bin die Wahrheit, und ich bin das Leben. Zum Vater kommt man nur durch mich.“ (Johannes 14,2–6)
Es bleibt auch für uns eine Frage des Vertrauens. Wir sind herausgefordert, die Selbstaussagen Jesu auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Wenn wir das Neue Testament betrachten, sehen wir, dass Jesus das Selbstverständnis hatte, Gott zu sein. Er war gläubiger Jude und wusste, dass man im Judentum über Gott nur mit äußerstem Respekt sprach. Die frommen Juden verstanden den Anspruch Jesu genau, deswegen wollten sie ihn am liebsten aus dem Weg räumen. Er wurde wegen dieses Anspruchs ans Kreuz genagelt, denn er behauptete von sich, denen, die an ihn glauben, ihre Sünden zu vergeben und ihnen ewiges Leben schenken zu können. Auf C. S. Lewis geht das Argument zurück, dass es eigentlich nur drei Möglichkeiten gibt, darauf zu reagieren: Jesus hat uns bewusst getäuscht, er hat sich geirrt oder er hatte recht. Wenn man davon ausgeht, dass das Neue Testament historisch gut belegt ist und verlässlich über Jesus berichtet, dann versetzt uns das in die Lage, selbst zu urteilen. Jesus macht mit der Art und Weise, wie er auftritt, nicht den Eindruck, uns oder sich selbst bewusst getäuscht zu haben. Dann bleibt nur noch die dritte Möglichkeit. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Und dann gibt es nur eine angemessene Reaktion: so wie Thomas, der Skeptiker (Johannes 20,28), Jesus als Herrn und Gott anzuerkennen.
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