Die Fragen sind die gleichen
Ratgeber
Können und sollen wir von der neutestamentlichen Gemeinde lernen, wie Gemeinde strukturiert sein muss? Wird alles besser, wenn die heutigen Gemeinden denen des Neuen Testaments ähnlicher werden? Und wie steht es um die Akzeptanz der Menschen außerhalb der Gemeinde? Dr. Hans-Georg Wünch hat zu diesem Thema nicht nur eine Menge Erfahrung, sondern auch eine dezidierte Meinung.
Wenn man die Apostelgeschichte und auch die Briefe des Neuen Testaments (NT) liest, hat man nicht den Eindruck, dass uns hier eine perfekte Gemeinde geschildert wird, die man einfach nur kopieren müsste. Es gab in den frühen Gemeinden eine Reihe von Konflikten. Sie entzündeten sich vor allem an der Frage, wo und wie die Gemeinde sich an die Gesellschaft anpassen muss und wo und wie sie dies eben nicht tun darf. Wie tolerant Gemeinde sein muss. Und wo sie das aufgrund ihres Auftrages und um ihres Herrn Willen nicht sein kann.
Fragen über Fragen
Da gab es zum einen den ständigen Konflikt zwischen den Christen mit jüdischem Hintergrund und denen aus dem nichtjüdischen, heidnischen Umfeld. Dabei ging es vor allem um die Frage nach der Gültigkeit des mosaischen Gesetzes. Der Galaterbrief behandelt eigentlich nur diese eine Frage. Aber auch innerhalb der nichtjüdischen Christenheit gab es viele Spannungen. Wie ging man zum Beispiel mit dem Problem um, dass die römische Gesellschaft vom Glauben an die griechisch-römische Götterwelt durchdrungen war? Dass alle, die Fleisch verkauften, immer einen Teil davon den Götzen opfern mussten? Durfte man als Christ dann von diesen Götzendienern Fleisch kaufen und es essen? Paulus spricht darüber vor allem im Römerbrief und im 1. Korintherbrief. Und wie lebte man als Christ in einer moralisch laxen Umwelt, in der außereheliche Sexualität häufig als völlig normal angesehen wurde? Paulus behandelt dieses Thema in vielen seiner Briefe und fordert die Christen dazu auf, hier wirklich einen Unterschied zu machen. Anders zu leben! Das sind nur ein paar der Konflikte, die damals die Gemeinde bedrohten. Und immer stand sie dabei in dem Zwiespalt zwischen Anpassung und dem Auftrag, anders zu sein.
„Wir lesen immer nur, wie es war. Aber sehr selten wird gesagt, wie es sein muss.“
Große Freiheit
Ohne jetzt auf alle diese Fragen einzugehen, kann man sagen, dass Paulus und die anderen Briefschreiber des NT immer ein großes Ziel hatten: Es ging ihnen um die Einheit und Reinheit der Gemeinde. Unterschiedlichkeiten sollten die Gemeinde nicht trennen, sondern sie sollten überwunden werden durch die Gemeinschaft, die vom Heiligen Geist her kam. Das bedeutete nicht, dass man einfach alles zuließ, alle Meinungen duldete. Vor allem in Fragen der Ethik und Moral war es Paulus wichtig, dass die Gemeinde sich an Gottes Richtlinien orientierte. Und wenn es gar um die Frage ging, ob man neben der Gnade Gottes in Jesus noch irgendetwas anderes brauchte, um gerettet zu sein, war Paulus in höchstem Maße intolerant. In Fragen des Verhaltens und der Überzeugungen dagegen galt: „Ein jeder sei seiner Meinung gewiss.“ (Römer 14,5) Der eine, so Paulus, hält alle Tage für gleich wichtig, der andere achtet auf die vorgeschriebenen jüdischen Feiertage.
Und noch in einem anderen Bereich lässt uns das NT große Freiheiten. In der Frage nämlich, wie Gemeinde strukturiert sein soll. Hier erfahren wir zwar einiges darüber, welche Strukturen es damals gab, aber wir finden kaum Vorgaben, an die wir uns halten müssten. So wurde die Gemeinde zur Zeit des Neuen Testaments von Ältesten geleitet. Neben den Ältesten gab es bald auch Diakone. Dies hatte die Gemeinde in Jerusalem eingeführt, weil die Ältesten die viele Arbeit, vor allem die Versorgung der Witwen und Waisen, nicht bewältigen konnten. Und für diese Ältesten und Diakone finden wir wichtige geistliche Voraussetzungen in den beiden Listen in 1. Timotheus 3 und in Titus 1. Aber wie wurden diese Ältesten und Diakone in ihr Amt berufen? Wurden sie gewählt oder von einem Apostel bestimmt? Und wie hängen die Ältesten mit den Leitungsämtern der Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer zusammen, die Paulus in Epheser 4 erwähnt? Viele Fragen, auf die das NT keine abschließende Antwort gibt. Sogar die Frage, ob eine Gemeinde von Ältesten geleitet werden muss oder ob es auch andere Strukturen geben kann, ist nicht geklärt. Wir lesen immer nur, wie es war. Aber sehr selten wird gesagt, wie es sein muss.
Auf den Inhalt kommt es an
Und wie ist es mit all den anderen Fragen zu Gemeindestrukturen? Wie passt ein Pastor, wie wir ihn heute oft haben, in die Struktur mit Ältesten und Diakonen? Oder darf es einen Pastor gar nicht geben? Was ist mit Frauen in Leitungsämtern? Sie sollen nicht das Lehramt innehaben, sagt Paulus. Aber was genau bedeutet das dann für uns heute, wo wir doch eigentlich gar kein Amt der Lehre mehr haben, jedenfalls kein Amt, bei dem diese Lehre an eine einzelne Person gebunden wäre? Und wie ist es mit Gruppen in der Gemeinde? Brauchen wir einen Jugendkreis, eine Kinderstunde, einen Teenkreis, einen Chor, eine Bibelstunde, Hauskreise oder Kleingruppen, einen Frauenkreis, einen Seniorenkreis? Das NT schweigt dazu völlig. Wenn wir uns dann den Gottesdienst anschauen: Heute ist ja die Predigt ein wesentliches Element davon. Einen Predigtgottesdienst in unserem Sinn finden wir aber im Neuen Testament überhaupt nicht. Der hat sich erst im Laufe der ersten Jahrhunderte der Kirchengeschichte entwickelt. Musikgruppen, ein Gottesdienstleiter – ebenso Fehlanzeige. Wir lesen zwar in 1. Korinther 14 davon, dass es im Gottesdienst der Gemeinde in Korinth so war, dass jeder, der ein Wort von Gott hatte, aufstehen und dies sagen konnte. Aber nirgendwo wird gesagt, dass dies in der Gemeinde Jesu so sein muss. Wir finden nur die inhaltliche Vorgabe, dass alles, was im Gottesdienst geschieht, eine Ordnung und Struktur haben soll. Nur eben nicht, welche.
„Die Formen richten sich danach, was in der jeweiligen Zeit und Kultur passend ist.“
Ich glaube, dass dieses Fehlen von strukturellen Vorgaben für Gemeinde etwas ganz Wesentliches ist. Das NT sagt uns, wie Gemeinde inhaltlich sein soll und was sie auszeichnen soll. Aber sie sagt nicht, wie das dann von den Formen her umgesetzt werden muss. Und das ist auch gut so. Denn die Formen richten sich danach, was in der jeweiligen Zeit und Kultur passend ist. Gemeinde muss immer wieder neu fragen, wie sie die vom NT vorgegebenen Inhalte in ihrer Zeit und Kultur am besten ausdrücken und leben kann. Dabei muss sie sich verändern. Die letzten Worte einer sterbenden Gemeinde sind: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Was Gemeinde dagegen nicht ändern darf, sind ihre Inhalte. Die Grundlage muss das Wort Gottes bleiben. Die Botschaft der Gemeinde darf nicht angepasst werden. Aber alles andere schon. Die Strukturen, die Lieder, die Abläufe – all das muss immer wieder überprüft und notfalls geändert werden. Wir müssen, wie Paulus in 1. Korinther 9,20–22 sagt, allen alles werden, um auf jede mögliche Weise so viele zu erreichen wie möglich.
„Ich bin bewegt, dass Gott selbst die wenigen intensiven Zeiten, die ich ihm einräume, mit Antworten und Beweisen seiner Liebe füllt.“
Gott sehnt sich nach uns. Das ist doch der Grund, warum er seinen einzigen Sohn ans Kreuz nageln ließ. Er hat die Zeiten mit Adam und Eva genauso genossen wie sie. Gehen wir weg von einem abstrakten Gott, den keiner fassen kann, zu dem Gott, der unsere Nähe sucht und in uns lebt. Natürlich ist er dennoch der souveräne, allmächtige, heilige Gott, der die Sünde hasst. Er muss sie ja hassen, weil sie sich zwischen ihn und uns stellt. Aber er ist eben auch der, der den Menschen, den Sünder liebt! Er weiß, wie begrenzt wir sind. Er ist die Liebe in Person. Und in dieser Liebe will und kann er uns ganz persönlich begegnen, weil Jesus das am Kreuz auf Golgatha ermöglicht hat. Der Weg zu Gott ist wieder offen. Nutzen wir ihn. Laufen wir in seine Arme. Er wartet darauf, mit uns seine Zeit zu verbringen.
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