Bedrängt, aber nicht allein unterwegs

Inspiration

Wie tolerant Menschen oder Systeme sind, spürt man schnell, wenn man einer Minderheit angehört oder sich für ihre Sache stark macht. Dabei fragt man sich dann wohl immer öfter auch nach der eigenen Positionierung. Wolfgang Häde schreibt über die Situation von verfolgten Christen und macht Mut, sie nicht alleinzulassen.

Der große Apostel Paulus sitzt in Rom im Gefängnis – aufgrund seiner Aktivitäten als Verkündiger der Botschaft von Jesus Christus. Von dort schreibt er Briefe an Gemeinden oder einzelne Mitarbeiter. Die letzten Verse dieser Briefe überlesen wir leicht. Da kommen ja keine großen theologischen Entwürfe vor, sondern eher sehr persönliche Grüße und Anweisungen des Apostels. Aber gerade in diesen letzten Versen können wir viel darüber erfahren, was ein verfolgter Christ – einer wie Paulus – braucht. 

Der Mann braucht Hilfe

Der 2. Brief an Timotheus ist wohl der letzte Brief von Paulus. Er rechnet damit, bald hingerichtet zu werden. Aber trotzdem hat er noch Bedürfnisse. Über seine Wünsche und auch darüber, wie verschiedene andere Christen darauf reagieren, erfahren wir manches in den letzten Versen des Briefes (4,9–22). Der Brief geht an Timotheus, den langjährigen Mitarbeiter. „Beeile dich, bald zu mir zu kommen.“ Paulus, der Mann Gottes, braucht Hilfe. Er ist auch nicht zu stolz, das offen zu sagen. Er wird sogar ganz konkret: „Den Mantel, den ich in Troas ließ bei Karpus, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente.“ Der Mantel ist wichtig, weil römische Gefängnisse auch im Winter nicht geheizt wurden. Deshalb präzisiert Paulus später noch: „Beeile dich, vor dem Winter zu kommen.“ Und er will Bücher. Der Verfolgte braucht auch geistige und geistliche Anregung. 

Paulus hat einen, dem er schreiben kann: „Beeile dich, bald zu mir zu kommen.“ Wie viele verfolgte Christen leben heute in Gefängnissen unter schlimmen Bedingungen! Vermutlich schreien manche von ihnen ähnlich: „Beeilt euch, bald zu mir zu kommen!“ Wir als Christen im Westen haben die großartige Chance, dazu beizutragen, dass ihre Rufe nicht ungehört bleiben. Der verfolgte Paulus registriert sehr genau, wie sich andere Christen in seiner Not zu ihm stellen. Manche kommen dabei nicht gut weg: „Demas hat mich verlassen und diese Welt liebgewonnen und ist nach Thessalonich gezogen“. Auch andere Christen wie Kreszenz stehen Paulus nicht mehr als Helfer zur Verfügung. „Die Welt liebgewonnen“ muss nicht unbedingt heißen, dass Demas die Nachfolge Jesu aufgegeben hat. Aber andere Dinge sind ihm wichtiger geworden.

„Wir als Christen im Westen haben die großartige Chance, dazu beizutragen, dass ihre Rufe nicht ungehört bleiben.“

Ich weiß noch, dass ich zögerte

W„Bei meinem ersten Verhör stand mir niemand bei“, berichtet Paulus. Möglicherweise haben manche Christen sich auch aus Angst von Paulus distanziert. Ihn zu oft zu besuchen oder gar beim Gerichtstermin dabei zu sein, konnte bei den römischen Behörden den Eindruck erwecken, der Besucher sei „noch jemand von der kriminellen Vereinigung“ des Paulus. Ich erinnere mich, wie ich als christlicher Mitarbeiter in der Türkei kurz zögerte, ob ich dem inhaftierten Pastor Andrew Brunson schreiben sollte. Würde ich dann auch zu sehr ins Blickfeld des türkischen Geheimdienstes geraten? Mir war dann zum Glück klar: Solche Bedenken dürfen mich auf keinen Fall davon abhalten, den Bruder mit einer kleinen Geste zu stärken. 

„Lukas ist allein bei mir.“ Lukas, der griechische Christ aus Antiochia, ist ein erstaunlicher Mitarbeiter des Paulus. Als Arzt hätte er vermutlich Karriere machen und reich werden können; aber er weiht sich dem Dienst des Gottesmannes Paulus. An den „Wir“-Berichten in der von Lukas verfassten Apostelgeschichte können wir nachverfolgen, wie oft Lukas auch in kritischen Situationen in der Nähe des Verfolgten war. Als Paulus und Silas in Philippi eingekerkert werden, ist Lukas nicht weit. Als Paulus im vollen Bewusstsein der Gefahren nach Jerusalem reist, begleitet Lukas ihn. Schließlich ist er dabei, als Paulus mit einem Gefangenentransport nach Rom gebracht wird. Das war keine Urlaubsreise. Unterkunft und Ernährung auf dem Schiff waren vermutlich nicht gerade luxuriös. Lukas ist auch dabei, als nach einem Schiffbruch alle in Lebensgefahr sind. Und auch jetzt: „Lukas ist allein bei mir.“

Aus dem Rachen des Löwen

Was braucht ein verfolgter Christ? Paulus steht auch exemplarisch für das, worin weltweit viele verfolgte Christen uns im Westen herausfordern. Ja, Paulus schweigt nicht über seine Bedürfnisse; aber der 2. Timotheusbrief ist auch nicht von vorne bis hinten von Jammern und Klagen geprägt. Das, was den verfolgten Paulus im Tiefsten bewegt, ist die Sache Gottes. Selbst in seiner Einsamkeit schickt er Tychikus nach Ephesus – vermutlich, um sich dort an seiner statt um christliche Gemeinden zu kümmern. Wir wissen aus anderen Briefen, dass es Paulus gerade auch im Gefängnis stärkt, wenn er von Christen draußen hört, die treu Jesus nachfolgen und sein Wort verkündigen. Selbst als Paulus von der Gerichtsverhandlung erzählt, die durchaus im „Rachen des Löwen“ hätte enden können, also mit der Todesstrafe, berichtet er mit besonderer Begeisterung davon, dass er sogar vor Gericht das Evangelium erklären konnte: „Der Herr … stärkte mich, damit durch mich die Botschaft ausgebreitet würde und alle Heiden sie hörten.“ Wenn ich Berichte von verfolgten Christen lese oder höre, die nicht aufhören, Gelegenheiten zum Zeugnis zu nutzen, obwohl sie dadurch wieder im Gefängnis landen können, hinterfrage ich mich sehr. Warum bin ich so zögernd dabei, zum Beispiel christliche Broschüren weiterzugeben?

„Das, was den verfolgten Paulus im Tiefsten bewegt, ist die Sache Gottes.“

Der verfolgte Paulus hält durch die Gnade Gottes durch. Entscheidend ist dabei seine Gewissheit, dass es eine Rettung gibt, die über die Rettung vor dem Löwen hinausgeht. Er ist dankbar, dass Jesus ihn für jetzt „erlöst hat aus dem Rachen des Löwen“. Aber umso wichtiger ist es ihm, zu betonen: „Der Herr aber wird mich erlösen von allem Übel und mich retten in sein himmlisches Reich.“ 

Verfolgte Christen brauchen unsere Hilfe – ganz praktisch und vielleicht auch mit Opfern für uns verbunden. Gleichzeitig fordert Jesus uns durch Menschen, die Schlimmes leiden und trotzdem ganz auf Gottes Sache ausgerichtet sind, heraus. 

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