Mir war klar, was ich zu tun hatte

Bericht

Was passieren kann, wenn Menschen samstagnachmittags über Not und Möglichkeiten nachdenken, wenn sie telefonieren, reden und entdecken, dass Gott ganz offensichtlich wieder einmal seine Finger im Spiel hatte und dass das, was einem zunächst wie eine eigene Idee vorkam, nichts anderes als die Führung Gottes war, erzählt Sven Hirsch.

Ich bin seit einigen Jahren freiberuflicher Architekt und habe ein eigenes Büro. Wir haben den Auftrag bekommen, auf mehreren zusammenhängenden bebauten Grundstücken ein neues studentisches Quartier mit Restaurants, Läden, Büros und studentischem Wohnen zu entwickeln. Das Projekt läuft immer noch und soll etwa 2024 realisiert sein. Das war der Stand in den ersten Tagen nach dem Angriff von Putin auf die Ukraine. Wir hatten in der Gemeinde durch eine Ukrainerin und unsere Jugendreferentin erste konkrete Anfragen zur Hilfe. Und dann haben wir mitbekommen, dass die ersten Busse mit geflüchteten Ukrainern auch nach Hildesheim unterwegs waren. Wir wurden gebeten, unsere Häuser zu öffnen, um diesen Menschen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Jede Menge Wohnraum

In unserer Familie haben wir diese Anfrage besprochen und bewegt. Und dann kam der Gedanke, dass wir bei dem oben beschriebenen Projekt über vier Mehrfamilienhäuser sprechen, deren Wohnungen bereits leer stehen, da sie für den Neubau weichen müssen. Das ist jede Menge Wohnraum für jede Menge geflüchteter Ukrainer. Mir ging dieser Gedanke nicht aus dem Sinn, und ich verspürte den Drang, obwohl es Samstag war, den Eigentümer, unseren Bauherren, anzurufen. Also wählte ich seine Nummer und sprach meine Gedanken kurz an. Meine Hoffnung für das Gespräch war es, meine Idee zu skizzieren und dann mit ihm in Ruhe in den kommenden Tagen zu besprechen und abzuwägen, ob es eine Möglichkeit geben könnte, diese Wohnungen für die geflüchteten Menschen zur Verfügung stellen zu können. Aber Gott hat aus diesem Gespräch einen besonderen Moment kreiert. Der Eigentümer hatte selbst an diesem Tag bereits mit seiner Frau über diese Wohnungen gesprochen. Nun kam ich mit der Idee, und er war sofort begeistert. Er sicherte mir am Telefon zu, dass er die Wohnungen kostenfrei für ein Jahr zur Verfügung stellen und sämtliche Nebenkosten übernehmen werde. Im Gegenzug sollte unsere Gemeinde die Wohnungen kostenfrei renovieren und einrichten. Den Zustand der Wohnungen kannten wir zu diesem Zeitpunkt übrigens beide nicht, und so verabredeten wir uns für den Montagmorgen zur Besichtigung. Kurze Zeit später rief er noch einmal kurz an und fragte nach der genauen Bezeichnung unserer Kirchengemeinde. Für mich war das alles ein großes Wunder und Gottes Zusammenfügen von Menschen und Organisationen. Aus irgendwelchen Gründen vertraute der Bauherr unserer Gemeinde, die er nicht kannte, diese Wohnungen an.

„Aber Gott hat aus diesem Gespräch einen besonderen Moment kreiert. Der Eigentümer hatte selbst an diesem Tag bereits mit seiner Frau über die Wohnungen gesprochen. Nun kam ich mit der Idee, und er war sofort begeistert.“

Jede Menge Helfer

Am Montag 07.03. ging es dann los. Wir haben uns zu einem Leitungsteam von vier Personen zusammengetan und überlegt, welches die nächsten Schritte sind. Wir haben ein erstes Treffen angeschoben, bei dem wir Menschen eingeladen haben, die verantwortlich einen Bereich übernehmen wollten. Dieses Treffen fand dann drei Tage später statt und es kamen mehr als 30 Personen. Und schon bei diesem Treffen zeigte sich, dass sich neben unserer Gemeinde weitere Menschen und Organisationen hinter diese Idee stellten und zusammen anpacken wollten. Es war großartig zu erleben, wie Menschen unbürokratisch und leidenschaftlich „anpacken“ wollten. Das zog sich wie ein roter Faden durch das Projekt. Vom Telekommunikationsunternehmen, das die Internetanschlüsse sponserte, bis zur Pizzeria, die den Helfern am Samstag die Pizza schenkte, vom DRK, das Schränke und Fahrzeuge zur Verfügung stellte, bis zum Handwerker, der Mitarbeiter von anderen Baustellen abzog, um unsere Wohnungen wieder in Gang zu bringen, von der Zeitung, bis zur Stadt Hildesheim wurde an einem Strang gezogen. Es war überwältigend zu sehen, dass dieses Projekt groß genug war, alle zusammen zu bringen. Und wir als Gemeinde mitten im Zentrum des Netzwerkens und Helfens. Gott ist wunderbar!

Jede Menge Gemeinschaft 

Nachdem ich die ganze Sache initiiert hatte, war ich natürlich auch dem Eigentümer gegenüber in Verantwortung gegangen und habe Verträge für unsere Gemeinde geschlossen. Mitarbeiter aus unserer Gemeinde und die Immobilienfirma unseres Bauherren blickten gespannt auf das Projekt, und Dank der Hildesheimer Zeitung auch die Bevölkerung. Da war schon eine Menge „Antrieb“ neben dem Punkt, dass es um die Hilfe für Menschen in Not ging. Aber viel wesentlicher waren der Antrieb und die riesige Freude, Teil dieses Hilfsprojektes zu sein, und zu erleben, wie unsere Gemeinde einfach nach der Covid-Zeit wieder zusammenarbeitete und gemeinsam Menschen eine würdige Zwischenunterkunft schaffen wollte. Es hat so viel Dynamik in die Gemeinschaft gebracht. Da waren alle, die sich in Covid-Abstands-Zeiten zurückgezogen hatten, wieder da und gaben begeistert ihre Zeit, ihr Geld und ihre Kraft in dieses Hilfsprojekt. Es war beeindruckend zu sehen, wie Gott uns gebrauchte, uns aber gleichzeitig auch beschenkte durch riesige Freude und Spaß an der großen Aufgabe.

Jede Menge Perspektive

Nun sind 152 Ukrainer in 41 Wohnungen eingezogen. Wir konnten durch die Kooperation mit dem DRK vier Betreuungsstellen schaffen, um die zahlreichen Aufgaben zu bearbeiten. Wir haben sogar einen VW-Bulli für die Arbeit bekommen. Es sind Deutschkurse eingerichtet worden, und immer haben sich Menschen von außerhalb der Gemeinde gemeldet und Unterstützung angeboten. Der Alpha-Kurs unserer Gemeinde wurde mit Tischen für die Ukrainer ergänzt, und es haben Menschen aus der Ukraine Jesus kennengelernt. Andere sind bereits als Christen nach Deutschland gekommen und machen sich Gedanken, wie sie hier Gemeinde leben wollen. Einige denken auf Grund ihrer familiären Situation – der Vater ist noch in der Ukraine – darüber nach, zurückzugehen, andere wollen bleiben und machen sich auf den Weg, die Sprache zu lernen und hier zu arbeiten. Für mich sieht es so aus, als wenn es zahlreiche Familien gibt, die hier bei uns bleiben werden. Für diese Familien ist es wichtig, ihnen dabei zu helfen, eine dauerhafte Wohnung zu finden. Eine Anstellung ist auf Grund des großen Bedarfs an Fachkräften gar nicht so schwer zu finden. Hier haben wir deutlich mehr Angebote als Menschen, die diese Arbeiten annehmen könnten.

Ich wünsche mir in jedem Fall, dass Gott die neuen Kontakte und Kooperationen auch über dieses Projekt hinaus aufrechterhält und wir gemeinsam weitere diakonische Arbeit in unserer Stadt ausrichten dürfen. Ich habe schon immer davon geträumt, dass die Gemeinde als Teil der Stadt wahrgenommen und eingebunden wird. Durch dieses Projekt ist mein Traum Realität geworden.

Sven Hirsch ist Architekt und Mitglied der FeG Hildesheim. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Seine Lebensmotivation: „Gott vertrauen, Menschen lieben, Leben gestalten“ wird in unterschiedlichen Projekten und seiner Leidenschaft für Gemeinde konkret.

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