Leichter gesagt als getan

Kolumne

Menschen lieben es, Dinge zu vereinfachen und auch komplexe Zusammenhänge schnell und effizient auf einen Nenner zu bringen. Runtergebrochen. Leicht verständlich. Einleuchtend und für die meisten Zeitgenossen nachvollziehbar. Dass das aber immer wieder leichter gesagt als getan ist, stellte Dr. Peter Tauber nicht zum ersten Mal fest, und biss sich für uns fast die Zähne aus.

Wenn wir aus christlicher Perspektive über Loyalität und Integrität sprechen, dann fällt mir sofort das Bibelwort aus dem Matthäus-Evangelium ein. Da sagt Jesus im 22. Kapitel, man solle dem Kaiser geben, was des Kaisers ist und Gott, was Gott gehört. Es gibt also mehrere Loyalitäten, die nebeneinander bestehen können. Das gilt auch für Glaube und Staat. Sie sind nicht zwingend eins – obwohl wir aus der Geschichte und mit Blick auf die Welt um uns herum feststellen müssen, dass diese Sicht längst nicht überall Gültigkeit hat. Auch wir Christen haben ja trotz der Worte Jesu für diese Haltung ein paar Jahrhunderte gebraucht.

Was ist der Wille Gottes?

Was aber tun, wenn es zum Konflikt zwischen verschiedenen Loyalitäten kommt? Petrus bezieht da in der Apostelgeschichte klar Stellung. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“, sagt er. Tja. Das sagt sich so einfach, und Petrus hat, wie wir wissen, seine eigene Geschichte mit der Loyalität gegenüber Jesus. Und der ist immerhin Gottes Sohn. Außerdem unterstellt der Satz ja, wir wüssten in jeder Situation ganz genau, was denn nun der Wille Gottes ist. Puh! Da bin ich mir sogar ziemlich sicher, dass der gerade nicht immer klar auf der Hand liegt. Denn Gottes Wege sind bekanntlich unergründlich. Doch wie soll man dann loyal bleiben und integer handeln? Oder ist Loyalität heute vielleicht gar nicht mehr so wichtig? Vielleicht kräht kein Hahn mehr danach, wem gegenüber wir loyal sind. Alles ist im Fluss. Ständig ändert sich die Welt. Warum dann nicht auch unsere Loyalitäten?

Und richtig kompliziert wird’s, wenn unsere Loyalität gegenüber Menschen auf die Probe gestellt wird. Auch da besteht unser Leben ja aus einem Beziehungsgeflecht, das uns trägt. Aber bisweilen wird die Tragfähigkeit ziemlich hart getestet und einzelne Beziehungen belastet. Wie entscheiden wir dann? Und können wir da verschiedenen Menschen gegenüber loyal sein und bleiben?

„Doch wie soll man dann loyal bleiben und integer handeln? Oder ist Loyalität heute vielleicht gar nicht mehr so wichtig?“

Den Eid des Lebens leisten

Als Historiker und Reserveoffizier ist mir das Thema Loyalität neulich ganz unverhofft und aus einem ganz anderen Blickwinkel begegnet, den ich gerne mit Ihnen und Euch teilen möchte. Gerade schreibe ich für die Bundeswehr einen Text für das Handbuch der Inneren Führung. Die Innere Führung ist ein Konzept – manche sagen die Führungsphilosophie der Bundeswehr –, das helfen soll, funktionsfähige und einsatzbereite Streitkräfte in einer freien und demokratischen Gesellschaft bereitzustellen. Dort gibt es in der ersten Ausgabe dieses Handbuchs aus dem Jahr 1957 ein Kapitel über den Eid. Und der Eid ist eine formalisierte und auf Dauer ausgelegte Loyalitätsbekundung, die übrigens wechselseitig ist. Es gibt Eidgeber und Eidnehmer. So ein bisschen wie in unserer Beziehung zu Gott.

Wir diskutieren heute immer wieder, ob man bei einer Eidesleistung den Gottesbezug mitspricht. Diese Debatte war den Autoren dieses ersten Handbuchs völlig fremd. Für sie war klar, dass ein Eid ohne Gottesbezug nicht geht. Wie jetzt? Ein Eid, der zur Treue gegenüber dem Staat, der Nation verpflichtet, der soll sich zwingend auf Gott berufen? Ist das nicht angesichts der von mir eingangs formulierten Gedanken ein Widerspruch? Nun, zumindest die Autoren des Handbuchs von 1957 sahen das ganz anders.

Die unbestechliche Instanz

Das Handbuch beginnt im ersten Kapitel mit dem Eid. Der soldatische Eid war damals und ist bis heute die Grundlage des Dienstes in einer Armee. Der Eid ist die Grundlage von allem. Er definiert Loyalität und Integrität. Er ist ein Versprechen. Im alten Handbuch heißt es: „Dieses Versprechen aber wird vor der höchsten und letzten Instanz dieser Welt geleistet; vor einer absoluten und unbestechlichen Instanz. Wir legen das Urteil über den Ernst dieses Versprechens und über den Grad der zukünftigen Bewährung ganz in die Hand dessen, dem einzig und allein totaler Gehorsam gebührt.“ Das ist ja ein starkes Stück. Eine Armee macht sich die Haltung des Petrus zu eigen. Die Treuepflicht und Loyalität gegenüber dem Staat finden dort ihre Grenzen, wo dieser verlangt, dass man gegen die Gebote Gottes handeln soll. Wenn das mal keine klare Ansage für einen Soldaten ist. Der Eid bedeutet eben nicht, blind zu gehorchen, sondern er verlangt, dass ich mich prüfe. Und der Staat nimmt sich selbst zurück. Er verneint den Anspruch auf absoluten Gehorsam und ordnet sich den Geboten Gottes unter. Ausdruck findet das im Artikel 1 des Grundgesetzes und der Würde des Menschen, die unverletzbar ist.

Weiter heißt es nämlich: „Für den Christen kann und darf darüber kein Zweifel bestehen, dass der vor Gott geleistete Eid auch eindeutig die Grenzen und das Ende der übernommenen Verantwortung setzt. Wenn wir Gott mehr gehorchen sollen als den Menschen, kann der Eid nicht zum Bruch von Gottes Gebot verpflichten.“

Doch damit nicht genug. Den Autoren war es wichtig, noch etwas anderes unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen: Das Unerhörte ist, dass der Anspruch auf Loyalität gegenüber den Geboten Gottes auch Gültigkeit erlangt gegenüber denjenigen, die gar nicht an ihn glauben. „Aber auch der, der nicht an einen personalen Gott glaubt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er den Eid vor einer letzten Instanz ablegt. Wer aber keine sittlichen Werte erkennen und anerkennen kann, stellt sich selbst im Grunde außerhalb unserer Ordnung.“ Auch das ist ein interessanter Gedanke, der weiterführt. Wer den Gottesbezug bei der Eidesformel weglässt, will sich nicht binden, keine echte Loyalität stiften! Das wäre ja eine steile These. Auch darüber sollten wir reden.

„Aber auch der, der nicht an einen personalen Gott glaubt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er den Eid vor einer letzten Instanz ablegt. Wer aber keine sittlichen Werte erkennen und anerkennen kann, stellst sich selbst im Grunde außerhalb unserer Ordnung.“

Gottes Erwartung ist recht einfach

Am Ende bleibt: Loyalität wird von uns immer wieder gefordert, und wir fordern sie selbst von anderen uns gegenüber. Das gilt für unseren Staat und unser Gemeinwesen, für unseren Nächsten, für Freunde und Familie und für Gott. Es kann zum Widerstreit von Loyalitäten kommen, muss es aber nicht. Wir können uns dabei der Loyalität Gottes sicher sein als Christen. Das gilt auch, wenn wir Fehler machen. Denn ich bin mir sicher, dass Gottes Erwartung an uns recht einfach ist. Wenn wir ihn fragen würden, wem wir uns verbunden fühlen sollen, dann würde er wahrscheinlich auf seinen Sohn zeigen, der für uns Mensch geworden ist. 

Also bleibt am Ende nur diese Frage: Wem sollen wir uns nun eigentlich verbunden fühlen? Es ist eigentlich ganz einfach! Dem Menschsein. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Dr. Peter Tauber lebt aus Leidenschaft in Gelnhausen und ist ein echter Familienmensch. Er fährt gern tolle Autos, leidet an und mit Kickers Offenbach und meint als Historiker, Christ, Politiker und Mensch: „Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.“ petertauber.de

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