Kosse malt

Interview

Wenn einer, den man bislang öffentlich als Musiker kannte, plötzlich zu Palette und Pinsel greift, dann darf man schon mal nachfragen. Und wenn die Bilder so genial großartig sind wie seine, dann erst recht. Lothar Kosse setzt neben seiner Virtuosität auf der Gitarre noch eins drauf. Das Gespräch führte Detlef Eigenbrodt.

Lothar, vom Musiker zum Maler – warum der Switch?

Nun, ein wirklicher Switch ist das nicht. Es ist eher ein neues kreatives Terrain, das immer schon darauf gewartet hat, entdeckt zu werden. Ich habe vor vielen, vielen Jahren Architektur studiert und während des Studiums sehr viel gezeichnet. Mit meinen Studentenfreunden bin ich durch halb Europa gezogen und immer hatte ich einen Zeichenblock dabei, um das festzuhalten, was ich so sah, vor allem Architektur. Vor etwa 3 Jahren dann planten meine Schwester und meine Mutter, beides gute Malerinnen, eine gemeinsame Ausstellung in Bayern. Ich sollte auch ein paar Bilder dazu beisteuern, hatte aber nur meine alten Skizzen. Da noch etwas Zeit war, hab´ ich mir ein paar Leinwände und Ölfarben gekauft und einfach mal losgelegt. So ging‘s los und seitdem lässt mich die Malerei nicht mehr los.
 

Dann herzlichen Dank an deine Mutter und Schwester! Erinnerst du dich noch an dein erstes Bild? Wie war das …?

Ja, deutlich. Es ist ein Bild eines auslaufenden Fährschiffes in einem ostfriesischen Hafen. Es war ein ganz besonderer Abend mit meinem Sohn Simon mit vielen wunderbaren Eindrücken. Das wollte ich unbedingt bildhaft festhalten.
 

Lässt sich denn etwas einfach so bildhaft festhalten, nur weil der Eindruck schön war? Oder gibt’s da auch „Verzweiflungsmomente“?

Och, da gibt es viele. Jedes Bild hat seine eigene Herausforderung und wie in jedem kreativen Schaffensprozess, gibt es zwischen Vision und Visionserfüllung ein Tal des Zweifels. Da muss man durch. Das kenne ich auch aus der Musik, vor allem bei CD-Produktionen. Das kann man eigentlich schon direkt einplanen, dann ist man nicht so irritiert.
 

Du hast ja den Zusammenhang zwischen Musik und Malen schon angesprochen. Findest du im Malen denn etwas, dass du beim Musikmachen nicht findest? Hast du da mehr Ausdrucksformen?

Die Malerei spricht einfach andere Sinne an. Musik lässt sich nicht festhalten, sie ist nicht zu greifen, denn sie ist in der schwingenden Luft zu Hause und somit dem flüchtigen Moment untertan. Die Malerei, vor allem die impressionistische Malerei, ist auch nur eine flüchtige Momentaufnahme, allerdings lässt sich dieser flüchtige Moment in einem Bild festhalten, das ihn vor dem Vergessen bewahrt. Die Musik können wir mittlerweile auch festhalten, aber wir müssen sie immer wieder in die Zeit zurückholen, einfach in dem wir uns die Zeit nehmen sie erneut anzuhören. Das brauchen wir beim Bild nicht, weil das Bild jederzeit in einem Augenblick ganz erfahrbar ist.
 

Spielt Ordnung bei dem, was du als Künstler tust, eigentlich eine Rolle?

Ja, die innere Ordnung eines Musikstückes und die eines Bildes sind vielfach sehr ähnlich. Auch ein Bild braucht Rhythmus. Es braucht Struktur, ein Thema, es braucht Tiefe, es braucht „Klangfarben“, genauso wie ein guter Song.
 

Wenn du malst – wie erlebst du dich dann? Kannst du das beschreiben?

Das Schönste beim Malen ist, wenn man in einen „Flow“ kommt. Wenn man eine Spur gefunden hat, die einen ganz gefangen nimmt und man alles um sich herum vergisst. Das ist auch das Schönste für mich beim Musikmachen. Wenn man zu einem Solo ansetzt und spürt, dass man in diesen Fluss kommt und nicht mehr darauf achtet, was man spielt, sondern einfach nur seinen innersten Emotionen Töne verleiht und so mit Gott in Berührung kommt. Ich nenne das Anbetung.
 

Ist das ein Automatismus? Oder sitzt da schon auch mal was quer?

Hmmm, ich glaube, dass wir die Kunst in unseren Kirchen oft dazu instrumentalisieren, einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Musik, das sind für uns häufig die drei Lieder vor einer Predigt, und Bilder sind manchmal nur dazu da, etwas Religiöses zu illustrieren. Ich nehme Gottes Schöpfung ganz anders wahr. Sie ist in sich zweckfrei. Gott hat nicht erschaffen, „damit“ etwas erreicht wird. Das hätte er gar nicht nötig gehabt, denn immerhin hat er sich ja aus ganz freien Stücken dazu entschlossen, den Ball überhaupt ins Rollen zu bringen. Er hat die Dinge erschaffen, weil er eine unbändige Freude daran hatte. Und diese unbändige Freude ist immer der Kern eines wirklich guten Kunstwerks.
 

Zurück zur Musik: Welches war der beste Song, den du je geschrieben hast?

Der beste Song – das kann ich dir nicht sagen. Aber es gibt einige Songs, die ich wirklich mag und die sich auch in meiner „alltime favorite Playlist“ befinden. Ein neuerer Song, den ich sehr mag und der auch auf meiner neuen CD zu hören ist, heißt „Heimathafen“.

 

Um was geht’s darin?

Es ist die Beschreibung einer langen Seereise. Eigentlich die Reise unseres Lebens. Ich habe den Song zum einen geschrieben, weil ich gerne Bücher über die Seefahrer lese, die unsere Welt entdeckt haben. Und zum anderen, weil ich es liebe aufzubrechen, aber auch in den „Heimathafen“ zurückzukehren. Ich habe den Song zuerst nur ganz schlicht mit Akustikgitarre und Gesang aufgenommen und mein Freund Gerd Gerdes hat ein wunderbares Arrangement dazu gemacht.
 

Gibt’s denn bald auch wieder neue Musik von dir oder hast du dieser Kunst so ganz den Rücken gekehrt?

Nein, der Musik könnte ich nie den Rücken kehren. Sie wird immer meine größte Leidenschaft bleiben. Und ja, es gibt eine neue CD von mir, die am 24. September erscheinen wird. Sie heißt „Das Licht kommt näher“ und nach über einem Jahr Arbeit daran freue ich mich riesig darauf, sie endlich in den Händen halten zu können.

 

Sehr cool, ich bin gespannt. Danke, Lothar. Für deine Lieder, deine Bilder und für dieses Gespräch.

„Musik lässt sich nicht festhalten, sie ist nicht zu greifen, denn sie ist in der schwingenden Luft zu Hause und somit dem flüchtigen Moment untertan.“

 

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