Das brauch' ich nicht mehr
Essay
Keller, Küche, Kleiderschrank – alles Orte, an denen hin und wieder eine ordnende Hand vonnöten ist. Zum Aufräumen. Und zum Ausräumen auch. Zum Entsorgen und Entsagen. Da sieht man nach getaner Arbeit, was man geschafft hat. Verena Birchler findet das gut und wichtig, meint aber auch: „Bitte nicht den Kopf vergessen! Die Seele und das Herz!“ Denn auch da gehört Ordnung hinein.
Vor Kurzem bekamen wir einen neuen Nachbarn. Zusammen mit seiner neuen Lebenspartnerin zog er in eine 7-Zimmer-Wohnung. Also ordentlich viel Platz für zwei Personen, der ökologische Fußabdruck lässt grüßen. Zu dieser Wohnung gehört eine große Garage, die Platz für drei Autos, Werkzeugbank und viel Stauraum bietet. Noch während der neue Nachbar einzog, fragte er nach einem zusätzlichen Raum. Das Problem war, dass er alles mitgenommen hatte, das sich über viele Jahre in seinem ehemaligen Haus angesammelt hatte. Das Resultat; zwei seiner drei Autos haben keinen Platz mehr in der Garage. Ich würde sagen, da hat jemand eine große Chance verpasst, sein Leben ganzheitlich zu entrümpeln.
Seelische Mangelerscheinung
Dabei kennen wir alle das Glücksgefühl, wenn wir die drei Ks aufräumen. Keller, Kleiderschrank und Küche. Denn alles was wir entsorgen, macht auch Kopf und Seele frei. Wahrscheinlich haben wir das alle intensiv zu Beginn der Corona-Pandemie erlebt. Ein Aufräumfieber ging durch die Gesellschaft. Es wurde so viel Wohlstandsmüll entsorgt, dass die Wertstoffsammelstellen schier verzweifelten. Viele nutzten also die Pandemie, um in ihrem Leben aufzuräumen, und so manche haben realisiert, dass der materielle Überfluss durchaus zu seelischen Mangelerscheinungen führen kann. Scheinbar kannte sogar schon Sokrates dieses Problem: „Wie zahlreich sind die Dinge, derer ich nicht bedarf.“
Dieses Aufräumen während der Pandemie machte nicht mal vor der Kirche halt. Eine reformierte Kirchgemeinde im Kanton Graubünden in der Schweiz entfernte im Rahmen einer Sanierung die Sitzbänke. Stattdessen soll im freigewordenen Raum ein langer Holztisch aufgebaut werden. Ganz nach dem Motto: 700 Jahre Bänke sind genug. Natürlich erinnert die Idee an „Das letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci. Die Verantwortlichen wollen damit eine neue Form der Gastfreundschaft vermitteln und zeigen, dass alle Menschen auf Augenhöhe miteinander die Gemeinschaft gestalten können.
Mentale Keller
Wir nehmen uns viel zu wenig Zeit, um über den gedanklichen Müll in unserem mentalen Keller nachzudenken. Warum geben wir negativen Gedanken meistens mehr Raum als positiven? Wir sind wütend, nachtragend, sehen schnell bei anderen, was sie falsch machen. Der negative Grundtenor wird noch geschürt, wenn wir zu viel Zeit in den sozialen Medien verbringen. Die Stimmung ist dort zeitweise wirklich im Keller. Dieser Tendenz stellt Petrus in seinem ersten Brief, Kapitel 3, Vers 8 bis 12, viel Achtsamkeit entgegen. Böses mit Bösem zu beantworten, Beleidigung mit Beleidigung zu begegnen, unbarmherzig zu sein – all das bringt uns nicht weiter. So wie wir den Müll aus dem Keller entsorgen, sollten wir auch mal durch unsere Gedanken gehen. Aufräumen heißt vergeben, barmherzig und geduldig werden. Ich höre oft den Satz „Ich kann vergeben, aber vergessen werde ich das nie.“ Dieser Satz zeigt, dass wir immer noch Gedankenmüll in unserem mentalen Keller lagern, den wir entsorgen sollten. Das gibt Gottes Geist die Möglichkeit, unser Leben mit neuen Gedanken zu füllen.
Geistliche Küche
Um in unserer geistlichen Küche Gutes zu kochen, brauchen wir gar nicht so viel. Wenn wir durch eine Buchhandlung gehen, sehen wir ganze Regale voller Bücher zum Thema „Lebensoptimierung“. Aber letztlich braucht es die genauso wenig, wie die über 40 Messer in der Besteckschublade meiner Nachbarin. In einem früheren Werbeslogan einer bekannten Automarke hieß es mal „reduce to the Max“. Ich mochte diesen Slogan genauso wie den Psalm 37. Vor allem die Verse 4 und 5: „Habe deine Lust am Herrn; der wird dir geben, was dein Herz wünscht. Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird's wohl machen.“ Letztlich bestimmt die Qualität unserer Gottesbeziehung unser ganzes Leben. Manche machen daraus eine Art spirituelles Leistungscenter und kochen ihren theologischen Firlefanz. Dies funktioniert immer nach dem Motto „Wenn – dann“.
Kürzlich sah ich am Straßenrand ein großes Plakat, auf dem zu lesen war: „Sucht die Nähe Gottes, dann wird er euch nahe sein.“ Viele finden dieses Wort aus Jakobus 4,8 gut. Aber hat uns Gott nicht auch zugesagt: „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“ (Jeremia 31,3)? Wenn ich für diese Zusage Raum in meinem Herzen schaffe, verändert sich mein Denken. Solche „Wenn-dann“-Sätze sind anerzogen, belasten meine liebende Beziehung zu meinem Schöpfer und lassen wenig Raum für die qualitativen Zutaten für ein gelingendes Leben mit Gott. Diese Aussagen lasse ich nicht mehr in mein Leben. Nicht in die kleinste Ecke. Raus damit. Das schafft Platz für ein wichtiges Prinzip: „Liebe Gott und lebe.“ Diese Liebe zu Gott lässt mich lieben, leben, lachen. Ohne Ballast, dafür mit offenem Herzen.
Klasse Kleider
Diesen Satz haben wir schon oft gehört, doch was sehen die Leute wirklich? In meinem geistlichen Kleiderschrank geht es natürlich nicht wirklich um Kleider. Vielmehr geht es darum, was und wie Menschen uns sehen. In unserer Zivilisation haben Kleider unterschiedliche Funktionen. Sie schützen uns vor äußeren Einflüssen wie Kälte, Hitze, Sonne und Regen. Aber sie sind auch wie eine zweite Haut. Am Morgen vor dem Spiegel entscheiden wir, was wir anziehen möchten. Was wir damit über uns selbst aussagen wollen. In diesem Zusammenhang gefällt mir der Apostel Paulus, der im Kolosserbrief einen auf Modeberater macht. „So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld;
und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.“ Kolosser 3,12 – 14.
Wenn wir wirklich in unserem Leben, in unseren Gedanken, in unserer Seele entrümpeln und aufräumen, wird manches viel leichter. Weil Freude einkehrt. Liebe Gott und lebe!
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