Tante Kläre und die Gummibärchen

Erziehung

Da kriegt man endlich das langersehnte Modell des Segelbootes und darf nicht damit spielen, bevor man auch schön brav „Danke“ gesagt hat. Was dem einen pädagogische Pflicht, ist dem anderen unverantwortbare Manipulation. Wieder einmal scheiden sich die Geister. Wir wollten von Siegbert Lempfuhl wissen, wie er es mit der Erziehung zur Dankbarkeit hält.

Wenn man etwas geschenkt bekommt, muss man auch Danke sagen! Das hat mir schließlich schon meine Mutti beigebracht. Und das müssen auch meine Kinder lernen. Wie ich das mache? Das habe ich doch gelernt, als ich noch zu Hause war. Aber war das auch richtig so? Bin ich als Kind dabei auch vorgekommen und berücksichtigt worden, oder ging es nur um Anstand und Eindruck? Was bei diesem Thema in einem Kind wirklich vorgeht beschreibt, die folgende humoristische Geschichte aus Mäxchen, oder wie ein Max entsteht, sehr gut:

Gib der Tante einen Kuss

„Als Tante Kläre wieder einmal zu Besuch kam, rannte ich ins Wohnzimmer und versteckte mich hinter dem Sofa. Dort saß ich ganz still, und der Kuchen, den ich mir schnell gegriffen hatte, ist alle, und die Sahne auch, und ich muss pupsen, und das mache ich auch ganz leise und ich warte, dass Tante Kläre es sagt und dann sagt sie es: „Wo ist denn mein kleiner Herzbube?“ Und das sagt sie natürlich nur, weil ich danke sagen und sie küssen soll für ihr kleines Geschenk. Eine Tüte Gummibärchen hatte sie mir mitgebracht. Das macht sie nämlich immer. Mit der einen Hand hält sie die Tüte hoch, und mit der anderen Hand zieht sie mich ganz stark zu sich ran. Aber ich ziehe ganz stark dagegen, weil sie mich abschlecken will. Und sie zieht immer doller, weil, sie ist stärker, und sie sagt: „Jetzt musst du mir aber auch ein Küsschen geben und Danke sagen. Du bist doch mein einziger Großneffe und ich habe doch nur dich!“ Und Mama und Papa sitzen daneben und gucken zu.“

„Dankbarkeit soll ein Kind lernen, weil es eine wichtige Haltung ist und sie sollte nicht mit Druckausübung, sondern mit gutem Vorbild vermittelt werden.“

Mäxchens Lebensweg, und ich kenne wirklich viele „Mäxchens“, ist vorprogrammiert. Was der Erwachsene sich oft nicht vorstellen kann, ist trotzdem wahr: was das Kind hier erlebt ist auf eine bestimmte Weise verletzend, und diese verletzenden Erfahrungen begleiten seine Beziehungen zu Menschen. Eltern, die ihr Kind lieben und respektieren, brauchen also ein gutes Konzept, um das zu verhindern. Und überhaupt: muss oder sollte ein Kind denn überhaupt „Danke“ sagen? Und wie bringt man es ihm bei? Diese Frage habe ich einigen Eltern gestellt und bekam die folgenden Antworten:

Vorleben anstatt vorschreiben

Sie machen einem ja doch alles nach… # Ich freue mich immer wieder über das Gesicht der wartenden Autofahrer, wenn unser Kindergartenkind auf seinem Fahrrad die Hand vom Lenker nimmt, um sich bei ihnen fürs Warten zu bedanken… # Ich lebe das Danken vor und möchte es meinen Kindern (2 und 0) nicht vorschreiben. Aber wenn wir mit anderen zusammen sind und ältere Personen fragen "Wie heißt das?" oder wenn sie dem Kind etwas schenken, rege ich mein Kind dazu an, sich zu bedanken. Das mache ich aber in dem Bewusstsein, dass er es in seinem Alter wahrscheinlich noch nicht versteht, worum es eigentlich geht… # Meine Kinder sollten sich für Geschenke bedanken, weil es ein Lebensprinzip ist, nichts für selbstverständlich zu halten… # Das vermittle ich natürlich ohne Druck auszuüben, indem ich ihnen erkläre, warum es sinnvoll und einfach richtig ist. Das vorzuleben ist mir wichtig, und im günstigsten Fall tun die Kinder es freiwillig, indem sie Bitte und Danke sagen. Ich selbst finde Dankbarkeit wichtig. Ich bin aber auch der Meinung, dass Dankbarkeit eine Haltung ist, die meine Kinder bei mir beobachten können. Auf keinen Fall soll es so sein, dass ich es von ihnen verlange und sie es automatisch tun. Im schlimmsten Fall ist es dann einfach eine Floskel ohne wahre Bedeutung… # Meine Kinder sollten sich für Geschenke bedanken, weil sie ein Gespür dafür entwickeln sollen, dass sich der Geber oder die Geberin (vermutlich) liebevolle Gedanken gemacht haben. So zeigen sie meinem Kind, dass es ihnen wichtig ist… # Wir wollen unseren Sohn gerne dazu erziehen, eine Haltung der Dankbarkeit zu entwickeln und diese dann auch dem Gegenüber auszudrücken. Das hat aber weniger damit zu tun, Hauptsache das „Zauberwort“ an der richtigen Stelle auszusprechen, um Erwachsene glücklich zu machen und das Richtige zu tun. Vielmehr geht es uns darum, dass er Dinge und Menschen wahrnehmen lernt und darauf freundlich reagiert. Ob das nun das Treffen von Leuten auf der Straße ist, zu denen er freundlich „Hallo“ sagt, oder ob er sich für etwas bedankt, das ihm gegeben/geschenkt wird… # Wir selbst wollen ein Umfeld schaffen, in dem er sich es von uns abschaut. Natürlich bestätigen wir ihn auch, wenn er Menschen freundlich wahrnimmt und Dankbarkeit ausdrückt. Und manchmal üben wir das auch gezielt, denn gerade wenn er ein Geschenk bekommt, kann er es schon mal vergessen. Da hilft vielleicht die Erinnerung oder Frage von uns, ob er Danke sagen möchte. Gängeln möchten wir auf keinen Fall.

Von Gott lernen, wie’s geht

In diesen zwei Punkten sind sich die hier angefragten Eltern offenbar einig: Dankbarkeit soll ein Kind lernen, weil es eine wichtige Haltung ist, und sie sollte nicht mit Druckausübung, sondern mit gutem Vorbild vermittelt werden. Also fängt Erziehung zur Dankbarkeit bei mir und bei Ihnen an. In der Bibel lesen wir auch an etlichen Stellen, dass wir Gott danken sollen. Es geht ihm dabei nicht um eine Floskel, sondern um unsere Haltung. Mit unserem Dank zeigen wir, dass Gottes Großzügigkeit bei uns angekommen ist. Wir können ja auch wahrnehmen, wie wichtig wir ihm sind. Und eine alte Weisheit sagt „Danken schützt vor Wanken“ Also das Danken festigt auch meine Haltung und vermittelt mir Stabilität. So können wir von Gott lernen, wie Erziehung gelingen kann. Ermutigung ist für ihn auch eine Normalität. Sie ist bei ihm ebenso normal wie Grenzsetzungen. Aber er übt auf uns keinen Druck aus. Ein „wie sagt man…?“ finden wir bei ihm nicht. Gott wartet immer auf unsere eigene Entscheidung. Erziehung zu Dankbarkeit lernen wir am besten, wenn wir erleben, wie Gott mit uns, seinen Kindern umgeht.

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