Abtreibung ist Mord - Kann man das nicht auch netter sagen?

Ethik

„Mein Bauch gehört mir“, sagen die einen und fordern damit das nahezu uneingeschränkte Recht, darin befindliches Leben zu töten. „Abtreibung ist Mord“, sagen die anderen. Beide provozieren eine gesellschaftliche Debatte, die es leider im Ergebnis nicht oder nur kaum gibt. Willkommen in einer modernen Welt, in der die, die am lautesten nach Toleranz rufen, am wenigsten bereit sind, diese auch zu üben. Hanne-Kerstin Götze hat sich dieses Themas angenommen.

Um das Thema Abtreibung war es merkwürdig still geworden. Und das, obwohl nach offizieller Statistik mehr als 100.000 Kinder pro Jahr in Deutschland und schätzungsweise 5 Millionen in den letzten 20 Jahren abgetrieben wurden. Seit kurzem ist das Thema wieder in den Blick der Öffentlichkeit gerückt: Es ging um das Werbeverbot bezüglich Abtreibung gemäß § 219a, den der Bundestag am 21. Februar 2019 handstreichartig gelockert hat: Jetzt darf man zwar nicht werben, aber informieren. Linke und FDP wollen § 219a komplett streichen. Die Jusos gehen noch weiter: Sie fordern ein Recht für die Frau auf Abtreibung bis zur Geburt. Werben, um zu töten? Töten als Recht?  So wird das natürlich nicht gesagt. Wenn etwas Furchtbares durchgesetzt werden soll oder schon längst üblich geworden ist, wird das immer in schöne, harmlose oder auch distanzierte Worte gehüllt: „Schwangerschaftsunterbrechung“ heißt es, „Schwangerschaftsgewebe“ werde entfernt, es gehe um „reproduktive Gesundheit“, „Freiheit“ und „Selbstbestimmung“ der Frau.  Es scheint niemandem aufzufallen, dass sich dieselben Kräfte (mit Recht) über das Kükenschreddern entrüsten.

Wollen Sie das Kind haben oder nicht?

Obwohl ich noch ein Kind war, erinnere ich mich noch gut daran, als 1972 in der DDR die „Fristenregelung“ verabschiedet wurde. Nachdem ich meine Mutter gefragt hatte, was das heißt, beruhigte ich mich dennoch mit dem Gedanken: „Das macht doch keiner, für so etwas braucht man doch kein Gesetz.“ Als ich aber selbst das erste Mal schwanger war, noch zur DDR-Zeit, erlebte ich folgendes: Mir ging es sehr schlecht, ich behielt überhaupt nichts bei mir und mein Kreislauf machte, was er wollte. Ich brauchte also dringend einen Frauenarzttermin. „Wollen Sie das Kind haben oder nicht?“ hieß es da unvermittelt am Telefon. „Wenn Sie das Kind haben wollen,“ erklärte die Schwester, „dann drängt die Zeit ja nicht.“ Mir war schwindelig, und das nicht nur, weil mir sowieso schlecht war. Als ich dann schon am übernächsten Tag einen Termin hatte, untersuchte mich die Ärztin und fragte dann wortkarg: „Wollen Sie das Kind haben, ja oder nein?“ Keinen Glückwunsch, keine freundliche Geste. Und sie hielt bereits einen einfachen A5-Zettel in der Hand, worauf ich hätte nur unterschreiben müssen. Ein Federstrich hätte genügt, und kein Hahn hätte mehr nach meinem Kind gekräht. Ich war wie vor den Kopf gestoßen, aber so war die gängige Praxis. Durfte man so mit dem Wunder des neuen Lebens und seiner Mutter, die es in sich trägt, verfahren? Erst nach der Wende erfuhr ich die Ausmaße, die das Geschehen auf dem Boden der DDR angenommen hatte: 2 Millionen Kinder durften nicht das Licht der Welt erblicken, statistisch gesehen war jede 
zweite Frau betroffen.  

Das Herz schlägt. 150 Mal in der Minute.

Etwa zeitgleich erhielt ich ein Faltblatt über die Entwicklung des kleinen Menschleins im Mutterleib: Sein Herz schlägt schon sechs Wochen nach der Befruchtung 150 Mal in der Minute. Im Alter von 2 Monaten und bei einer Größe von 3 – 4 cm sind alle Organe vorhanden und seine Gesichtszüge geformt. Mit 12 Wochen ist es voll entfaltet und muss nur noch wachsen. Und zu keiner Zeit ist es nur einfach Schwangerschaftsgewebe. Der Mensch ist Mensch von Anfang an. Bereits im Verschmelzen von Ei- und Samenzelle liegt das ganze Potenzial des neuen kleinen Menschen begründet. Ein Geschöpf Gottes, auf Liebe hin angelegt!

Aus feministischer Sicht, und das ist längst die Sicht der öffentlichen Meinung, ist ein Kind eher ein Schadensfall. Und in der Tat: Wenn Sex, wie seit den 68ern in allen gesellschaftlichen Bereichen propagiert, ohne Liebe, Ehe und Verantwortung gelebt wird, dann braucht man die Pille, und wenn diese versagt, die Abtreibung. Und wenn das Kind geboren wird, dann braucht man mindestens Krippe und Ganztagsbetreuung. Und das alles, um so leben und sich verwirklichen zu können wie ein Mann. 

„Beratungsstellen haben beide im Blick – die schwangere Frau und ihr Kind, denn sie wollen beide retten. Bei einer Abtreibung stirbt nämlich nicht nur das Kind, es stirbt auch etwas in der Frau.“

Die Abtreibung als einziger Ausweg.

Wer wollte jedoch verhehlen, dass das Leben schwierig sein und man in große Not geraten kann? Aber ist es dann menschenfreundlich, einer Frau die Freiheit anzubieten, das Leben ihres Kindes zu beenden? Genau das soll uns eingeredet werden: Mit der Abtreibung winke das Glück, ja, der einzige Ausweg, das entstandene Kind als schier unlösbares Lebensproblem ungeschehen zu machen. Und damit es leichter und unpersönlicher wird, wird dem, was da entstanden ist, das Menschsein abgesprochen. Dann ist das auch kein Töten mehr, sondern nur ein „Abbruch“. Ist das aber so? Winken wirklich Freiheit und Glück? Es war in den 90ern, da traf ich eine junge Mutter aus der Nachbarschaft regelmäßig auf dem Spielplatz. Sie hatte genauso wie ich derzeit zwei kleine Kinder. Eines Tages sagte sie zu mir. „Du, ich bin schwanger. Was soll ich nur machen? Mein Mann will das Kind nicht, er ist ja arbeitslos und hat keine Aussicht auf Arbeit.“ Weil das Geld knapp war, stand ihr Wiedereinstieg nach dem Elternjahr in den Job bevor, als Hauptverdiener. Sie weinte verzweifelt. Ich versuchte, ihr Mut zu machen, doch noch einmal in Ruhe mit ihrem Mann zu reden oder zu sehen, was es vielleicht für Hilfen gäbe. Aber er blieb dabei: die Abtreibung sei der einzige Ausweg. So ging sie zum Termin. Danach weinte sie, wenn sie nur ein Baby antraf oder notleidende, hungernde Kinder im Fernsehen sah, sie fürchtete sich, einen Fleischerladen zu betreten. Sie klagte sich an, was sie nur getan hätte. Nichts konnte sie trösten.

„Wer wollte jedoch verhehlen, dass das Leben schwierig sein und man in große Not geraten kann? Aber ist es dann menschenfreundlich, einer Frau die Freiheit anzubieten, das Leben ihres Kindes zu beenden?“

Maria durch ein’ Dornwald ging …

Inzwischen kenne ich viele Fallberichte von Schwangerschaftskonflikten. Folgende Faktoren tauchen immer wieder auf: Beziehungsprobleme, unsichere bzw. kurze Beziehungen, finanzielle Sorgen, Überlastung durch bereits vorhandene Kinder, familiäre Krisen und Krankheit, Druck vom Vater des Kindes oder dem persönlichen Umfeld, eine erst begonnene Ausbildung oder ein neuer Job, der hohe Stellenwert von Leistung und Beruf, die Herabsetzung des Mutterseins und - nicht zu unterschätzen – seelische Beeinträchtigung durch die eigene frühe Kindheit. Oft kommt vieles zusammen und ballt sich wie ein unentwirrbares Knäuel zusammen. Ich weiß durch meine Schwangerschaften, wie matt und verletzlich man sich oft in der ersten Zeit fühlt, selbst ohne Grund zur Sorge. Wenn ich daran denke, wie mir schon die Bemerkungen, teilweise von Fremden, zusetzten, die ich bei der 3. und 4. Schwangerschaft zu hören bekam: Jetzt könne man doch kein Kind mehr kriegen, das sei unverantwortlich. Das alte Adventslied „Maria durch ein’ Dornwald ging …“ hörte ich da ganz neu. Wie muss das erst sein, wenn sich die Probleme zu einem unüberwindlichen Berg auftürmen und die niedergedrückte Seele kein Licht mehr sieht? Notwendig ist hier das liebevolle Annehmen, Aufhelfen, Begleiten und finanzielle Unterstützen, wie es zum Beispiel in den Beratungen der Lebensrechtsvereine geschieht. Denn diese haben beide im Blick – die schwangere Frau und ihr Kind, denn sie wollen beide retten. Bei einer Abtreibung stirbt nämlich nicht nur das Kind, es stirbt auch etwas in der Frau. Denn von dem Moment an, in welchem sie ein Kind erwartet, ist sie mit allen Fasern, ihrem Hormonhaushalt, mit jeder Zelle und in der Tiefe ihres Ichs darauf eingestellt und liebt es. Das liegt als Schöpfungsprogramm in uns. Und deshalb gibt es auch die Not nach Abtreibung. Viele Frauen weinen gleich nach dem Eingriff. Danach müssen sie irgendwie damit fertig werden, sie dürfen meist nicht einmal trauern, denn sie hatten ja die Wahl. In einer Welt, die das für eine Errungenschaft hält, darf man das nicht. Die vielfältigen körperlichen und seelischen Spätfolgen, wie Menstruationsstörungen, Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit, Angst- und Unruhezustände, Depressionen, Beziehungsstörungen, Hass gegen den Kindsvater, Aggressionen und Selbstmordgedanken sind mit einem öffentlichen Tabu belegt. Dennoch gibt es Selbsthilfegruppen und therapeutische Seelsorger, die sich dessen angenommen haben. 

Mein Bauch gehört mir!

Die oben erwähnte junge Frau fand erst wieder Frieden, als sie erkannte, mit welch barmherziger Gnade Gott auf sie wartete. In großer Reue bat sie ihn im Namen Jesu um Vergebung und gab ihm ihre Last. Sie gab ihrem Kind einen Namen und empfahl es zurück in Gottes Hand. Kinder sind das Kostbarste, was Gott uns schenken möchte. Deshalb brauchen wir eine Willkommenskultur für Kinder: Die ersten 3 Jahre durch ein Elterngehalt absichern, das Muttersein unterstützen und aufwerten, die Ehe zwischen Mann und Frau wieder als Gottes Rahmen für die Sexualität begreifen, um nur einige Faktoren zu nennen. Leider ist von alldem wenig in Sicht. 

Gerade auch, weil ich als Frau so unmittelbar betroffen bin, sollte ich fragen: Wem gebe ich denn die Ehre, mein Mann zu sein und mich ihm zu verschenken? Denn mein Bauch gehört mir!

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