Wenn Freiheit in den Abgrund führt

Allegorie

Gesetz und Gnade

Er war ein mächtiger Herrscher im Kaukasus. Einer, dem das Wohl seines Volkes am Herzen lag, einer, der sein Volk liebte. Er liebte es zu sehen, wie sich seine Untergebenen in großer Freiheit entfalteten und das Leben genossen. Die Freiheit seines Volkes war ihm ein hohes Gut. Und er wünschte sich nichts mehr, als dass es diese Freiheit in vollen Zügen genießen konnte.

Eine besorgniserregende Entwicklung

Eines Tages bekam er Kunde von einer besorgniserregenden Entwicklung in seinem Reich. Die Menschen hatten das Glücksspiel entdeckt und gaben sich dem immer mehr hin. Sie verloren viel Geld und Besitz, ihre Beziehungen litten darunter, es kam zu ernsthaften Auseinandersetzungen und Streit. Die Situation machte dem Herrscher so zu schaffen, dass er sich schweren Herzens entschloss, die Freiheit seines Volkes durch eine Verordnung einzuschränken. So erließ er umgehend ein Gesetz, dass das Glücksspiel ab sofort unter allen Umständen verbot. Seine Boten ließen das Volk in allen Städten, Dörfern und Siedlungen davon wissen und machten deutlich: Wer sich diesem Gesetz zuwider verhält, wird öffentlich mit 100 Peitschenhieben bestraft werden. Eine fürchterliche, grausame Strafe, das wusste der Herrscher, und setzte dabei auf die abschreckende Wirkung.

Da wurde er sehr betrübt und erschrak

Eine Zeitlang blieb es ruhig im Reich und es nährte sich die Hoffnung, dass die Menschen einsichtig wären. Dann aber kamen bewaffnete Soldaten zum Palast und informierten den Herrscher, dass sie jemanden beim verbotenen Glücksspiel erwischt hatten. Er wurde zornig und hieß die Männer, den Schuldigen sofort vor ihn zu führen. Als die schweren Doppeltüren zu seinem Thronsaal aufgestoßen wurden, erschrak der Herrscher sehr und wurde tief betrübt. Brachten doch da die Soldaten des Herrschers eigene Mutter. 

Das Gesetz musste eingehalten werden

Verzweifelt und unter Tränen zog er sich zurück, während das Volk auf die Urteilsvollstreckung wartete. In der Einsamkeit fragte sich der Herrscher, ob es falsch war, dieses Gesetz zu erlassen, er rang um einen Ausweg, seiner Mutter nicht die 100 Peitschenhiebe zumuten zu müssen. Er wusste, dass diese alte Frau das nicht überleben würde. Aber er hatte ein gutes und richtiges Gesetz erlassen und seine Glaubwürdigkeit stand jetzt für ewig und alle Zeiten auf dem Spiel. Er musste Recht sprechen und die Strafe vollziehen lassen. So schwer es ihm auch fiel.

Das Volk hielt den Atem an, als es verstand

So ließ er sich das Volk versammeln. Inmitten der Menschen die Soldaten, die gefesselte Mutter und der Vollstrecker mit der Peitsche. Unüblicherweise wachte der Herrscher nicht von seinem hohen Balkon über die Vollstreckung, sondern befand sich mitten in der Menschenmenge im Hof seines Palastes. Als die Peitsche zum ersten Hieb in die Luft glitt, gebot er laut Einhalt. Er trat aus dem Volk heraus zu den Soldaten, zu seiner Mutter, zum Vollstrecker. Er hieß ihn, die Frau loszubinden, während er seinen Mantel ablegte und seinen eigenen Rücken entblößte. Das Volk hielt den Atem an, als es verstand. Um seine Mutter vor der gerechten Strafe zu verschonen, die ihr den sicheren Tod gebracht hätte, übernahm der Herrscher selbst die 100 Hiebe mit der Peitsche. Damit dem Gesetz genüge getan würde.

Magazin Herbst 2016

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