Die Freiheit etwas abzugeben

Essay

Woran denken Sie zuerst, wenn Sie das Wort „Teilen“ hören? Was kommt Ihnen in den Sinn? Vielleicht der altbekannte Spruch „Geben ist seliger als Nehmen“? Wir haben Maike Fethke gefragt und eine erstaunlich simple Antwort bekommen. Simpel im Sinne von „das kann wirklich jeder machen“. Versuchen Sie’s mal.

Geben ist seliger als Nehmen. Keine Frage. Diese Worte sind mir so vertraut, sie sind wie ein treuer Wegbegleiter von Kindheit an. Ich habe diese Worte nie wirklich in Frage gestellt. Natürlich ist Geben seliger als Nehmen. Wer will schon daran rütteln? Und natürlich habe ich auch von klein auf irgendetwas gegeben. Ein bisschen vom Taschengeld für ein Kind in Afrika, das kein Mittagessen hat. In der Schule etwas vom reichlichen Pausensnack für die Freundin, die immer mit einer leeren Brotdose auf dem Hof stand. Irgendwann, nachdem ich mich für ein Leben mit Jesus Christus entschieden hatte, kamen auch zuerst mal zaghafte Versuche, den berühmten Zehnten zu geben.

Teilen macht Spaß

Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass Geben doch gar nicht so leicht ist. Es kostet mich – im wahrsten Sinne des Wortes – etwas und fällt mir auch manchmal schwer. Je mehr mein Herz an etwas hängt, desto schwieriger wird es. Gleichzeitig erlebe ich aber auch, Teilen macht Spaß. Immer wieder ertappe ich mich bei der Beobachtung, wie ich „aus heiterem Himmel“ beschenkt werde, einfach so. Unverdient. Jemand teilt seine Schätze mit mir und ich bin – oft überrascht – in der Rolle der Beschenkten. Ein geheimnisvoller Kreislauf.

Dieser Kreislauf des Teilens wurde für mich vor vielen Jahren vollkommen unerwartet auf neue, faszinierende Weise lebendig. In meiner Gemeinde (ich wohnte damals im Herzen von Jerusalem und besuchte regelmäßig einen anglikanischen Gottesdienst) wurde ein Projekt angekündigt: „Dare to Share“ (Wage es zu teilen). Untertitel: „The Secret of Giving“ (Das Geheimnis des Teilens). Irgendetwas reizte mich an diesem Experiment. Alle 14 Tage sollte es im Hauskreis eine Andacht zu dem Thema geben; und in den Tagen zwischen unseren Treffen hatten wir die Chance, das Gehörte in die Praxis umzusetzen. „Okay“, dachte ich, „mal gucken, was ich hier entdecken kann“. Ich ließ mich auf das Projekt ein.

Eine freiwillige Hausaufgabe

Unser erster Hauskreis zu dem Thema war eher unspektakulär. Es ging um vertraute Bibelworte, Verse, die ich schon viele, viele Male gelesen und gehört hatte. Und ich sagte mir ein bisschen enttäuscht: „Nichts Neues unter der Sonne.“ Doch zum Schluss gab es die Herausforderung für die nächsten Tage, eine Art freiwillige Hausaufgabe: „Gib in den nächsten zwei Wochen dreimal etwas von dir, das dich nichts gekostet hat, und verschenke es an einen fremden Menschen!“ Das hört sich einfach an, ist es aber nicht unbedingt. Es ging nicht darum, eine Tafel Schokolade zu kaufen und sie einem Unbekannten in die Hand zu drücken. Vielmehr ging es darum, sich Gedanken zu machen, was ich geben kann, ohne Geld einzusetzen, und mich dann überraschen zu lassen, wen Gott mir als Empfänger über den Weg schickt.  

Ein Strahlen zog auf ihr Gesicht

Ich entschied mich dafür, unter anderem ein Foto mit einer bunten Wiese voll blühender Mohnblumen zu verschenken, das lange an meinem Schreibtisch gehangen hatte. Eines Tages steckte ich es auf dem Weg zum Einkaufen in meine Handtasche und war gespannt, wem ich es würde schenken können. Als ich mit vollen Taschen aus dem Supermarkt kam, fiel mein Blick plötzlich auf eine ältere Dame im Rollstuhl, die auf jemanden zu warten schien. Und ich wusste sofort: „Sie ist die Foto-Empfängerin!“ Etwas unsicher ging ich auf sie zu, fragte, ob ich ihr etwas schenken dürfte. Und während sie mich noch leicht überrumpelt anguckte, holte ich das Foto raus und gab es ihr. Ein Strahlen zog über ihr Gesicht und sie sagte: „Meine Lieblingsblumen!“ Es war, als ob ihre Freude mich ansteckte, und ich ging beglückt nach Hause.

Zwei weitere Male traf sich unser Hauskreis, wir reflektierten das Erlebte und gingen mit neuen „Hausaufgaben“ wieder auseinander. Nach dem nächsten Treffen war die Aufgabe, etwas mit einem Freund zu teilen, worauf ich mich lange gefreut und das ich für mich gekauft hatte. Nach dem dritten Treffen sollte ich etwas verschenken, an dem wirklich, wirklich mein Herz hing. Das fiel mir – zugegeben – schwer!

Gott wird Sie überraschen

Drei Mal habe ich bewusst erlebt, wie sehr ich mich freue, wenn ich bewusst etwas teile. Nicht den Zehnten geben, keine fromme Pflichtübung. Sondern teilen, um mich überraschen zu lassen von dem, was Gott daraus macht.

Ich habe meine Gedanken zu diesem Experiment damals in mein Tagebuch geschrieben. Irgendwie wollte ich festhalten, was ich mit Gott bei etwas erlebte, das mir eigentlich alltäglich und gar nicht so besonders erschien. Und ich habe viel erlebt. Ich habe vor allem entdeckt, wie Gott mir die Freiheit zum Loslassen schenkt. Wenn ich diese Freiheit spüre, dann ist plötzlich vieles möglich. Ich lade Sie ein: Lassen Sie sich doch auch auf ein Experiment des Teilens in Ihrem Alltag ein. Fangen Sie doch in diesem Sommer damit an. Ob allein oder mit anderen zusammen: Gott wird Sie überraschen!

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