Bitterkeit - Mir wird klar, dass ich den Kampf gewinnen will

Biografie

Marga Löwen ist jung, lebensfroh und entschlossen. Sie hat eine Ausstrahlung, wie kaum eine andere, will Gott in der Mission dienen und gibt, was sie hat. Dann kommt die tödliche Diagnose. Sie steht das durch. Lebt, hofft, glaubt. Wenig später verliert die hochschwangere Marga Henn, wie sie mittlerweile heißt, ihr Baby in einem tragischen Unfall. Der Boden unter ihren Füßen gibt nach. Sie kämpft um ihren Glauben. Sie gibt nicht auf. Sie überwindet. Und hier schreibt sie, warum.

„Das eine aber wissen wir: Wer Gott liebt, dem dient alles, was geschieht, zum Guten.“ Diesen Bibelvers aus Römer 8 lese ich, als ich mit 19 Jahren nach einer Krebsdiagnose im Krankenhaus liege und nicht weiß, ob ich diese Krankheit überleben werde. In meinem Inneren beginnt ein Kampf. Ich liebe Gott von ganzem Herzen und bin in die Mission ins ferne Ausland gegangen, weil ich seinem Ruf gefolgt bin. Weil ich gehorsam sein wollte. Kein halbes Jahr später dann das. Hat Gott denn die Kontrolle verloren? Hat er mich nicht mehr im Auge? Gibt es ihn wirklich? Und wenn ja, wieso lässt er so etwas zu? Wie kann mir das zum Guten dienen?

Die Sehnsucht nach dem Himmel

Mitten in diesen schrecklichen Zeiten des Zweifelns gebraucht Gott wildfremde Menschen, um mir zu zeigen, dass er mich nicht vergessen hat. Ich darf seine Nähe spüren und erlebe, wie er mir diese Ruhe schenkt. Und eine Freude, die ich so noch nicht gekannt hab. Eine, die weit über das Leben auf dieser Erde hinausgeht. Gott weckt in mir eine Sehnsucht nach dem Himmel – nach der Gemeinschaft mit ihm. Und mir wird klar, dass ich den Kampf gewinnen werde, egal wie diese Krankheit ausgeht.

Das dunkle Tal der Krankheit

Die folgenden Monate mit der Chemotherapie sind nicht leicht. Auch nicht die Jahre danach, obwohl ich die Therapie erfolgreich beenden kann. Mehr als einmal zeigen die Nachuntersuchungen, dass etwas nicht in Ordnung ist, und die Sorgen, dass die Krankheit wieder ausbrechen könnte, holen mich jedes Mal ein. In solchen Phasen versuche ich mir die vielen Wunder vor Augen zu halten, die Gott bis hierher getan hat. Er hat mich durch das dunkle Tal der Krankheit begleitet und mich geheilt. Er hat mir das Leben neu geschenkt und eine tiefe Vorfreude auf den Himmel gegeben. Er ist an meiner Seite gewesen und ist es noch.

Warum mir diese Krankheit zum Guten gedient hat? Ob Paulus Recht hat mit dem, was er den Römern schreibt? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber ich weiß wohl, dass mein stetes Fragen nach dem Warum mich bitter machen wird, wenn ich es nicht an Gott abgebe. Und so treffe ich die bewusste Entscheidung, es abzugeben und ihm auch in diesem Punkt zu vertrauen.

Die unerträgliche Trauer

Einige Jahre später, ich bin inzwischen verheiratet, wächst bei meinem Mann und mir der Wunsch nach einem Baby. Was ich bei meinem Krankheitsbild und der Therapieform als alles andere als wahrscheinlich einschätze. Doch ich werde sehr schnell schwanger, und mir wird deutlich, dass Gott ein weiteres Wunder getan hat: Trotz Krebs und anschließender Chemotherapien darf ich Kinder bekommen! Wir sind überglücklich. Mit jedem Zentimeter meines Umfangs wächst auch meine Freude über das Baby in meinen Bauch, unseren Sohn. Wir bereiten gerade seine Ankunft vor, als der schreckliche Autounfall passiert. Samuel überlebt den heftigen Aufprall nicht. Mir wird der Boden unter den Füßen weggerissen. Anstatt das Babybett herzurichten, müssen wir uns plötzlich um ein Kindergrab kümmern. Meine Trauer ist unermesslich. Es tut so unglaublich weh. Ich spüre eine tiefe Leere. Und dennoch, in all dem weiß ich: Gott ist da! Und an diese Gewissheit klammere ich mich mit all meiner Kraft. Noch am Unfallort spürte ich Gottes Gegenwart, wie ich es noch nie vorher erlebt hatte. Mir war, als hielte Gott selbst mich fest und sagte mir immer und immer wieder, wie sehr er mich liebt. 

Die Kraft kommt nicht aus mir

Meine Fragen sind dadurch nicht verschwunden, das große Warum taucht immer wieder auf. Ich verstehe nicht, wozu Gott zuerst das Gebet um ein Baby so schnell und positiv beantwortet und einige Monate später dessen Tod zulässt. Weil mir das Beten in dieser Situation schwerfällt, flehe ich Gott an, meinen Glauben stark zu machen und mir zu helfen, ihm trotz allem zu vertrauen. Denn alleine schaffe ich das nicht.

Mitten in unserer Trauer stolpert mein Mann über das Lied „Praise you in this storm“ von Casting Crowns. Darin heißt es: Im Sturm sing ich zu dir, heb meine Hände auf, denn du bist, der du bist, egal wohin ich lauf. Und jede meiner Tränen hältst du in deiner Hand. Hast mich nie aufgegeben. Bricht auch mein Herz in mir: In diesem Sturm sing ich zu dir.

Das Gefühl streitet gegen den Verstand

Mein Herz schmerzt und die Tränen wollen nicht aufhören zu fließen, als dieses Lied auf Samuels Beerdigung gespielt wird. Aber in allem Schmerz weiß ich, dass Gott größer ist. Er hält mein Leben in der Hand und behält den Überblick, selbst wenn meine Sicht verschwommen ist. Auch wenn er den Unfall nicht verhindert hat, so ist ihm dennoch alle Macht gegeben. Ich weiß. Meine Gefühle und mein Verstand passen hier nicht zusammen. Und doch entscheide ich mich wieder ganz bewusst dafür, Gott zu vertrauen. Und diese Entscheidung muss ich in dem Trauerprozess immer wieder treffen. Auch in diesem schrecklichen Verlust will ich Gott anbeten! Das Wissen um sein allmächtiges, allwissendes, unendlich gnädiges Wesen und die Tatsache, dass er mich mehr liebt, als ich es mir je werde vorstellen können, gibt mir Halt. 

Die Bitterkeit kriegt keinen Platz

Seit Samuels Beerdigung sind drei Jahre vergangen und wir haben zwei weitere Söhne bekommen. Ich erlebe nach der Trauer viel Freude. Der Prozess des Vertrauen-Lernens ist trotzdem noch nicht abgeschlossen. Noch immer begleiten mich Ängste und Sorgen. Die Möglichkeit, dass etwas Schreckliches passieren könnte, erscheint mir nicht mehr so abwegig, wie noch vor dem Unfall. Ich bin mir bewusster denn je, wie zerbrechlich das Leben ist und dass es von einer Sekunde auf die andere auseinanderbrechen kann. Aber das wird an einer Tatsache nichts ändern: Nämlich, dass Gottes Liebe noch so viel größer ist als alles Leid, das ich je erleben kann. Und es ist diese Liebe, die mir hilft, nicht aufzugeben, sondern mutig nach vorne zu schauen. Und der Bitterkeit keinen Raum zu gewähren.

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